Verkehrsrecht | Unfall | Kanzlei | Anwalt | Rechtsanwalt | Dieselskandal | Abgasskandal | Autokreditwiderruf | Frankfur

View Original

Hamburgisches OVG, Beschluss vom 05.09.2019 - 3 Bs 124/19

1. Die Formulierung „Sport- und Freizeitzwecke“ in der Schiffssicherheitsverordnung ist eine einheitliche Sammelbezeichnung, die keine Abgrenzung der einzelnen Begriffsbestandteile zueinander erfordert.

2. Die im Schiffssicherheitsrecht privilegierten „Sport- und Freizeitzwecke“ schließen gemeinnützige und humanitäre Zwecke grundsätzlich ein.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 13. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Festhalteverfügung der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist ein gemeinnütziger Verein, der sich nach seiner Satzung u.a. die Förderung der Rettung Schiffbrüchiger aus Lebensgefahr zum Ziel gesetzt hat. Er ist Eigentümer eines ehemaligen niederländischen Kutters, der heute unter dem Namen M. L. unter deutscher Flagge fährt. Das Schiff wurde seit den 1960er Jahren wiederholt umgebaut. Es verfügt nicht mehr über das Zubehör für eine Nutzung als Fischereifahrzeug, dagegen über 7 Kojen, Badezimmer, Küche und Salon. In den Jahren 2015 - 2017 wurde das Schiff von einem anderen Eigner bereits zu vergleichbaren Zwecken im Mittelmeer eingesetzt.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie stellte im Jahr 2018 für die M. L. einen Schiffsmessbrief für Sportfahrzeuge, Schiffstyp Motoryacht aus. Im August 2018 stellte das Amtsgericht Charlottenburg das Recht zur Führung der Bundesflagge fest.

Mit sofort vollziehbarer Festhalteverfügung vom 18. April 2019 untersagte die Antragsgegnerin das Auslaufen und die Weiterfahrt des Schiffes. Sie stützte diese Verfügung auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 SchSV. Da das Schiff nicht zu Sport- und Freizeitzwecken eingesetzt werde, benötige die M. L. ein gültiges Schiffssicherheitszeugnis, über das sie aber nicht verfüge.

Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch erhoben und zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass sein Schiff kein Schiffssicherheitszeugnis benötige. Es diene Sport- und Freizeitzwecken. Diese Begrifflichkeit sei weit auszulegen und in Abgrenzung zur beruflichen Nutzung zu verstehen.

Mit Beschluss vom 13. Mai 2019 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Festhalteverfügung angeordnet. Für die M. L. sei ein Schiffssicherheitszeugnis nicht erforderlich. Es lasse sich nicht feststellen, dass auf die M. L. internationale Regelungen oder Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union anzuwenden seien, die schiffsbezogene Sicherheitsstandards festlegten. Auch die Anforderungen nach § 6 Abs. 1 i.V.m. der Anlage 1a SchSV müsse die M. L. nach summarischer Prüfung nicht einhalten, da sie keinem der Schiffstypen zuzuordnen sei, für den die Anforderungen nach der Anlage 1a gälten. Als Fischereifahrzeug sei die M. L. nach ihrem Umbau nicht anzusehen. Es könne dahinstehen, ob sie als Sportboot anzusehen sei, für das unter bestimmten Voraussetzungen ein Schiffssicherheitszeugnis nicht erforderlich sei. Jedenfalls handele es sich bei der M. L. um ein Frachtschiff, welches von den Sicherheitsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SchSV i.V.m. Anlage 1a Teil 6 ausgenommen sei. Danach gelte das Erfordernis eines Schiffssicherheitszeugnisses nach dieser Anlage nicht für Kleinfahrzeuge, die nicht gewerbsmäßig für Sport- und Freizeitzwecke verwendet würden. Das Gericht gehe aufgrund der Annahmen der Beteiligten zu der Größe des Schiffes davon aus, dass es sich bei der M. L. um ein Kleinfahrzeug in diesem Sinne handele. Den vorliegenden Unterlagen und Informationen sei außerdem zu entnehmen, dass die M. L. nicht gewerbsmäßig verwendet werde. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Einsatz des Schiffes mit einer gewissen Regelmäßigkeit zum Zwecke der Gewinnerzielung erfolge. Schließlich sei davon auszugehen, dass die M. L. für Sport- und Freizeitzwecke im Sinne der Regel 1.2 Nr. 5, Kapitel 1, Teil 6 der Anlage 1a zu den §§ 6 und 6a SchSV verwendet werde. Dabei seien Freizeitzwecke zunächst in Abgrenzung zu beruflichen Zwecken zu verstehen, als Ziele und Vorhaben die jemand außerhalb seines Berufes verfolge. Allerdings werde dieser Begriff im Hinblick auf den hier bestehenden Zusammenhang mit Sicherheitsanforderungen in der Schifffahrt damit noch nicht hinreichend bestimmt. Vielmehr lege das Gericht den Begriff „Freizeitzwecke“ in der hier anzuwendenden Vorschrift im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens einschränkend dahingehend aus, dass hierunter nicht solche nicht beruflichen Aktivitäten fielen, bei denen sich die betreffenden Personen zwar in ihrer Freizeit freiwillig und unentgeltlich engagierten, bei denen sie sich aber vertraglich in einer Weise verpflichteten, dass ihr Tätigwerden im konkreten Einzelfall für sie nicht mehr zur freien Disposition stünde. In diesen Fällen sei der Einzelne stärker schutzbedürftig und müsse daher auch darauf vertrauen können, dass Sicherheitsanforderungen eingehalten würden. Dass die M. L. in einer Weise eingesetzt würde, dass sich die mitfahrenden Personen verbindlich dazu verpflichtet hätten, an der Beobachtungsmission teilzunehmen, sei für das Gericht allerdings nicht erkennbar.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin führt nicht zum Erfolg.

Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern. Die lediglich angegriffene Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die M. L. zu Sport- und Freizeitzwecken im Sinne der Regel 1.2 Nr. 5, Kapitel 1, Teil 6 der Anlage 1a zu den §§ 6 und 6a SchSV verwendet werde und daher keines Schiffssicherheitszeugnisses bedürfe, vermag die Beschwerde nicht zu erschüttern.

1. Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin den vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren angelegten Prüfungsmaßstab.

Mit dem Einwand, das Verwaltungsgericht habe den ersten Begriffsbestandteil „Sport-“ und die inhaltliche Verknüpfung durch die anschließende Konjunktion „und“ vor dem dritten Begriffsbestandteil „Freizeitzwecke“ bei der Auslegung und Subsumtion des Sachverhalts gänzlich unbeachtet gelassen, rügt die Antragsgegnerin allein das Ergebnis der Auslegung (mehr dazu unter Ziffer 2.), stellt den der Entscheidungsfindung zugrunde gelegten Prüfungsmaßstab aber nicht in Frage. Soweit sie allgemeine Ausführungen zu der in Eilverfahren erforderlichen Prüfungstiefe macht, legt sie nicht - wie es nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO erforderlich gewesen wäre - in Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung dar, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts diesen Anforderungen nicht gerecht geworden sei.

In der Sache begegnet der von dem Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Prüfungsmaßstab zudem keinen Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat sich nicht auf eine bloße „Anprüfung“ (der Rechtsfragen) im Sinne einer „summarischen Subsumtion“ beschränkt, sondern hat die sich hier im Hinblick auf die Regel 1.2 Nr. 5, Kapitel 1, Teil 6 der Anlage 1a zu den §§ 6 und 6a SchSV stellenden Auslegungsfragen für die Zwecke dieses Eilverfahrens einer Klärung zugeführt. Soweit sich das Verwaltungsgericht auf die Auslegung des Begriffsbestandteils „Freizeitzwecke“ beschränkt und den Sachverhalt allein unter diesen Rechtsbegriff subsumiert hat, liegt der Entscheidung erkennbar das - unausgesprochene - Auslegungsergebnis zugrunde, dass es sich bei der Formulierung „Sport- und Freizeitzwecke“ in Regel 1.2 Nr. 5, Kapitel 1, Teil 6 der Anlage 1a zu den §§ 6 und 6a SchSV nicht um kumulativ zu erfüllende Tatbestandsmerkmale handelt.

2. Die Beschwerde vermag dieses Begriffsverständnis auch in der Sache nicht mit Erfolg in Zweifel zu ziehen.

Die Antragsgegnerin macht geltend, eine vollständige und sachgerechte Auslegung des Begriffes „Sport- und Freizeitzwecke“ nach den Grundsätzen der grammatikalischen, der historisch-genetischen, der systematischen, der teleologischen und der völkerrechtskonformen Auslegungsmethoden erfordere die Einbeziehung der kumulativ vorausgesetzten Sportzwecke. Die Argumentation der Antragsgegnerin überzeugt nicht.

a) Der Wortlaut der Norm zwingt entgegen der Beschwerdebegründung nicht zu einer einschränkenden Auslegung der Ausnahmevorschrift.

Die Verwendung der Konjunktion „und“ anstelle der Konjunktion „oder“ lässt für sich genommen nicht darauf schließen, dass der Normgeber hier eine bewusste Einschränkung des dritten Begriffsbestandteils „Freizeitzwecke“ vorgenommen hat. Zwar kann das Wort „und“ zwischen einzelnen Tatbestandsmerkmalen in einer Norm bedeuten, dass diese nach dem Willen des Normgebers auch kumulativ vorliegen müssen (vgl. Bundesministerium der Justiz, Bekanntmachung des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit v. 22.9.2008, Rn. 90). Das gilt aber nicht für Aufzählungen, die einen einheitlichen Sammelbegriff kennzeichnen, ohne dass eine weitergehende Abgrenzung der einzelnen Begriffsmerkmale zueinander gewollt und erforderlich wäre (vgl. zu dem Begriffspaar „Öle und Fette“ im Markenrecht BPatG, Beschl. v. 13.1.2000, 25 W (pat) 69/99, BPatGE 43, 8, juris Rn. 37). Von einer alternativen Verknüpfung einzelner Begriffsbestandteile kann insbesondere auszugehen sein, wenn die einzelnen Begriffsbestandteile (weitgehend) ineinander aufgehen (so zu der Formulierung „verantwortend und leitend“ BFH, Urt. v. 27.6.1994, VII R 110/93, BFHE 176, 181, juris Rn. 49).

So liegt der Fall auch hier. Sport- und Freizeitzwecke werden im Zusammenhang mit der Verwendung eines Wasserfahrzeugs regelmäßig nicht unterschieden. So definiert das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie auf seiner Internetseite die „Sportschifffahrt“ lediglich in Abgrenzung zu der Berufsschifffahrt als nicht gewerbliche Schifffahrt auf Binnengewässern oder in Seegebieten (https://www.bsh.de, weiter unter Themen, Schifffahrt, Sportschifffahrt), was begrifflich im Wesentlichen auf die Verwendung eines Wasserfahrzeugs zu Freizeitzwecken hinausläuft. Auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geht erkennbar von einem weiten Verständnis der „Sportschifffahrt“ aus, die maßgeblich durch ihren Freizeitwert geprägt wird (vgl. die Broschüre des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur „Sicherheit auf dem Wasser“ v. 1.4.2019, S. 5, abrufbar auf https://www.bmvi.de, weiter unter Service, Publikationen). Umgekehrt wird auch die „Freizeitschifffahrt“ insgesamt dem „Wassersport“ zugerechnet, ohne in diesem Zusammenhang die Verwendung eines Wasserfahrzeugs zu Sportzwecken weiter zu qualifizieren (vgl. den Artikel des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur „Wassersport - Freizeitschifffahrt und Charterscheinregelung“, abrufbar auf https://www.bmvi.de, weiter unter Themen, Mobilität, Wasser, Wassersport).

b) Der Regelungszusammenhang der Regel 1.2 Nr. 5, Kapitel 1, Teil 6 der Anlage 1a zu den §§ 6 und 6a SchSV rechtfertigt keine andere Bewertung.

(1) Das Verhältnis zu der See-Sportbootverordnung legt - entgegen der Beschwerde - kein enges Verständnis der Formulierung „Sport- und Freizeitzwecke“ in diesem Sinne nahe.

Soweit mit der Beschwerde davon ausgegangen wird, dass der Verordnungsgeber mit der Sicherheitsrichtlinie für Frachtschiffe vom 11. September 2015 (VkBl. S. 572) die nach der Schiffssicherheitsverordnung für Kleinfahrzeuge geltenden Sicherheitsanforderungen den nach der See-Sportbootverordnung für Sportboote geltenden Anforderungen angepasst hat, folgt daraus zunächst lediglich, dass auch die übernommenen Begrifflichkeiten in Anlehnung an die See-Sportbootverordnung ausgelegt werden sollten.

Die See-Sportbootverordnung findet Anwendung auf Sportboote, die - in Umsetzung der Richtlinie 94/25/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Sportboote vom 16. Juni 1994 - als Wasserfahrzeuge mit oder ohne Maschinenantrieb definiert werden, die für Sport- und Freizeitzwecke gebaut worden sind und dafür verwendet werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SeeSpbootV). Die Beschwerde macht aber nicht geltend, dass die See-Sportbootverordnung in diesem Zusammenhang kumulativ zu erfüllende Tatbestandsvoraussetzungen definiert. Der Gesamtzusammenhang spricht gegen ein solches Verständnis. Wie sich aus den §§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 14 und 15 SeeSpbootV ergibt, wonach unter den Begriff des Sportbootes selbst gewerbsmäßig genutzte Wasserfahrzeuge fallen, ist die See-Sportbootverordnung auf einen weiten Anwendungsbereich angelegt.

Ohne Erfolg führt die Beschwerde zum Verhältnis zu der See-Sportbootverordnung ferner an, dass nach der Schiffssicherheitsverordnung das Regel-Ausnahme-Verhältnis für Kleinfahrzeuge „umgekehrt“ sei, weil danach Kleinfahrzuge im Ausgangspunkt den Sicherheitsanforderungen der Anlage 1a zu den §§ 6 und 6a SchSV unterlägen und nur in ausdrücklich geregelten Einzelfällen - hier die nicht gewerbsmäßige Nutzung zu Sport- und Freizeitzwecken - von den Sicherheitsanforderungen ausgenommen würden, Sportboote nach der See-Sportbootverordnung dagegen bereits im Grundsatz privilegiert seien und nur in Ausnahmefällen - ihrer gewerblichen Nutzung - einer Zeugnispflicht unterworfen würden. Die unterschiedliche Regelungssystematik führt im Ergebnis allein dazu, dass das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen im Falle von Kleinfahrzeugen positiv festgestellt werden muss. Anhaltspunkte für ein unterschiedliches Begriffsverständnis ergeben sich daraus aber nicht.

(2) Ein „rechtsvergleichender Blick zum Luftverkehrsrecht“ spricht ebenfalls nicht für ein enges Verständnis der Begrifflichkeit im Sinne kumulativ zu erfüllender Tatbestandsvoraussetzungen.

Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 2 Satz 3 LuftVG die Begriffe „Sport“ und „Freizeitgestaltung“ anders als in der Schiffssicherheitsverordnung zwar mit der Konjunktion „oder“ verbunden. Danach gelten unbemannte Fluggeräte einschließlich ihrer Kontrollstation, die nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung betrieben werden (unbemannte Luftfahrtsysteme) ebenfalls als Luftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes. Diese Formulierung lässt entgegen der Beschwerde aber keinen tragfähigen Rückschluss darauf zu, dass es sich nach dem Verständnis des Gesetzgebers bei Sport- und Freizeitzwecken - im Luftverkehrsrecht und erst Recht in anderen Rechtsgebieten - um eigenständige, voneinander abgrenzbare Begriffe handelt. Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 2 Satz 3 LuftVG dient der im Gesetz beschriebene Verwendungszweck eines Flugmodells zu Sport- und Freizeitzwecken in erster Linie der Abgrenzung zu der gewerblichen Verwendung unbemannter Fluggeräte (BT-Drs. 17/8098, S. 12), was auf ein Verständnis als Sammelbezeichnung hinausläuft.

Eine einschränkende Auslegung der Begrifflichkeit im Schifffahrtsrecht ist, anders als die Antragsgegnerin geltend macht, auch nicht deshalb geboten, weil nach der Schiffssicherheitsverordnung - anders als im Luftverkehrs- wie auch im Straßenverkehrsrecht - die nicht-gewerbsmäßige Verwendung (eines Kleinfahrzeugs) Tatbestandsmerkmal der Ausnahmeregelung sei, so dass dem Begriff „Sport- und Freizeitzwecke“ eine darüber hinausgehende zusammenhängende Bedeutung in dem Sinne zukommen müsse, dass hier nur sportbezogene Freizeitzwecke gemeint seien. Der von der Antragsgegnerin selbst hergestellte Bezug zu der See-Sportbootverordnung lässt vielmehr einen gegenteiligen Schluss zu. Die See-Sportbootverordnung erfasst ausdrücklich auch gewerbliche Nutzungen von Sportbooten, so dass die ausdrückliche Beschränkung der Ausnahmevorschrift auf nicht-gewerbliche Nutzungen - entgegen der Argumentation der Antragsgegnerin - Ausdruck eines im Ausgangspunkt weiten Verständnisses von zu Sport- und Freizeitzwecken gebauten und verwendeten Wasserfahrzeugen sein dürfte.

c) In Anbetracht dessen vermag auch der mit der Historie der Regelung begründete Einwand, der Verordnungsgeber habe mit der Regel 1.2 Nr. 5, Kapitel 1, Teil 6 der Anlage 1a zu den §§ 6 und 6a SchSV über eine bloße Anpassung der Begrifflichkeiten an die See-Sportbootverordnung hinaus den zuvor geltenden Ausnahmebereich von der Zeugnispflicht für nicht-gewerbsmäßig verwendete Kleinfahrzeuge bewusst eingeschränkt, nicht zu überzeugen. Die von der Beschwerde behauptete Anpassung an die Begrifflichkeiten der See-Sportbootverordnung spricht - wie gesehen - für ein weites Verständnis der Formulierung. Für eine abweichende Intention des Verordnungsgebers fehlen dagegen tragfähige Anhaltspunkte.

d) Mit ihren Ausführungen zu Sinn und Zweck der Regel 1.2 Nr. 5, Kapitel 1, Teil 6 der Anlage 1a zu den §§ 6 und 6a SchSV wendet sich die Antragsgegnerin in der Sache allein gegen das Ergebnis der isolierten Auslegung des Begriffes „Freizeitzwecke“ durch das Verwaltungsgericht (mehr dazu unter Ziffer 3.), führt aber keine weiteren Argumente dafür an, dass die Ausnahmevorschrift auch die Verwendung eines Kleinfahrzeugs zu Sportzwecken voraussetzen würde.

e) Schließlich zwingt auch das Völkerrecht nicht dazu, „Sportzwecke“ als kumulativ zu erfüllende weitere Voraussetzung der Ausnahmevorschrift anzusehen. Das von der Antragsgegnerin angeführte Internationale Übereinkommen von 1975 zum Schutz menschlichen Lebens auf See nimmt, worauf der Antragsteller zutreffend hinweist, Frachtschiffe mit einer Bruttoraumzahl von weniger als 500, mithin auch das hier in Rede stehenden Kleinschiff mit einer Bruttoraumzahl von weniger als 100 von seiner Anwendung ausdrücklich aus (Regel 3 Buchst. a) ii) SOLAS Kap. 1 Teil A). Aus welchen Gründen die Wortwahl „Vergnügungsjacht“ („pleasure yachts“), dieser Schiffstyp wird ebenfalls von dem Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen (Regel 3 Buchst. a) v) SOLAS Kap. 1 Teil A), die von der Antragsgegnerin vertretene Auslegung stützen soll, erschließt sich dem Beschwerdegericht nicht.

3. Die Auslegung des Begriffes „Freizeitzwecke“ durch das Verwaltungsgericht vermag die Beschwerde ebenfalls nicht zu erschüttern.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht „Freizeitzwecke“ im Ausgangspunkt in Abgrenzung zu beruflichen Zwecken verstanden und definiert hat. Unter Freizeit wird die Zeit verstanden, in der jemand nicht zu arbeiten braucht, keine besonderen Verpflichtungen hat. Es ist eine für Hobbys oder Erholung frei verfügbare Zeit (so die Bedeutungsbeschreibung unter www.duden.de). Freizeit kann danach der Erholung von den Anstrengungen beruflicher oder sonstiger Verpflichtungen dienen, ist aber nicht darauf beschränkt. Sie erfasst zudem der persönlichen Entfaltung dienende kommunikative, kulturelle, politische und sportliche Tätigkeiten (vgl. Gabler, Wirtschaftslexikon, Bd. 2, 1984, Sp. 1611), was gemeinnützige und humanitäre Tätigkeiten ohne Weiteres einschließt.

Es ist nicht ersichtlich, dass der Schiffssicherheitsverordnung im Ergebnis ein hiervon abweichendes Begriffsverständnis zugrunde liegt. Insbesondere hat der Verordnungsgeber Schiffe, die zu ideellen bzw. humanitären Zwecken verwendet werden, nicht einem gesonderten Regelungsregime unterworfen, was einer Zuordnung zu Sport- und Freizeitzwecken von vornherein entgegenstehen würde. Die von der Beschwerde vertretene Beschränkung der Regel 1.2 Nr. 5, Kapitel 1, Teil 6 der Anlage 1a zu den §§ 6 und 6a SchSV auf den Einsatz eines Schiffes „als Mittel der Zerstreuung, des Sich-Vergnügens und des Zeitvertreibs zur Erholung“, findet danach weder im Wortlaut noch der Systematik der Schiffssicherheitsverordnung einen tragfähigen Anknüpfungspunkt. Auch die bloße Unterwerfung unter einen Vereinszweck, in dessen Rahmen Freizeitaktivitäten ausgeübt werden, stellt kein geeignetes Abgrenzungskriterium in diesem Zusammenhang dar.

Im Hinblick auf die Weite der Begrifflichkeit „Freizeitzwecke“ ist zwar nicht auszuschließen, dass Sinn und Zweck der Privilegierung von zu „Sport- und Freizeitzwecken“ verwendeten Kleinfahrzeugen gleichwohl eine einschränkende Auslegung dieser Formulierung erfordern könnten. Die Beschwerde gibt aber keinen Anlass, dieser Frage im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens weiter nachzugehen. Ob der mit der Beschwerde lediglich angegriffene Ansatz des Verwaltungsgerichts, Tätigkeiten von dem Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift auszunehmen, bei denen sich die betreffenden Personen zwar in ihrer Freizeit (außerhalb ihrer jeweiligen beruflichen Tätigkeit) freiwillig und unentgeltlich engagierten, sie sich aber vertraglich in einer Weise verpflichtet hätten, dass ihr Tätigwerden im konkreten Einzelfall nicht mehr zur freien Disposition stehe, wie dies zum Beispiel bei ehrenamtlichen Tätigkeiten bei Rettungsdiensten wie der freiwilligen Feuerwehr der Fall sein dürfte, einen überzeugenden Lösungsansatz darstellt, kann dahinstehen, weil die Voraussetzungen dieser Fallgruppe nach den nicht angegriffenen Annahmen des Verwaltungsgerichts ohnehin nicht vorliegen.

Davon abgesehen greift der Einwand der Antragsgegnerin, dass ihr das Begriffsverständnis des Verwaltungsgerichts die Möglichkeit nähme, die Notwendigkeit einer Zeugniserteilung im Einzelfall prüfen zu können, auch nicht durch. Es trifft zwar zu, dass sich die Zweckbestimmung eines Schiffes nicht nach bloß subjektiven Kriterien richtet, sondern in erster Linie aus äußeren, allgemein-gültigen Merkmalen, die auf eine bestimmte Nutzung schließen lassen, festzustellen ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 1.10.2009, 1 Bs 129/09, NordÖR 2010, 75, juris Rn. 16; BFH, Urt. v. 13.2.1992, V R 140/90, BFHE 167, 232, juris Rn. 35). Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Zweckbestimmung der M. L. - am Maßstab des Verwaltungsgerichts - im konkreten Fall nicht auch an objektiven Kriterien in diesem Sinne habe überprüft werden können.

Eine weitergehende Einschränkung des Anwendungsbereichs der Ausnahmevorschrift in den Fällen, in denen sich die Personen bereits aufgrund der faktischen Einschränkungen ihrer Zeit und des Spielraums ihrer Verantwortlichkeit und Handlungsmöglichkeiten begeben, ist entgegen der Beschwerdebegründung jedenfalls nicht angezeigt. Faktische Beeinträchtigungen in diesem Sinne sind kein geeignetes Abgrenzungskriterium zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Sicherheitsvorschriften für die Schifffahrt. Sie sind - wie auch der Antragsteller in der Antragserwiderung ausführt - jeder Nutzung eines Schiffes auf See immanent. Das Beschwerdegericht vermag auch nicht zu erkennen, dass die Teilnehmer humanitärer Beobachtungs- und Rettungsmissionen insoweit weitergehenden Einschränkungen ihrer Handlungsmöglichkeiten unterliegen würden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts bleibt einer gesonderten Entscheidung vorbehalten.