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OLG Hamm, Urteil vom 06.10.2017 - 11 U 138/16

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.10.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.

Dem Kläger steht aufgrund des Verkehrsunfalls vom ...03.2015 um 12.27 Uhr auf der Kreuzung P-Straße/E Straße in C, bei dem sein Pkw BMW Kombi 530d mit einem Militärfahrzeug der britischen Streitkräfte kollidiert war, kein Schadensersatzanspruch gegen die in Prozessstandschaft für das W handelnde Beklagte gemäß §§ 7 StVG, 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. VIII Abs. 5 NTS i. V. m. Art. 41 Abs. 1 ZA-NTS zu.

1.

Die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs richtet sich nach den Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts (NTS) vom 19. Juni 1951 (BGBl. 1961 II 1190), dem Zusatzabkommen hierzu (ZA-NTS) vom 03. August 1959 (BGBl. 1961 II 1218) und dem Gesetz zu diesen Vereinbarungen (NTS-AG) vom 18. August 1961 (BGBl. 1961 II 1183). Nach Art. VIII Abs. 5 lit. a NTS i. V. m. Art. 41 Abs. 1 ZA-NTS sind Ansprüche, die sich daraus ergeben, dass durch Handlungen oder Unterlassungen von Mitgliedern einer Truppe in Ausübung des Dienstes in der Bundesrepublik ein Schaden zugefügt worden ist, nach denjenigen deutschen Gesetzen zu beurteilen, die insoweit für die Bundeswehr gelten. Da von einer dienstlichen Fahrt des Militärfahrzeugs auszugehen ist, ist das Amtshaftungsrecht anwendbar, zu welchem die Halterhaftung aus § 7 StVG hinzutritt (vgl. BGH, NZV 1991, S. 475; Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 16 StVG Rdnr. 22).

2.

Indes kann die Frage, ob und in welchem Umfang eine Verantwortlichkeit der Beklagten für den dem Kläger entstandenen Schaden besteht, dahinstehen. Denn der Kläger hat seine Ansprüche nicht innerhalb der 3-Monats-Frist gemäß Art. 6 Abs. 1 NTS-AG bei der Beklagten geltend gemacht, weshalb er mit seinen Ansprüchen ausgeschlossen ist.

a) Die Voraussetzungen des Anspruchsausschlusses liegen vor. Der Schaden und die Beteiligung des britischen Militärfahrzeugs waren dem Kläger bereits am Unfalltage, dem 05.03.2015, bekannt. Der Kläger hätte deshalb seine Ansprüche bis zum 05.06.2015 anmelden müssen. Die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der zuständigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben - Schadensregulierungsstelle des Bundes - erfolgte jedoch erstmalig durch Schreiben und Antrag vom 03.09.2015.

b) Der Kläger kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist gemäß Art. 6 Abs. 3 NTS-AG i. V. m. § 233 ZPO beanspruchen.

b.1) Zwar hat er einen entsprechenden Antrag am 03.09.2015 gestellt. Der Senat neigt zudem dazu, den Kläger als schuldlos hinsichtlich der Versäumung der Frist anzusehen. Allerdings folgt seine Schuldlosigkeit nicht bereits aus dem Umstand, dass das gebotene Vorgehen bei der Abwicklung von Truppenschäden und die insofern geltenden Vorschriften dem juristisch nicht vorgebildeten Bürger im Allgemeinen unbekannt sind und die gesetzliche Regelung zudem sehr unübersichtlich ist. Gleichwohl obliegt es einem Betroffenen, im Falle eines Schadens seine Erkundigungen soweit auszudehnen, dass eine rechtzeitige Geltendmachung seiner Ansprüche sichergestellt ist (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 1990, S. 533 m. w. N.).

Indes hat der Kläger seine Ansprüche unmittelbar nach dem Unfall gegenüber dem deutschen Büro H e.V. geltend gemacht, weil er aufgrund der Eintragungen der Polizei in der Unfallmitteilung davon ausging, dass mit der R Ltd. eine ausländische Versicherungsgesellschaft für die Regulierung des Unfallschadens zuständig ist und die Regulierung über das deutsche Büro H e.V. vermittelt wird. Auf sein Anspruchsschreiben hin hat das deutsche Büro H e.V. den Kläger nicht auf die fehlende Einstandspflicht der ausländischen Versicherung hingewiesen, sondern ihm mit Schreiben vom 24.03.2015 mitgeteilt, dass er sich wegen der Regulierung an die Firma B GmbH in I zu wenden habe, welche für die Regulierung zuständig sei. Diese Firma hat dem Kläger sodann unter dem 16.04.2015 mitgeteilt, dass sie mit der Schadensregulierung beauftragt sei, und vom Kläger das Ausfüllen eines Fragebogens und weitere Unterlagen eingefordert. Unter diesen Umständen würde es eine Überspannung an die Erkundigungs- und Sorgfaltspflichten eines rechtsunkundigen Bürgers bedeuten, wenn man von dem Kläger verlangen würde, dass er die Auskünfte der Polizei, des deutschen Büros H e.V. und der Firma B GmbH, aufgrund derer er jeweils annehmen durfte, den zuständigen Versicherer in Anspruch zu nehmen, ohne jeden Hinweis auf deren Unrichtigkeit dessen zu überprüfen und insoweit Rechtsrat einzuholen hatte. Auch wenn es nicht Aufgabe der Polizei oder der übrigen Beteiligten ist, dem Kläger eine Rechtsauskunft zu erteilen, um ihm die Wahrung seiner privatrechtlichen Ansprüche zu sichern, so genießen alle Beteiligten gleichwohl aufgrund ihrer regelmäßigen Befassung mit Unfallschäden und deren Regulierung ein hohes und im Regelfall auch berechtigtes Vertrauen hinsichtlich der Richtigkeit derartiger Auskünfte. Das Anlegen eines nicht zu strengen Maßstabes erscheint darüber hinaus auch deshalb geboten, weil eine 3-monatige Ausschlussfrist sonst bei Verkehrsunfällen oder anderen Schadensereignissen nicht gilt und diese Frist keinen Eingang in das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung gefunden hat. Ohnehin kann man daran zweifeln, ob der Sinn und Zweck der kurzen Ausschlussfrist, eine schnelle Regulierung zu ermöglichen, weil Soldaten ausländischer Streitkräfte aus Deutschland abgezogen werden können und dies die Ermittlung eines Unfallherganges erschweren kann, in der heutigen Zeit, in der regelmäßig das Auffinden und Befragen in ihr Heimatland zurückgekehrter und auch aus der Armee ausgeschiedener Soldaten nicht mit nennenswerten Schwierigkeiten verbunden sein wird, zeitgemäß und verhältnismäßig ist.

Ein Verschulden anderer Personen hatte der Kläger bis zum Ablauf der Antragsfrist ebenfalls nicht zu vertreten; insbesondere hatte er bis zum Ablauf der Frist seine jetzige Prozessbevollmächtigte noch nicht mit der Durchsetzung seiner Ansprüche beauftragt.

b.2) Jedoch hat der Kläger die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 u. 2 ZPO versäumt. Nach dieser Norm muss die Wiedereinsetzung innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden, die mit dem Tag beginnt, an dem das Hindernis behoben ist. Maßgeblich für den Fristbeginn ist, wenn das Hindernis tatsächlich entfallen ist oder hätte beseitigt werden müssen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 234 Rdnr. 5 b).

Dieser Zeitpunkt war im vorliegenden Fall nicht, wie der Kläger meint, der Eingang des Schreibens der Fa. B GmbH vom 25.08.2015. Vielmehr fiel das Hindernis bereits am 30.07.2015, spätestens aber am 03.08.2015 fort, als der Kläger seine jetzige Prozessbevollmächtigte unter Vorlage der maßgeblichen Unterlagen und insbesondere der Unfallmitteilung, aus denen sich die Beteiligung eines Militärfahrzeugs der britischen Streitkräfte ergab, mit der Verfolgung seiner Rechte aus dem Unfall beauftragte und diese am 03.08.2015 ihre Rechtsprüfung abschloss und ein Anschreiben an die Fa. B GmbH richtete.

Aufgrund des ihr erteilten Mandats war die Rechtsanwältin verpflichtet, den Sachverhalt anhand der vorgelegten Unterlagen zu erfassen und die Rechtslage zu prüfen. Im Rahmen dieser Pflicht hatte sie sich diejenigen Rechtsgrundlagen, höchstrichterliche Rechtsprechung und Literatur zu verschaffen, die Ziel und Gegenstand des Mandats betreffen und zur fehlerfreien Erledigung des Mandats erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere die wesentlichen deutschen Rechtsnormen (vgl. G. Fischer u.a.- Vill, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rdnr. 57), zu denen auch das Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzabkommen als deutsches Gesetz gehört.

Für die Beurteilung des Pflichtenkreises der Rechtsanwältin ist es dabei unerheblich, ob ihr der Kläger am 30.07.2015 lediglich ein beschränktes Mandat bezogen auf die Rechtsverfolgung gegenüber der Firma B GmbH und den hinter ihr stehenden Haftpflichtversicherer oder ein umfassendes Mandat betreffend die Geltendmachung sämtlicher Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis erteilt hatte. Zwar muss ein Rechtsanwalt bei einem beschränkten Mandat grundsätzlich die Interessen seines Auftraggebers außerhalb des Mandatsgegenstandes nicht wahrnehmen. Gleichwohl besteht nach Treu und Glauben, § 242 BGB, eine Nebenpflicht zur Warnung seines Auftraggebers vor Gefahren außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes, soweit diese dem Anwalt bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen musste, wenn er Grund zu der Annahme haben musste, dass sich sein Auftraggeber der Gefahr nicht bewusst ist (vgl. G. Fischer u.a., a.a.O., § 2 Rdnr. 19 ff. m. w. N.). So liegen die Dinge im vorliegenden Fall. Der Rechtsanwältin musste sich aufdrängen, dass die Inanspruchnahme eines privaten, in Form einer Limited organisierten Haftpflichtversicherers für einen Unfallschaden, der durch ein britisches Militärfahrzeug verursacht wurde, äußerst ungewöhnlich ist, und war daher im Rahmen des ihr erteilten Mandats zur Prüfung der Passivlegitimation des durch die Firma B GmbH vertretenen Haftpflichtversicherers verpflichtet. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte sie nicht nur erkennen müssen, dass diese nicht bestand, sondern dass die Ansprüche des Klägers gemäß Art. 8 NTS-AG gegen die Verteidigungslastenverwaltung zu richten waren und hierfür die Ausschlussfrist in Art. 6 Abs. 1 NTS-AG galt. Des Weiteren musste sie die Möglichkeit der Antragstellung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die hierfür geltende Zweiwochenfrist des § 234 ZPO erkennen. Diese Prüfung hätte jedenfalls am 03.08.2015 abgeschlossen sein müssen, als die Rechtsanwältin ihr Schreiben an die Firma B GmbH verfasste. Statt dessen wäre es geboten gewesen, den Kläger auf die fehlende Passivlegitimation des von ihm vor Mandatserteilung angegangenen Haftpflichtversicherers, die Einstandspflicht der Beklagten, die Fristversäumung und die Möglichkeit zur Beantragung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinzuweisen und seine Entschließung einzuholen.

Aufgrund ihrer Versäumnisse lief die Frist zur Beantragung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn nicht bereits zwei Wochen nach Erteilung des Mandats mit dem 13.08.2015, spätestens jedenfalls zwei Wochen nach Abschluss ihrer Rechtsprüfung und dem Anschreiben gegenüber der B GmbH mit dem 17.08.2015 ab.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht geboten, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.

Lukas Jozefaciuk