OLG Hamm, Beschluss vom 28.03.2018 - 9 U 166/17
Dem Geschädigten obliegen die Darlegung und der nach § 286 ZPO zu führende Beweis, dass der von ihm behauptete Unfall mit dem gegnerischen Fahrzeug an der von ihm behaupteten Stelle und zum angegebenen Zeitpunkt tatsächlich stattgefunden hat und hierdurch der behauptete Fahrzeugschaden verursacht worden ist. Steht dies nicht fest, kann andererseits aber auch nicht ausgeschlossen werden, das die beiden Fahrzeuge an anderer Stelle unter nicht dargelegten Umständen kollidiert sind, vermag dies dem Geschädigten nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Gründe
Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, von dem (jedenfalls im Ergebnis) abzurücken kein Anlass besteht.
Die Berufungsbegründung gibt lediglich zu den nachstehenden Ausführungen Anlass.
Der Klägerin obliegen die Darlegung und der nach § 286 ZPO zu führende Beweis, dass der von ihr behauptete Unfall mit dem gegnerischen Fahrzeug an der von ihr behaupteten Stelle und zum angegebenen Zeitpunkt tatsächlich stattgefunden hat und hierdurch der behauptete Fahrzeugschaden verursacht worden ist. Steht dies nicht fest, kann andererseits aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die beiden Fahrzeuge an anderer Stelle unter nicht dargelegten Umständen kollidiert sind, vermag dies der Klägerin nicht zum Erfolg zu verhelfen (vgl. Laws/Lohmeyer/Vinke in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG, Rn. 223ff). War der Geschädigte beim Unfall nicht zugegen, ist er auf die Angaben des Schädigers angewiesen, so dass in diesen Fällen ein großzügiger Maßstab hinsichtlich der Substantiierung der darzulegenden Tatsachen gerechtfertigt ist. Reichen die insgesamt gewonnenen Indizien für den nach § 286 ZPO zu führenden Nachweis einer objektiven Rechtsgutsverletzung nicht aus, bleibt nur noch die Einholung eines verkehrsananlytischen Gutachtens.
Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht ausgegangen. Der von ihm in Auswertung des Akteninhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch Zeugen- und Sachverständigenbeweis der Sache nach gezogene Schluss, der Klägerin sei der Beweis eines Verkehrsunfallgeschehens an der behaupteten Stelle zur behaupteten Zeit mit den behaupteten Schäden nicht gelungen, ist aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden.
Zwar hat der Vater der Klägerin, der tatsächliche Eigentümer des BMW X 5 und somit der möglicherweise Geschädigte, nach seinen zeugenschaftlichen Angaben zuvor das Fahrzeug an der XXstraße abgestellt. Auch ist belegt, dass auf Veranlassung des ehemaligen Beklagten zu 1) der Zeuge PKH A um 16:22 h den angeblichen Unfallort aufgesucht und dort - wie in seiner Unfallskizze dargestellt und im Rahmen seiner Zeugenaussage näher konkretisiert - den vorne rechts beschädigten Citroen und den rechtsseitig beschädigten BMW vorgefunden hat. Schließlich hat der Sachverständige B ausgeführt, dass die dokumentierten Schäden am BMW durch einen streifenden Seitenkontakt des Citroen entstanden sein können, wobei eine zweifelsfreie Zuordnung nur anhand aussagekräftigen Lichtbildmaterials des beschädigten Citroen hätte getroffen werden können.
Andererseits hat das Landgericht mit überzeugenden Gründen durchgreifende Zweifel aufgezeigt, wonach sich der behauptete Unfall an diesem Tag an dieser Stelle nicht ereignet haben kann, und daher der Nachweis einer objektiven Rechtsgutsverletzung durch das behauptete Unfallgeschehen durch die Klägerin als nicht geführt angesehen werden kann.
Da ist zunächst die Unfallschilderung des ehemaligen Beklagten zu 1), die sich in der Bemerkung erschöpft, er habe nicht aufgepasst. Dabei ist die Straße als Einbahnstraße ausgebaut und schnurgerade. Was den Schädiger abgelenkt haben soll, wird nicht im Ansatz erklärt. Die Unfallspuren am BMW lassen kein Bremsen und kein Weglenken des Citroen erkennen. Gegen einen Aufmerksamkeitsmangel in diesem Zusammenhang spricht ganz entscheidend, dass der Citroen sich mit maximal 6 km/h bewegt hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte der Citroen unmittelbar neben dem BMW zum Stehen kommen müssen. Tatsächlich aber stand der Citroen ca. 1,5 m vor und mit seitlichem Abstand neben dem BMW. Diese nicht plausible Endstellung und die geringe Kollisionsgeschwindigkeit, die für die Verhältnisse im laufenden Verkehr völlig untypisch ist, waren für das Landgericht bei der Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO von überragender Bedeutung.
Das Landgericht hat weiterhin in seine sorgfältig begründete Überzeugungsbildung einfließen lassen, dass der Schädiger mit dem Citroen in den Wochen davor zwei weitere Unfälle mit eindeutiger Haftungslage verursacht hat. Dabei hat er zum einen am 12.09.2015 auf der Autobahn einen Fahrstreifenwechsel vorgenommen und ein links neben ihm fahrendes Fahrzeug angeblich übersehen. Am 18.09.2015 hat er während der Fahrt ein anderes in I geparktes Fahrzeug BMW beschädigt, weil er sich durch ein Insekt im Fahrzeuginneren abgelenkt gefühlt habe. Bemerkenswerterweise war Eigentümer dieses BMW ebenfalls der Vater der Klägerin. Für den unfallbeteiligten Citroen ist vom Versicherungsnehmer nicht einmal die Erstprämie gezahlt worden.
Schadensersatzansprüche der Klägerin sind auch deshalb nicht gegeben, weil der Senat nicht nur den Verdacht sondern die erforderliche Überzeugung nach § 286 ZPO hat, dass der Unfall das Ergebnis einer Absprache des Klägers mit dem Schädiger C ist. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Ungereimtheiten im Wesentlichen aus dem Verhalten des Schädigers erwachsen. Dessen Verhalten muss sich der Geschädigte grundsätzlich nicht zurechnen lassen oder widerlegen. Die Unglaubhaftigkeit der Angaben des Schädigers gereichen dem Geschädigten daher nicht automatisch zum Nachteil. Das sagt zunächst nur etwas über die Werthaltigkeit dieser Angaben aus. Sind die Angaben des Schädigers so konstruiert und mit objektiven Anhaltspunkten nicht in Einklang zu bringen, und kommt das Gericht mit der erforderlichen Gewissheit zu der Überzeugung, dass diese als unwahr nachgewiesenen Angaben nur den einen Zweck, das Herbeiführen eines allein den Interessen des Geschädigten dienenden manipulierten Unfalls, verfolgen, ist es gerechtfertigt, auch das Verhalten des Schädigers bei der vorzunehmenden Abwägung aller Indizien des Einzelfalls mit einzustellen (vgl. OLG Hamm v. 24.06.2016 9 U 70/16 - juris ). So liegt der Fall hier.
Nur der Vollständigkeit halber sei auf die weiteren Umstände hingewiesen, die nicht ausschließlich aber häufig konzentriert in Fällen der Unfallmanipulation den Einzelfall kennzeichnen. Auch hier ist ein hochwertiges Fahrzeug mit hoher Laufleistung bei eindeutiger Haftungslage mittels eines abgewirtschafteten Transporter durch einen lukrativen Seitenschaden beschädigt worden. Das Fahrzeug war kurz vor dem Unfall erworben und alsbald danach wieder veräußert worden, so dass der Frage von eventuellen Vorschäden nicht mehr nachgegangen werden konnte. Der Sachschaden wird fiktiv abgerechnet.
Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senates auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).