OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.03.2019 - 1 U 84/18
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Düsseldorf vom 15. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt materiellen Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 07.06.2016 gegen 8:40 Uhr im Bereich der Kreuzung A-Straße / B-Straße in Stadt 1 ereignete und bei dem der Fahrer des von der Beklagten zu 1. gehaltenen und bei der Beklagten zu 2. versicherten Pkws auf das Heck des klägerischen Taxis der Marke ... auffuhr.
Das Taxi der Klägerin hatte bereits zuvor am 17.02.2015 einen Heckschaden erlitten. Für diesen hatte der Sachverständige D am 19.02.2015 ein Schadensgutachten erstellt, welches die Nettoreparaturkosten auf 6.916,08 € sowie eine verbleibende Wertminderung auf 950,00 € schätzte. Bzgl. des streitgegenständlichen Schadens führte der wiederum beauftragte Sachverständige D in seinem Gutachten vom 09.06.2016 aus:
"Das Fahrzeug erlitt im Februar 2015 einen Heckschaden. Stoßfänger und Heckklappe wurden fachmännisch repariert. Eine kleine Delle im Abschlussquerträger sowie die Spaltmaßveränderungen zwischen Seitenwand und Türen wurden nicht repariert. Der Stoßfängerträger wurde nicht ausgetauscht. Entsprechende Abzüge für Wertverbesserung am Träger und Abschlussquerträger wurden vorgenommen."
Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin hat behauptet, unter Zugrundelegung des zutreffenden Gutachtens seien bei ihr geschätzte Reparaturkosten in Höhe von 4.817,76 €, Kosten für das Gutachten in Höhe von 673,11 € und eine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € angefallen. Sie habe - wie auch die Reparaturrechnung für den Vorschaden vom 05.03.2015 (Anlage K 7) zeige - diesen im Umfang wie im aktuellen Gutachten des Sachverständigen D ausgewiesen reparieren lassen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.515,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.06.2016 zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 571,44 € freizustellen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, die nunmehr geltend gemachten Schäden seien im Hinblick auf den Vorschaden in vollem Umfang nicht ersatzfähig.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von E über die fachgerechte Reparatur der Vorschäden am Klägerfahrzeug. Dann hat es die Klage im Hinblick auf die geltend gemachten fiktiven Reparaturkosten abgewiesen und ihr im Hinblick auf die Sachverständigenkosten und die Kostenpauschale stattgegeben. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass die von ihr geltend gemachten Schäden unfallbedingt und von den Vorschäden abzugrenzen seien. Das Gutachten des Sachverständigenbüros E & F habe nachvollziehbar aufgezeigt, dass lediglich der Heckstoßfänger nach dem Vorunfall aus dem Jahre 2015 repariert worden sei. Die Kosten hierfür seien aber nicht zu schätzen, weil insoweit weder durch die pauschale Reparaturrechnung vom Vorschaden noch durch sonstigen Vortrag der Klägerin ein Teilschaden berechenbar sei. Hingegen seien die Kosten für das Sachverständigengutachten D ersatzfähig, weil sich aus dem Gutachten ergebe, dass dem Schadenssachverständigen der Vorunfall bekannt gewesen sei. Zudem stehe der Klägerin eine Kostenpauschale zu.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung und verfolgen ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter. Auch wenn die Klägerin den Schadenssachverständigen D über den Vorschaden aufgeklärt haben sollte, so habe sie ihn jedenfalls nicht darüber informiert, dass dieser Schaden nicht fach- und sachgerecht behoben worden sei. Dies zeige auch die Reparaturrechnung für den Vorunfall. Diese sei so rudimentär, dass von einer ordnungsgemäßen Schadensbehebung nicht auszugehen sei. Zudem wären die Sachverständigenkosten bereits mangels eines ersatzfähigen Schadens nicht ersatzfähig. Gleiches gelte für die Auslagenpauschale.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Klägerin steht entsprechend der Ausführungen des Landgerichts ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Schadensgutachten in Höhe von 673,11 €, auf Ersatz der Kostenpauschale nebst Zinsen sowie ein Anspruch auf Freistellung von den entsprechenden außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu, §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. VVG.
1.
Im Hinblick auf die geltend gemachten Sachverständigenkosten ist der Klägerin keine fehlende Aufklärung des von ihr beauftragten Schadenssachverständigen D über den sich mit dem streitgegenständlichen Schaden überlagernden Vorschaden vorzuwerfen, die an der Erforderlichkeit der durch die Beauftragung verursachten Kosten im Sinne des § 249 BGB Zweifel begründen oder wegen einer Obliegenheitsverletzung nach § 254 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB zur Aberkennung des geltend gemachten Anspruchs führen müsste.
a.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist, dass der Geschädigte grundsätzlich berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Die Beauftragung stellt in der Regel eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar. Die durch die Begutachtung verursachten Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, ebenso zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH Urteil vom 07.02.2012 - VI ZR 133/11, juris Rdn. 13). Unter beiden Gesichtspunkten sind diese Kosten grundsätzlich in vollem Umfang erstattungsfähig.
b.
Erweist sich das Gutachten nachträglich als ungeeignet, beeinträchtigt dies den Erstattungsanspruch des Geschädigten nur, wenn er die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten hat (Senat, Urteil vom 15.01.2013 - I-1 U 153/11, juris Rdn. 18; stdge. Rspr.). Letzteres kommt insbesondere in Betracht, wenn der Geschädigte einen erkennbar ungeeigneten Sachverständigen mit der Begutachtung betraut (Auswahlverschulden; vgl. etwa KG Berlin, Urteil vom 01.03.2004 - 12 U 96/03, juris Rdn. 5) oder wenn der Geschädigte gegenüber dem von ihm beauftragten Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt (OLG Celle, Urteil vom 13.07.2016 - 14 U 64/16, juris Rdn 9; Senat, a.a.O. juris Rdn. 18; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, juris-PK Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB Rdn. 224 m.w.Nw.).
c.
Grundsätzlich hat der Geschädigte die Obliegenheit, den Schadensgutachter von sich aus über alle Schäden aufzuklären, die nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Allein offenbare Gebrauchsspuren und Schäden, von denen er erwarten kann, dass der Gutachter diese aufgrund seiner Unfallbeschreibung ohnedies nicht ins Kalkül ziehen wird, können unerwähnt bleiben. Diese Obliegenheit betrifft zudem grundsätzlich nicht nur unreparierte, sondern auch reparierte Vorschäden (KG Berlin, Urteil vom 01.03.2004 - 12 U 96/03, juris Rdn. 5), weil diese regelmäßig für die Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes von Bedeutung sind.
d.
Hat allerdings derselbe Schadensgutachter bereits den Vorschaden begutachtet, so bedarf es einer solchen Aufklärung grundsätzlich nicht. Der Geschädigte kann dann nämlich darauf vertrauen, dass der Gutachter von sich aus den Altschaden beachten und bei seiner Kalkulation berücksichtigen wird. Und er darf davon ausgehen, dass der Gutachter, soweit er selbst bei der Untersuchung des Fahrzeugs die Schäden nicht abgrenzen und auch den Umfang durchgeführter Reparaturmaßnahmen nicht sicher ermitteln kann, von sich aus tätig werden und sich durch Rückfragen Gewissheit verschaffen wird. Denn dies gehört zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Werkauftrages, dessen Inhalt es ist, eben nur den unfallbedingten Schaden zu ermitteln.
e.
So aber liegt der Fall hier. Der Sachverständige D hatte bereits den Heckschaden vom 17.02.2015 begutachtet. Dies war ihm ausweislich des hier relevanten Schadensgutachtens auch bewusst. Ausweislich des Gutachtens hat der Sachverständige sich auch mit dem Umfang der Reparaturen auseinander gesetzt und deren Mängel offen gelegt. Insoweit ergab sich weder aus Sicht des Sachverständigen noch aus der des Geschädigten ein weiterer Aufklärungsbedarf. Die Tatsache, dass der vom Gericht eingesetzte Sachverständige einen weiteren unreparierten Schaden festgestellt hat, mag einen Mangel des Gutachtens D begründen; - Ganz sicher ist sich der Senat insoweit nicht, weil die Lichtbilder, auf die der Sachverständige E sein Urteil stützt, nach Auffassung des Senates nicht eindeutig sind, sondern durchaus den Schluss zulassen, dass der Unfall an der gleichen Stelle eine neue Delle verursacht hat. - jedenfalls ist diese Fehlleistung des Schadensgutachters D dem Kläger nicht zurechenbar. Daher gibt es keinen Grund, dem Kläger die der Höhe nach nicht angegriffenen Gutachterkosten zu versagen.
f.
Schließlich ist die Auffassung der Beklagten, die Sachverständigenkosten seien bereits mangels eines ersatzfähigen Schadens nicht ersatzfähig, zurückzuweisen. Dabei kommt es noch nicht einmal entscheidend darauf an, dass angesichts der vom Landgericht nicht zutreffend formulierten Beweisfrage der Klägerin aller Wahrscheinlichkeit nach doch ein bezifferbarer Mindestschaden zugestanden hätte. Jedenfalls hätte der Sachverständige E bei entsprechender Beauftragung durch das Landgericht zugleich mit der Feststellung der noch vorhandenen Vorschäden einen Mindestschaden aufgrund des streitgegenständlichen Unfalls vom 07.06.2016 berechnen bzw. sachverständig schätzen können. Aber auch wenn dies im Einzelfall nicht möglich sein sollte, können die Sachverständigenkosten eine abrechenbare Schadensposition sein. Ausgangspunkt ist die vom Schädiger unstreitig begangene Substanzverletzung eines Kfz. Der Geschädigte kann sodann regelmäßig nur mit Hilfe eines Sachverständigen ermitteln, ob und in welcher Höhe ihm Schadenersatz zusteht. Zeigt das Ergebnis, dass etwa wegen eines erheblichen Vorschadens kein zusätzlich berechenbarer Schadensumfang eingetreten ist und daher kein ersatzfähiger Schaden des Geschädigten verbleibt, sind die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens dennoch regelmäßig ersatzfähige Kosten zur Schadensfeststellung. Dies ist nur abzulehnen, wenn von vornherein für den Geschädigten ersichtlich war, dass keine Schadenserhöhung eingetreten ist oder die Bagatellgrenze im Bereich von ca. 700,00 - 800,00 € nicht erreicht wird (vgl. zu letzterem Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht/Almeroth, 2017, § 249 BGB Rdnr. 314 ff.). Das aber war hier nicht der Fall.
2.
Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Ersatz der Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € zu. Die in ständiger Rechtsprechung bei der Abwicklung von Verkehrsunfallschäden zuerkannte Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € (so jedenfalls die vom Senat zuerkannte Höhe, vgl. nur, Urteil vom 19.06.2018 - I-1 U 164/17, juris Rn. 29; Urteil vom 13. 10.2015 - I-1 U 179/14, juris Rn. 24) verfolgt den Zweck, dem Geschädigten die bei der Abwicklung des Hauptschadens regelmäßig entstehenden Nebenkosten zu ersetzen (vgl. BHHJ/Jahnke, 25. Aufl. 2018, BGB § 249 Rn. 249-269). Damit kann der Kläger auch den Ersatz der Pauschale verlangen, wenn es an einem Hauptschaden fehlen sollte, weil der Geschädigte den neu entstandenen Schaden nicht erfolgreich von einem Vorschaden abgrenzen kann.
3.
Im Ergebnis verbleibt es daher auch bei dem vom Landgericht zuerkannten Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den Anwaltskosten sowie den Zinsen auf die Hauptforderung.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug: 698,11 €.