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OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.03.2017 - 16 E 836/16

Tenor

Auf die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers wird Ziffer 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. September 2016 geändert. Dem Vollstreckungsgläubiger wird für das erstinstanzliche Vollstreckungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin E. X. aus C. beigeordnet.

Außergerichtliche Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Der Vollstreckungsgläubiger kann nach den von ihm dargelegten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der erstinstanzlichen Prozessführung nicht aufbringen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114, § 115 ZPO). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig und bietet hinreichend Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zu diesem Ergebnis kommt der Senat, weil die Erfolgsaussichten der begehrten Anordnung der Vollstreckung aus den nachfolgenden Gründen offen sind.

Von offenen Erfolgsaussichten ist regelmäßig dann auszugehen, wenn zur Klärung des Sachverhalts eine Beweisaufnahme erforderlich oder doch ernsthaft in Betracht zu ziehen ist.

Vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 166 Rn. 70 m. w. N.

Diese Voraussetzungen lagen hier vor, weil durch die Einholung von Stellungnahmen des den Vollstreckungsgläubiger behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychologie Dr. med. N. sowie des Gutachters Dr. med. C1. zu ermitteln war, ob der Vollstreckungsgläubiger durch die Vorlage des Gutachtens vom 31. März 2016 seiner Verpflichtung aus Ziffer 1 des zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Köln am 15. Januar 2016 geschlossenen Vergleichs erfüllt und im Sinne von Ziffer 2 des Vergleichs seine Kraftfahreignung nachgewiesen hat. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts steht nicht bereits fest, dass das vom Vollstreckungsgläubiger der Vollstreckungsgegnerin bereits am 4. April 2016 vorgelegte Gutachten nicht die Anforderungen erfüllt, denen ein im Sinne von Ziffer 2 des Vergleichs bis zum 30. Juni 2016 vorzulegendes und hinsichtlich der Kraftfahreignung des Vollstreckungsgläubigers positives Gutachten genügen musste.

Zunächst ist festzustellen, dass der Gutachter auf Seite 7 des Gutachtens zur Beantwortung der in der Gutachtenanordnung vom 9. September 2014 aufgeworfenen Fragen festgestellt hat, dass die in den Krankenhaus-Entlassungsberichten bzw. Vorbefunden erwähnten Diagnosen einer atypischen Panikstörung, einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen bzw. eines wahnhaft-ängstlichen Syndroms bei der aktuellen Untersuchung nicht verifiziert werden konnten. Des Weiteren stellt er fest, dass die im Jahr 2013 und zu Beginn des Jahres 2014 eingenommenen Neuroleptika bzw. Antidepressiva, gegebenenfalls auch Tranquilizer, nach Angaben des den Vollstreckungsgläubiger behandelnden Facharztes in den letzten beiden Jahren nicht mehr zum Einsatz gekommen seien. Auch daraus könne ex post auf einen günstigen Krankheitsverlauf geschlossen werden. Die in der Untersuchung erhobenen Befunde und insbesondere das gewonnene Gesamtbild seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen im Sinne einer günstigen Verkehrsverhaltensprognose verwertbar. Diesen Befunden widersprächen die Angaben des Vollstreckungsgläubigers nicht. Insgesamt sei davon auszugehen, dass bei ihm keine verkehrsrelevanten Beeinträchtigungen der geistigen und/oder psychisch funktionalen Voraussetzungen bestünden. Insofern erfülle er die Voraussetzungen, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr mit der erforderlichen Aufmerksamkeit, Belastbarkeit, Reaktion sowie Konzentrationsfähigkeit zu führen. Abschließend stellte der Gutachter fest, dass regelmäßige quartalsmäßige Befundkontrollen dennoch weiterhin zu veranlassen und durchzuführen seien. Sollte die Verkehrsbehörde weiterhin Zweifel hegen, sei die Abhaltung einer "Fahreignungsprobe" zu diskutieren.

Das Verwaltungsgericht hält das Gutachten für unzureichend als Antwort auf die folgenden, in der Gutachtenanordnung vom 9. September 2014 aufgeworfenen Fragen:

"Ist Herr N1. trotz Vorliegens der Erkrankungen (Atypische Panikstörung, schwere depressive Episode mit psychot. Sympt., wahnhaft-ängstliches Sydrom, Alkoholabusus und Benzodiazepinabusus) - auch unter Bezugnahme der Medikation - die nach Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellen, in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 gerecht zu werden? Sollte dies der Fall sein, bitte ich festzustellen, ob und ggf. unter welchen Auflagen/Beschränkungen gemäß Anlage 4 FeV die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist. Erfüllt der zu Untersuchende die körperlichen und geistigen Voraussetzungen ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr mit der erforderlichen Aufmerksamkeit, Belastbarkeit, Reaktions- sowie Konzentrationsfähigkeit zu führen?"

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind diese Fragen nicht vollständig beantwortet, weil dem Gutachten u. a. keine belastbaren Aussagen zu dem beim Vollstreckungsgläubiger diagnostizierten Alkohol- und Benzodiazepinabusus zu entnehmen seien. Allein die Bezugnahme auf Ausführungen des den Vollstreckungsgläubiger behandelnden Arztes dazu, dass entsprechende Medikamente seit zwei Jahren nicht mehr zum Einsatz gekommen seien, reiche nicht aus, um ein Ende des Missbrauchs zu belegen, weil der Vollstreckungsgläubiger immerhin noch im Mai 2014 behauptet habe, die betreffenden Medikamente zu brauchen, um "runter zu kommen". Darüber hinaus habe der Gutachter keine Untersuchungen durchgeführt, die den Anforderungen der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV bzw. den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Abschnitt 3.14.1 und 3.13.2 entsprächen.

Vgl. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Stand: 28. Dezember 2016, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115 = www.bast.de/DE/Verkehrssicherheit/... /Begutachtungsleitlinien-2016. pdf

Diese Einschätzung überzeugt in mehrfacher Hinsicht nicht. Zweifelhaft ist bereits, ob die Begutachtung im Hinblick auf die von der Vollstreckungsschuldnerin aufgeworfenen Fragen den genannten Anforderungen der Begutachtungsleitlinien entsprechen musste. Aus welchen Gründen das Gutachten den Vorgaben des Abschnitts 3.13.2 hätte entsprechen sollen, der die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit betrifft, ist nicht zu erkennen. Bereits die Fragestellung in dieser Anordnung erstreckt sich nicht auf das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit. Im Übrigen sind Anhaltspunkte für eine solche Erkrankung weder dem Verwaltungsvorgang noch der Gutachtenanordnung zu entnehmen. Der einzige Hinweis auf Probleme im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol ergibt sich aus einem Bericht des den Vollstreckungsgläubiger behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. Martin N. vom 28. Februar 2012. Nach seinen Angaben diesem Arzt gegenüber konsumierte der Vollstreckungsgläubiger Anfang 2012 ca. ein Glas Whisky am Tag. Zur Behandlung der schwer depressiv-ängstlichen Symptomatik und des angegebenen Alkoholabususes erhöhte der genannte Facharzt seinerzeit das zuvor bereits vom Hausarzt mit 10 mg täglich verordnete Diazepam auf 15 mg täglich. Dabei ging der behandelnde Facharzt erkennbar davon aus, dass durch die Erhöhung der täglichen Dosis dieses Medikaments ein regelmäßiger Benzodiazepinschutz erreicht werde, ohne den erhöhte Eigengefährdung und Alkoholkonsum zu erwarten seien.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass bei dem Vollstreckungsgläubiger anlässlich der Untersuchung im Februar 2012 keine isolierte Erkrankung im Zusammenhang mit missbräuchlichem Alkoholkonsum festgestellt wurde. Die seinerzeit angegebene tägliche Trinkmenge stellte sich nach Auffassung des behandelnden Arztes als Folge einer inadäquaten Medikation dar. Der Arzt nahm an, dass der erhöhte Alkoholkonsum bereits durch eine Anpassung des Benzodiazepinschutzes vermieden werden könne. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall gewesen ist, sind weder dem Verwaltungsvorgang noch den übrigen verfügbaren Unterlagen zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund bestand für den Gutachter keine Veranlassung, den Angaben des Vollstreckungsgläubigers anlässlich der Anamnese im März 2016, dass er seit 2012 keinen Alkohol mehr trinke, keinen Glauben zu schenken. Insbesondere bestand auch aufgrund der Fragestellung in der Gutachtenanordnung, in der lediglich von einem Alkoholabusus die Rede war, keine Veranlassung, den Vollstreckungsgläubiger im Hinblick auf eine mögliche Alkoholabhängigkeit zu untersuchen.

Was allerdings den Missbrauch der Substanz Benzodiazepin anbelangt, ist zwar von einem missbräuchlichen oder zumindest regelmäßigen Konsum eines Arzneimittels im Sinne der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV bis Mai oder September 2014 auszugehen, so dass die gutachterlichen Feststellungen grundsätzlich an den Anforderungen der Ziffer 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zu messen sind. Zweifelhaft ist jedoch, ob der Gutachter im Hinblick auf die ihm konkret vorliegende Fragestellung Veranlassung hatte, den Anforderungen der Leitlinien entsprechend zu untersuchen, ob und in welchem Umfang der Vollstreckungsgläubiger die genannte Substanz weiterhin konsumiert. Denn in der Gutachtenanordnung ist das Vorliegen unter anderem eines Benzodiazepinabusus als gegeben angenommen worden. Die Fragestellung bezog sich darauf, ob der Vollstreckungsgläubiger trotz des Vorliegens unter anderem eines solchen Missbrauchs den an einen Kraftfahrzeugführer zu stellenden Anforderungen gerecht werden könne. Hätte der Gutachter feststellen sollen, ob der Vollstreckungsgläubiger missbräuchlich Arzneimittel einnimmt, hätte eine solche, auf § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 FeV gestützte Frage etwa folgendermaßen lauten müssen: "Nimmt bzw. nahm Herr N1. psychoaktiv wirkende Arzneimittel missbräuchlich im Sinne der Anlage 4 Nr. 9.4 zur FeV ein?"

Vgl. zu dieser Formulierung: Schubert/Dittmann/ Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, S. 60.

Um eine solche Frage hat die Vollstreckungsschuldnerin die Fragestellung auch nicht anlässlich des mit dem Vollstreckungsgläubiger abgeschlossenen Vergleichs erweitert. Insbesondere hat sie nicht die Anregung des Gutachters in dem am 30. Oktober 2014 erstellten ersten Gutachten aufgegriffen, in dem er abschließend ein biologisches Drug-Monitoring zu der Frage für angezeigt bezeichnete, ob der Vollstreckungsgläubiger tatsächlich keine psychoaktiv wirkenden Medikamente mehr einnehme.

Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls in Betracht zu ziehen, dass der Gutachter im März 2016 bereits aufgrund der Angaben des Vollstreckungsgläubigers und des diese Angaben bestätigenden ärztlichen Attests des ihn weiterhin behandelnden Facharztes Dr. med. N. vom 29. März 2016 davon ausgehen durfte, dass der Vollstreckungsgläubiger zuletzt am 25. April 2014 ein Rezept bei pharmakologischer Bedarfsmedikation erhalten habe. Der Beweiskraft dieses Attests steht zunächst nicht entgegen, dass der Vollstreckungsgläubiger noch am 8. Mai 2014 gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamten angegeben hat, die Medikamente Paratoxin und Diazepam einzunehmen, weil er vor allem Paratoxin benötige, um "runter zu kommen". Zu diesen Zeitpunkt kann es sich durchaus noch um Medikamente gehandelt haben, die ihm im April 2014 verordnet worden waren. Die in den Verwaltungsvorgang aufgenommenen bzw. in den Gutachten aus den Jahren 2014 und 2016 in Bezug genommenen ärztlichen Atteste sprechen allerdings dafür, dass der Vollstreckungsgläubiger spätestens ab Mitte September 2014 keine medikamentöse Behandlung von dem behandelnden Facharzt verordnet bekommen hat. Das ergibt sich aus dem ärztlichen Attest dieses Arztes bzw. seiner Praxiskollegin Dr. med. W. vom 18. März 2016 und aus dem Arztbrief des Dr. med. N. vom 15. September 2014, der dem Gutachter anlässlich der ersten Begutachtung im Oktober 2014 vorgelegen hat. Beiden Stellungnahmen zufolge war der Vollstreckungsgläubiger Mitte September 2014 seit einer Woche entzugsfrei von Benzodiazepin. Dem ärztlichen Attest vom 29. März 2016 zufolge stellte er sich lediglich quartalsmäßig bei dem Facharzt zur Kontrolle vor. Nicht eindeutig ergibt sich allerdings aus den genannten Attesten, ab welchem Zeitpunkt dem Vollstreckungsgläubiger keine psychoaktiv wirkenden Arzneimittel aufgrund einer fachärztlichen Verordnung mehr zur Verfügung standen. Des Weiteren ist nicht zu erkennen, auf der Grundlage welcher Erkenntnisse in dem ärztlichen Attest vom 29. März 2016 davon ausgegangen wird, dass der Vollstreckungsgläubiger, so Dr. med. N. wörtlich, "seit Anfang Mai 2014 glaubhaft frei von jeglicher Medikation und psychisch stabil [ist]". Vor diesem Hintergrund besteht zumindest hinsichtlich der Belastbarkeit der Feststellung des Gutachters, dass bei dem Vollstreckungsgläubiger kein Benzodiazepinabusus mehr vorliege, Veranlassung zu einer ergänzenden Aufklärung des Sachverhalts im Wege einer Anfrage bei dem behandelnden Facharzt Dr. med. N. . Da sich der Vollstreckungsgläubiger dort zu quartalsmäßigen Kontrollen vorstellt, ist auch davon auszugehen, dass der Facharzt belastbare Aussagen zu dem aktuellen Arzneimittelkonsum wird machen können.

Dieser weitere Aufklärungsbedarf führt allerdings nicht dazu, dass der Vollstreckungsgläubiger durch die Vorlage des Gutachtens von Dr. med. C1. vom 31. März 2016 nicht die Vorgaben der Ziffern 1 und 2 des mit der Vollstreckungsschuldnerin abgeschlossenen Vergleichs erfüllt hätte. Da er das Gutachten bereits am 4. April 2016 der Vollstreckungsschuldnerin zur Verfügung stellte, hätte er bis zum Ablauf der im Vergleich vorgesehenen Frist am 30. Juni 2016 hinreichend Zeit gehabt, eine ergänzende Stellungnahme des ihn behandelnden Facharztes beizubringen. Da die Vollstreckungsschuldnerin das Gutachten jedoch zunächst nicht beanstandete, sondern es erst mit Schreiben vom 25. August 2016 der Prozessbevollmächtigten des Vollstreckungsgläubigers gegenüber als in mehreren Punkten unzureichend bezeichnete, konnte Letzterer eine Nachbesserung nicht fristgerecht veranlassen. Vor diesem Hintergrund war im vorliegenden Vollstreckungsverfahren aufzuklären, ob das Gutachten unter Berücksichtigung einer ergänzenden Stellungnahme des behandelnden Facharztes auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage einen mittlerweile nicht mehr bestehenden Benzodiazepinabusus festgestellt hat.

Die weiteren von der Vollstreckungsschuldnerin beanstandeten Aussagen des Gutachters, insbesondere die Frage, welche regelmäßigen quartalsmäßigen Befundkontrollen der Gutachter für erforderlich gehalten hat und aus welchen Gründen er bei gegebenenfalls anhaltenden Zweifel der Verkehrsbehörde eine "Fahreignungsprobe" vorgeschlagen hat, hätten ebenfalls durch eine kurzfristige ergänzende Stellungnahme des Gutachters, zu der die Vollstreckungsschuldnerin den Vollstreckungsgläubiger innerhalb der zwei Monate bis zum Ablauf der Frist hätte auffordern können, geklärt werden können. Bei den regelmäßigen Befundkontrollen dürfte es sich im Übrigen um den Nachweis der Fortsetzung der quartalsmäßigen Kontrollen durch den behandelnden Facharzt Dr. med. N. handeln. Dass der Gutachter mit dem Hinweis auf eine "Fahreignungsprobe" die Möglichkeit ansprechen wollte, dass der Vollstreckungsgläubiger bei entsprechenden Zweifeln der Vollstreckungsschuldnerin auch eine Fahrprobe abliefern könne, ergibt sich aus der Zusammenschau mit dem ersten von Dr. med. C1. erstellten Gutachten vom 30. Oktober 2014. Dort wird bereits am Ende der Zusammenfassung und Beurteilung auf die Möglichkeit, eine Fahrprobe abzuhalten, hingewiesen.

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts steht der Verwertbarkeit des Gutachtens auch nicht von vornherein entgegen, dass der Gutachter von den zwei Verkehrsstraftaten, jeweils Fahren ohne Fahrerlaubnis, die der Vollstreckungsgläubiger im September und Dezember 2015 begangen hat, keine Kenntnis hatte. Anders als in dem Fall, der dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Beschluss des Senats vom 4. Juli 2007 im Verfahren 16 B 666/07 zugrunde lag, war hier Gegenstand der Untersuchung nicht die Frage, ob von dem Vollstreckungsgläubiger künftig erhebliche Verkehrsverstöße zu erwarten seien. Der Gutachter sollte vielmehr lediglich zu Zweifeln hinsichtlich der geistigen Eignung des Vollstreckungsgläubigers Stellung nehmen. Dass er bei seiner abschließenden Beantwortung der zu derartigen Eignungsmängeln aufgeworfenen Beweisfragen auch die zu erwartende Einhaltung von Verkehrsregeln thematisiert hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass den diesbezüglichen Ausführungen vor dem Hintergrund der im Herbst und Winter 2015 begangenen Delikte eine tragfähige Tatsachengrundlage entzogen wäre. Das gilt auch, soweit der Gutachter seine positive Einschätzung der Fahreignung des Vollstreckungsgläubigers u. a. folgendermaßen begründet hat:

"Herr N1. verfügt mittlerweile - trotz emotionaler instabiler Persönlichkeitsmomente - über eine ausreichende Selbstkontrolle bei der Einhaltung von Verkehrsregeln (im Sinne ausreichender und realistischer Beobachtung und/oder Bewertung eigenen Verhaltens). Der Proband wies im medizinischen Bereich keine Eignungsausschließenden Beeinträchtigungen auf, Herr N1. ist zur Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen motiviert und aufgrund letzter Befunderhebung dazu auch in der Lage. Er zeige keine grundsätzlich antisoziale Einstellung. Insgesamt ist davon auszugehen, dass bei dem Probanden keine verkehrsrelevanten Beeinträchtigungen der geistigen und/oder psychisch funktionalen Voraussetzungen bestehen."

Aus diesen Formulierungen ergibt sich, dass Ansatzpunkt der Verkehrsverhaltensprognose, die der Gutachter angestellt hat, die von ihm zu untersuchenden medizinischen Befunde in Bezug auf die geistige bzw. psychisch funktionale Verfassung des Vollstreckungsgläubigers gewesen ist. Da er anlässlich der Begutachtung im März 2016 nicht feststellen konnte, dass bei dem Vollstreckungsgläubiger weiterhin die Anfang 2012 diagnostizierten Erkrankungen vorlagen, ist er im Hinblick auf die lediglich noch bestehenden emotional instabilen Persönlichkeitsmomente davon ausgegangen, dass der Vollstreckungsgläubiger geistig in der Lage sei, sich selbst ausreichend bei der Einhaltung von Verkehrsregeln zu kontrollieren. Dieser Feststellung ist durch die tatsächlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 begangenen Verkehrsstrafdelikte nicht die Grundlage entzogen. Es kann nämlich durchaus sein, dass der Vollstreckungsgläubiger, obwohl er geistig und psychisch dazu in der Lage war, die Verkehrsregeln einzuhalten und von einem unerlaubten Führen eines Kraftfahrzeugs abzusehen, sich zu dem strafbaren Verhalten entschieden hat. In diesem Fall wären die Verkehrsstraftaten möglicherweise Ausdruck einer fehlenden charakterlichen Eignung, worauf im Übrigen das Verwaltungsgericht in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss auch abgestellt hat. Zur Aufklärung von aus diesem Grund bestehenden Eignungszweifeln kam das aufgrund der Gutachtenanordnung vom 9. September 2014 erstellte ärztliche Gutachten jedoch nicht in Betracht. Die Aufklärung, ob trotz Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr die Kraftfahreignung besteht, erfordert gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV ein medizinischpsychologisches Gutachten. Ein solches Gutachten ist bislang von der Vollstreckungsschuldnerin nicht angeordnet worden.

Vgl. zur Differenzierung zwischen charakterlichen einerseits und körperlich/geistigen Mängeln andererseits: VGH Bad-Württ., Beschluss vom 30. Juni 2011 - 10 S 2785/10 -, juris, Rn. 10 f.

In Bezug auf von der Vollstreckungsschuldnerin beanstandete unterlassene Angaben des Vollstreckungsgläubigers, die ihres Erachtens der Verwertbarkeit des Gutachtens entgegenstünden, ist vorliegend zu berücksichtigen, dass Letzterer nicht im Rahmen einer medizinischpsychologischen Untersuchung zu seinem straßenverkehrsrechtlichen Verhalten befragt wurde. Eine Begutachtungsanordnung mit einer dahingehenden Fragestellung ist nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund musste der Vollstreckungsgläubiger auch nicht davon ausgehen, dass er anlässlich der Untersuchung durch den Gutachter im März 2016 diesen über zwischenzeitlich begangenen Verkehrsstraftaten unterrichten müsse. Dass er von dem Gutachter danach gefragt worden wäre und insoweit wahrheitswidrig geantwortet hätte, ist nicht zu erkennen. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in der Begründung der Gutachtenanordnung vom 9. September 2014 auf einen möglichen Zusammenhang zwischen strafrechtlichem Verhalten in der Vergangenheit und einer möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigung hergestellt worden ist. Diese mögliche Verbindung wird von der Vollstreckungsschuldnerin jedoch erkennbar nur zur Begründung der Anordnung einer ärztlichen Begutachtung angeführt, ohne dass sich etwa eine künftige Straffälligkeit des Vollstreckungsgläubigers in der Formulierung der Gutachtenfrage wiederfände. Auch in dem weiteren Hinweis, dass durch das Gutachten genau und ausführlich die Art und Weise der gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Hinblick auf die erforderliche körperliche und geistige Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrers abzuklären seien, fehlt jeglicher Bezug zu vergangenen oder künftigen Straftaten des Vollstreckungsgläubigers.

Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch deutlich von der Konstellation, die dem vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss des Senats vom 4. Juli 2007 zugrunde lag. In diesem Fall betraf der medizinischpsychologische Untersuchungsauftrag in einem Verfahren auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis das Vorliegen charakterlicher Eignungsmängel. Entsprechend war das in der Vergangenheit an den Tag gelegte Verhalten des Fahrerlaubnisbewerbers und seine hierzu entwickelte Einstellung maßgeblich für die Beurteilung seiner Kraftfahreignung. Insoweit konnte die wahrheitswidrige Erklärung, seit der letzten aktenkundigen Verkehrsauffälligkeit sei nichts mehr vorgefallen, die Aussagekraft des dortigen Gutachtens ernsthaft in Frage stellen.

Vgl. den genannten Senatsbeschluss vom 4. Juli 2007 - 16 B 666/07 -, juris.

Dass der Gutachter Dr. med. C1. erkennbar nichts von den 2015 begangenen Verkehrsstraftaten wusste, rechtfertigt demgegenüber im vorliegenden Fall nicht, sein Gutachten von vornherein als nicht verwertbar anzusehen oder ihm eine positive Aussagekraft abzusprechen. Es bedurfte allerdings einer weiteren Aufklärung durch eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters dazu, ob er bei dem Vollstreckungsgläubiger aus medizinischer Sicht auch unter Berücksichtigung der jüngsten Verkehrsstraftaten eine hinreichende Selbstkontrolle hinsichtlich der Einhaltung von Verkehrsregeln für gegeben hält. Die Vollstreckungsschuldnerin hätte den Vollstreckungsgläubiger aller Voraussicht nach auch vor Ablauf der Frist am 30. Juni 2016 dazu auffordern können, von dem Gutachter eine dahingehende Stellungnahme einzuholen. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft C. gegenüber der Prozessbevollmächtigten des Vollstreckungsgläubigers ist der Vollstreckungsschuldnerin der Verwaltungsvorgang bereits am 17. Mai 2016 zurückgesandt worden.

Die Gerichtskostenfreiheit des Beschwerdeverfahrens folgt aus Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz, die Kostenentscheidung im Übrigen aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Lukas Jozefaciuk