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LG Bielefeld, Urteil vom 31.01.2017 - 2 O 208/16

Tenor

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.617,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 20.07.2016 zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Inanspruchnahme auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 255,85 € freizustellen.

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.

5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages.

Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

Am 31.12.2015 ereignete sich gegen 18.45 Uhr in C. auf der I. Straße in Höhe der Feuerwache Nord/Einmündung S. ein Verkehrsunfall, an dem die Zeugin I. mit dem PKW VW Lupo des Klägers, amtliches Kennzeichen xx, und die Fahrerin des Feuerwehrfahrzeugs der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen xx, die Zeugin T., beteiligt waren.

Die Zeugin I. befuhr die linke von zwei Geradeausspuren der I. Straße stadtauswärts (in Richtung I.). Die für sie maßgebliche Lichtzeichenanlage im Bereich der Einmündung S. zeigte Grünlicht.

Die Zeugin T. hatte kurz vor dem Unfall das Gebäude der Feuerwache verlassen und startete eine Einsatzfahrt wegen eines gemeldeten Wohnungsbrandes mit akuter Gefährdung der Bewohner. Ihr folgten zwei weitere Feuerwehrfahrzeuge. Diese beabsichtigten sämtlichst, die I. Straße zu überqueren und in die Straße "S." einzufahren. Im Bereich der stadtauswärtsführenden Fahrbahn der I. Straße kam es dann zu einer Kollision der beiden genannten Fahrzeuge derart, dass die Zeugin I. mit der Front des von ihr geführten Fahrzeugs gegen die rechte vorderen Ecke des Feuerwehrfahrzeugs fuhr. Die Zeugin I. hatte das von ihr geführte Fahrzeug trotz des unstreitig wahrnehmbaren Blaulichts vor Einfahren in den Kreuzungsbereich nicht abgebremst.

Der Kläger macht dadurch entstandenen Sachschaden geltend, der der Höhe nach weitgehend unstreitig ist. Einzige Ausnahme ist die Höhe der Kostenpauschale. Der Kläger verlangt diesbezüglich 30,00 €, wodurch sich die Klageforderung ergibt.

Darüber hinaus verlangt er Erstattung der Kosten seines Prozessbevollmächtigten für die außergerichtliche Tätigkeit.

Der Kläger behauptet, an dem von der Zeugin T. geführten Feuerwehrfahrzeug sei weder das Abblendlicht noch das Martinshorn zum Unfallzeitpunkt eingeschaltet gewesen. Da die grundsätzlich mögliche Ampelsonderschaltung nicht genutzt wurde, sei man davon ausgegangen, dass das Blaulicht von Fahrzeugen herrühre, die entweder an einer Unfallstelle stehen oder die I. Straße stadteinwärts befahren würden.

Zum Kollisionszeitpunkt habe sich auf der Linksabbiegerspur in Fahrtrichtung stadtauswärts kein Fahrzeug befunden. Schriftsätzlich hat der Kläger behauptet, zum Kollisionszeitpunkt hätten sich im Kreuzungsbreich überhaupt keine weiteren Fahrzeuge befunden; bei seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO hat er angegeben, dass auf der rechten Geradeausspur zumindest zwei bis drei Fahrzeuge angehalten hätten.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.858,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Inanspruchnahme auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 492,54 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, an allen drei Einsatzfahrzeugen seien nicht nur das Blaulicht sondern auch das normale Abblendlicht und das Martinshorn eingeschaltet gewesen. Die drei Feuerwehrfahrzeuge hätten nach Verlassen der Halle der Feuerwache zunächst ein kurzes Stück der I. Straße in Richtung stadteinwärts befahren müssen, um dann nach links Richtung S. abzubiegen. Zu diesem Zweck hätte sich die Zeugin T. als Führerin des ersten Fahrzeugs des Zuges langsam in die Kreuzung hinein getastet. Nach Erkennen des mit hoher Geschwindigkeit herankommenden Fahrzeugs des Klägers sei das Fahrzeug sofort zum Stehen gebracht worden. Das klägerische Fahrzeug sei dann ungebremst in das stehende Feuerwehrfahrzeug gefahren.

Mehrere andere Fahrzeuge, die sich sowohl auf der rechten Geradeausspur als auch auf der Linksabbiegerspur in Fahrtrichtung stadtauswärts befunden hätten, hätten bereits mehrere Sekunden trotz Grünlichts gestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klage wurde am 19.07.2016 zugestellt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen I., T., U. und Q. sowie der Zeugen E. und N.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 31.01.2017 (Blatt 51 - 60 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist aus §§ 7, 9, 17 STVG, 254, 823, 839 BGB, 34 GG, 9 Abs. 3, 35 Abs. 8 STVO in dem zuerkannten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Das Gericht ist, wie noch auszuführen sein wird, zwar nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass an dem von der Zeugin T. geführten Feuerwehrfahrzeug nicht nur das Blaulicht, sondern auch das Martinshorn eingeschaltet war, so dass die Zeugin I. gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 STVO grundsätzlich verpflichtet war, sofort freie Bahn zu schaffen bzw. im konkreten Fall nicht in den Kreuzungsbereich einzufahren.

Diese Verpflichtung ändert aber nichts daran, dass die Zeugin T., deren Verschulden sich die Beklagte zurechnen lassen muss, grundsätzlich an die Verkehrsregeln gebunden blieb, nach denen § 9 Abs. 3 STVO, sie grundsätzlich verpflichtet war, die Zeugin I. durchfahren zu lassen. Ihr Sonderrecht durfte die Zeugin T. nur unter größtmöglicher Sorgfalt wahrnehmen; über den Vorrang der Zeugin I. hätte sie sich nur hinwegsetzen dürfen, wenn sie gesehen hätte, dass diese ihr den Vorrang einräumt (vgl. Hentschel - König, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 35 STVO, Rn 8 und § 38 STVO, Rn 10). Dieser Verpflichtung ist die Zeugin T. nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Nach ihrer eigenen Aussage konnte sie die von der Zeugin I. genutzte Fahrspur über eine weite Strecke einsehen. Sie hat auch nicht behauptet, die Zeugin I. habe zunächst die rechte Fahrspur benutzt und sei sodann wegen der dort stehenden Fahrzeuge auf die linke Fahrspur gewechselt - ein solches Szenario war nach Angaben der Zeugin T. für sie nur ein erster Verdacht. Dass das von der Zeugin I. geführte Fahrzeug gut erkennbar war, wird im Übrigen auch durch die Zeugin U. bestätigt, die das Unfallgeschehen vor den Toren der Feuerwache stehend beobachtet hat und angegeben hat, sich gewundert zu haben, warum dieses von der Zeugin I. geführte Fahrzeug denn nicht langsamer wurde. Die Zeugin T. hat im Übrigen selbst bekundet, erst durch ihren Wachführer, der auf dem Beifahrersitz gesessen habe, darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, "dass da noch einer kommt".

Aus alledem muss geschlussfolgert werden, dass die Zeugin T. nicht die größtmögliche Sorgfalt aufgewendet hat. Es erscheint demnach auch zweifelhaft, ob sie sich tatsächlich in den Kreuzungsbereich hinein getastet hat. Dies hat sie zwar bekundet, ebenso die Zeugin U.; die Zeugin Q., die sich nach eigenen Angaben in einem PKW befunden hat, der auf der rechten stadtauswärts führenden Fahrspur der I. Straße stand, hat jedoch bekundet, als Hineintasten sei die Fahrweise des Feuerwehrfahrzeugs nicht zu bezeichnen gewesen. Hätte die Zeugin T. dies tatsächlich getan, hätte sie das herannahende Fahrzeug des Klägers rechtzeitig erkennen und anhalten müssen.

Auch der Zeugin I. ist jedoch vorzuwerfen, schuldhaft zum Zustandekommen des Verkehrsunfalls beigetragen zu haben.

Wie bereits kurz dargelegt, ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass an dem Feuerwehrfahrzeug der Zeugin T. nicht nur das Blaulicht, sondern auch das Martinshorn eingeschaltet war. Dies hat nicht nur die Zeugin T. als Zeugin bekundet, sondern auch die in dem von ihr geführten Feuerwehrfahrzeug befindlichen Zeugen E. und N. - die das Unfallgeschehen im Übrigen nicht beobachtet haben. Auch die Zeugin U. hat bekundet, das Martinshorn sei eingeschaltet gewesen. Sie hat das im Übrigen in sehr plausibler Weise begründet, indem sie nämlich ausgesagt hat, nicht sicher sagen zu können, ob an allen drei Fahrzeugen das Martinshorn eingeschaltet gewesen sei, weil es bereits dann außerordentlich laut sei, wenn nur eines von drei Martinshörnern eingeschaltet sei, und es sei außerordentlich laut gewesen. Alle bislang genannten Zeugen haben auch bekundet, das Martinshorn sei sogleich beim Verlassen der Feuerwache eingeschaltet worden, nicht erst später, etwa kurz vor dem Unfall.

Es verwundert zwar, dass die Zeugin Q. an ein so markantes Geräusch keine Erinnerung hat. Sie hat jedoch deutlich gemacht, dass dies nicht so zu verstehen sei, dass sie etwa der Auffassung sei, es sei nicht eingeschaltet gewesen. Sie könne es schlicht nicht sagen - was ausweislich der schriftlichen Aussage ihres Ehemannes im Ermittlungsverfahren auch in dessen Person bereits kurz nach dem Unfallgeschehen so war. Auch der Umstand, dass der Kläger behauptet, das Martinshorn erst im Moment des Aufpralls gehört zu haben und seine Frau, die Zeugin I., bekundet hat, es erst kurz vor Erreichen der Kreuzung gehört zu haben, lässt das Gericht nicht daran zweifeln, dass das Martinshorn bereits länger eingeschaltet war. Im Übrigen war die Angabe der Zeugin I. nicht sonderlich glaubhaft. Es erscheint wenig nachvollziehbar, dass sie nicht einmal ansatzweise eingrenzen konnte, in welcher Entfernung von der Kreuzung sie das Martinshorn gehört haben will, nicht einmal bei der Frage, ob dies nur etwa eine Autolänge oder 50 m waren. Hier entstand eher der Eindruck, dass die Zeugin I. sich auf eine Unkenntnis zurückziehen wollte, die tatsächlich gar nicht vorhanden war - ähnlich wie bei der Frage, ob auf der rechten Geradeausspur sich Fahrzeuge befanden. Zunächst hatte die Zeugin diesbezüglich nämlich bekundet, dass dort sicherlich Fahrzeuge gewesen seien, die sie lediglich nicht wahrgenommen habe, während sie später ausgesagt hat, dazu gar nichts sagen zu können.

Aufgrund des eingeschalteten Blaulichts nebst Martinshorn war die Zeugin I. somit gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 STVO verpflichtet, sofort freie Bahn zu schaffen bzw. konkret nicht in den Kreuzungsbereich einzufahren. Diese Verpflichtung hat sie missachtet, was nur mit grober Nachlässigkeit erklärbar ist. Auch wenn nicht mit letzter Sicherheit feststeht, dass sich auf der stadtauswärts führenden Linksabbiegerspur tatsächlich ein wartendes Fahrzeug befand, so steht doch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass zumindest auf der rechten Geradeausspur das Fahrzeug der Familie Q. stand. Selbst der Kläger hat eingeräumt, dass dort sogar mehrere Fahrzeuge trotz Grünlichts der Lichtzeichenanlage standen. Die Zeugin I. hätte diesen Umstand, das Blaulicht, welches sie nach eigenen Angaben bereits lange Zeit vor Erreichen des Kreuzungsbereichs wahrgenommen hat und des Martinshorns, welches sie ebenfalls hätte wahrnehmen müssen, zum Anlass nehmen müssen, das von ihr geführte Fahrzeug soweit abzubremsen, dass sie dieses vor Einfahrt in den Kreuzungsbereich hätte anhalten können, nachdem sie sich über die genaue Situation vergewissert hat. Selbst der Kläger hat bei seiner Anhörung eingeräumt, gedacht zu haben, seine Ehefrau hätte lieber bremsen sollen. Es ist auch keinesfalls allgemein bekannt, dass an der Unfallstelle die Möglichkeit besteht, durch eine Ampelsonderschaltung alle Ampeln auf Rot zu schalten, wenn Feuerwehrfahrzeuge die I. Straße überqueren wollen. Selbst bei Kenntnis der Möglichkeit einer solchen Schaltung erscheint es nicht zwingend, dass diese jedes Mal betätigt wird. Angesichts des Blaulichts mehrerer Feuerwehrfahrzeuge, des eingeschalteten Martinshorns und der auf der rechten Fahrspur anhaltenden Fahrzeuge musste die Zeugin I. in jedem Fall damit rechnen, dass die Feuerwehrfahrzeuge die I. Straße überqueren würden. Sie war deshalb gehalten, so vorsichtig an den Kreuzungsbereich heranzufahren, dass sie dort hätte anhalten können.

Die Nichtbeachtung dieser Pflicht kann, wie bereits dargelegt, nur mit grober Nachlässigkeit erklärt werden, so dass der Schuldvorwurf gegenüber der Zeugin I. vorliegend sehr schwer wiegt.

Das Gericht bewertet dieses Verschulden der Zeugin I. daher doppelt so hoch wie das der Zeugin T..

Dies führt dazu, dass die Beklagte dem Kläger dem Grunde nach nur zu 1/3 auf Schadenersatz haftet.

Die unfallbedingte Schadenshöhe ist weitestgehend unstreitig. Die zu erstattenden Unkostenpauschale beträgt nach ständiger Rechtsprechung der Kammer lediglich 25,00 €, so dass der gesamte unfallbedingte Schaden des Klägers auf 4.853,10 € zu beziffern ist.

1/3 hiervon ergeben die zuerkannten 1.617,70 €.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den eingangs genannten Vorschriften. Grundlage dieses Anspruchs ist jedoch nur die Schadensersatzforderung in begründeter Höhe. Dies ergibt eine Erstattungspflicht in Höhe von 255,85 €.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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Lukas Jozefaciuk