OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.11.2015 - 2 (6) SsBs 461/15; 2 (6) SsBs 461/15 - AK 144/15
1. Dem selbständigen Verfallsverfahren nach § 29a Abs. 4 OWiG gegen einen Dritten steht die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Fahrer wegen des Verdachts einer tateinheitlich zur vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit begangenen Straftat entgegen, wenn die Verwaltungsbehörde die Verfallsanordnung als Nebenfolge des Verfahrens gegen den Fahrer einstuft. 2. Das Verfahrenshindernis für die Verfallsanordnung im selbständigen Verfahren nach § 29a Abs. 4 OWiG besteht auch nach der endgültigen Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Auflagen gemäß § 153a StPO fort.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 15. Juni 2015 aufgehoben.
Das selbständige Verfallsverfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die der Verfallsbeteiligten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte am 3.6.2014 gegen die Verfallsbeteiligte - im angefochtenen Urteil als Betroffene bezeichnete - B. GmbH eine Verfallsanordnung erlassen und darin den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 2.400 EUR festgesetzt. Der Anordnung lagen im Wesentlichen folgende Feststellungen zu Grunde:
Bei einer am 4.3.2014 durchgeführten Kontrolle wurde festgestellt, dass der „Sattelzug“ (gemeint ist wohl das Sattelkraftfahrzeug) der Verfallsbeteiligten, der sich auf dem Weg von S. (Österreich) nach W. befand, eine Länge von 17,89 Metern statt der nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 StVZO zulässigen 16,50 Meter aufwies. Der Fahrer konnte keine Ausnahmegenehmigung nach §§ 29, 46 StVO vorlegen. Diese wurde erst am 5.3.2014 erteilt. Die Verfallsbeteiligte habe für den Transport eine Vergütung in Höhe von 2.400 Euro erhalten. Das eingeleitete Bußgeldverfahren wurde eingestellt, gegen den Täter (Fahrer) wurde eine Geldbuße wegen dieser Handlung nicht festgesetzt, § 29a Abs. 4 OWiG.
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hatte gegen den Fahrer des Sattelkraftfahrzeugs wegen der gleichen Fahrt ein Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 StVG eingeleitet (520 Js 10135/14). Die Polizei hatte noch während der Kontrolle am 4.3.2014 vom Fahrer eine Sicherheitsleistung in Höhe von 80,00 EUR nach § 132 StPO erhoben, um die Durchführung des Straf- oder Bußgeldverfahrens sicherzustellen. Mit Verfügung vom 13.6.2014 stellte die Staatsanwaltschaft Heidelberg das Verfahren gegen den Fahrer gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen Verrechnung der geleisteten Sicherheit in Höhe von 80,00 EUR endgültig ein.
Auf den Einspruch der Verfallsbeteiligten hat das Amtsgericht Heidelberg mit Beschluss gemäß § 72 OWiG vom 15.6.2015 gegen die Verfallsbeteiligte „wegen Verkehrsowi eine Geldbuße von 2.000 EUR kostenfällig festgesetzt“. Aus den Gründen des Beschlusses lässt sich entnehmen, dass das Amtsgericht nach § 29a Abs. 4 OWiG einen selbständigen Verfall in Höhe von 2.000 EUR gegen die Verfallsbeteiligte anordnen wollte und nicht etwa eine Geldbuße nach § 30 OWiG.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Verfallsbeteiligte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 87 Abs. 5 und 6 OWiG zulässig und führt zur Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206a Abs. 1 StPO. Es besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis.
Dem selbständigen Verfallsverfahren nach § 29a Abs. 4 OWiG steht die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Fahrer wegen des Verdachts des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG entgegen. Es besteht der hinreichende Verdacht, dass der Fahrer bei der verfahrensgegenständlichen Fahrt von Salzburg nach Wörth am 4.3.2014 durch eine Handlung - das Führen des überlangen Sattelkraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, § 24 StVG, Rn 10 m.w.N.) - gleichzeitig eine Straftat und eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG ist dann nur das Strafgesetz anwendbar, so dass der obligatorische Verfall des § 73 Abs. 1 StGB dem fakultativen Verfall des § 29a OWiG vorgeht (KK-OWiG/Mitsch, 4. Aufl. 2014, § 29a OWiG, Rn 25).
Mit der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Fahrer war eine selbständige Verfallsanordnung der Verwaltungsbehörde nach § 29a Abs. 4 OWiG aufgrund der vom Fahrer tateinheitlich begangenen Ordnungswidrigkeit ausgeschlossen. Hierfür ist Voraussetzung, dass die Durchführung eines subjektiven Straf- oder Bußgeldverfahrens gegen den Betroffenen unmöglich ist (OLG Celle, Beschluss vom 29.10.2008, 322 SsBs 172/08). Dies war aber erst mit der endgültigen Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO am 13.6.2014 der Fall.
Eine Abgabe des Verfahrens an die Verwaltungsbehörde nach § 41 Abs. 2 OWiG bzw. § 43 OWiG war nicht erfolgt. Diese wäre auch nicht statthaft gewesen. Die Voraussetzungen für die Abgabe des Verfahrens an die Verwaltungsbehörde gemäß § 43 OWiG liegen bei einer Entscheidung nach § 153a StPO nicht vor, denn mit der Einstellung des Strafverfahrens gegen Auflagen wurde eine Art Sachentscheidung getroffen, die nach § 21 OWiG die Ahndung der mit derselben Tat begangenen Ordnungswidrigkeit ausschließt (KK-OWiG/Mitsch, 4. Aufl. 2014, § 21 OWIG, Rn 32; Göhler/Gürtler, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 21 OWiG, Rn 27). Ist aber die Ahndung der dem Betroffenen vorgeworfenen Tat gemäß § 21 OWiG als Ordnungswidrigkeit ausgeschlossen, steht auch der Verfallsanordnung im selbständigen Verfahren nach § 29a Abs. 4 OWiG ein Verfahrenshindernis sowohl gegen den Täter als auch gegen den Dritten entgegen (Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 18. Lfg. März 2013, § 29a OWiG, Rn 20). Nur die Staatsanwaltschaft hätte nach der erfolgten endgültigen Einstellung des Verfahrens gegen den Fahrer gemäß § 153a StPO die selbständige Anordnung eines Verfalls gegen die Verfallsbeteiligte nach § 76a StGB i.V.m. §§ 440 ff StPO ggfs. bewirken können.
Der selbständige Verfall kann hier auch nicht darauf gestützt werden, dass Verantwortlichkeit von Fahrer und Halter nebeneinander stehen, da vorliegend neben dem Fahrer auch der Halter des überlangen Sattelkraftfahrzeugs eine Ordnungswidrigkeit nach § 69a Abs. 5 Nr. 3 StVZO i.V.m. § 31 Abs. 2 StVZO begangen haben könnte. Der selbständige Verfall nach § 29a Abs. 4 OWiG kann in derartigen Fällen grundsätzlich unabhängig von der Entscheidung gegen den betroffenen Fahrer angeordnet werden, wenn nur ein Bußgeldverfahren gegen den Halter nicht eingeleitet bzw. eingestellt wurde (Senat, Beschluss vom 6.10.2015, 2 (7) SsBs 305/15; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.11.2009, 1 SsBs 13/09, NStZ-RR 2010, 256).
Vorliegend hat aber die Verwaltungsbehörde die Verfallsanordnung ausdrücklich als Nebenfolge des Verfahrens gegen den Fahrer eingestuft und keine Feststellungen zur Verantwortlichkeit des Halters getroffen. Auf ein mögliches nicht eingeleitetes Verfahren gegen den Halter des Fahrzeugs kam es daher nicht an (OLG Celle, Beschluss vom 29.10.2008, 322 SsBs 172/08; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.11.2009, 1 SsBs 13/09, NStZ-RR 2010, 256; Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 18. Lfg. März 2013, § 29a OWiG, Rn 20).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO, § 46 OWiG. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, wonach davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht, keinen Gebrauch gemacht.