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OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.01.2017 - 11 A 1701/16

Orientierungssatz:

Zur Duldung von Straßenbäumen gemäß § 32 Abs.2 Satz 1 StrWG NRW.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

"Ernstliche Zweifel" im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 - 7 AV 1.02 -, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1 = juris, Rn. 7.

Das ist hier nicht der Fall. Die Kläger haben keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit des Urteils erster Instanz aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf den begehrten Rückschnitt der auf der U.--------allee stehenden Platanen. Die Voraussetzungen des öffentlichrechtlichen Abwehr- bzw. Folgenbeseitigungsanspruch sind nicht erfüllt. Dieser setzt einen hoheitlichen Eingriff voraus, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der noch andauert und den er nicht dulden muss.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 26.88 -, BVerwGE 80, 178 (179) = juris, Rn. 9.

Subjektive Rechtspositionen der Kläger sind nicht verletzt. Sie sind zur Duldung der Bäume und der von ihnen ausgehenden Einwirkungen verpflichtet. Die Duldungspflicht ergibt sich aus § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW. Danach haben die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken an öffentlichen Straßen die Einwirkungen von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers und der Nebenanlagen und die Maßnahmen zu ihrer Erhaltung und Ergänzung zu dulden. Die Duldungspflicht bewirkt eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse des Straßenanliegers. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. September 1999 - 23 A 875/97 -, NWVBl. 2000, 142 (143) = juris, Rn. 11; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2000 - 9 U 67/00 -, NVwZ 2001, 594 (595) = juris, Rn. 31.

Jedes Grundstück ist in seine Umgebung eingefügt und durch seine Lage und Beschaffenheit charakterisiert. Die straßenrechtlichen Regelungen tragen der Situationsgebundenheit des Grundstücks im Interesse der Allgemeinheit und der Straßenanlieger Rechnung. Die Gestaltungsmöglichkeiten kann der Gesetzgeber im Hinblick auf den sozialen Bezug des Eigentums nutzen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die straßenrechtliche Privilegierung von Anpflanzungen auf öffentlichen Straßen und den dazu gehörenden Nebenanlagen von vernünftigen Gemeinwohlgedanken getragen wird. Die Bepflanzung von Straßen dient nicht nur straßenbautechnischen und verkehrsrechtlichen Interessen. Bepflanzungen mit Bäumen in Ballungsgebieten haben eine landschaftsgestaltende und eine die Wohnqualität verbessernde Funktion. Bäume schaffen eine ansprechende Atmosphäre und Lebensqualität, lockern den optischen Eindruck der Umgebung auf, beruhigen das Auge und verhelfen Anwohnern zum Luftholen und Durchatmen. Bepflanzungen spielen unbestreitbar eine wesentliche Rolle für das von Lärm und Abgasen geprägte Großstadtklima und die Verbesserung des Wohnumfeldes. Da nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG das Eigentum zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, schlägt sich darin das Gebot an die Kommune nieder, über die Interessen der unmittelbaren Straßenanlieger hinaus auch solche der nicht direkt angrenzenden Wohnbevölkerung wahrzunehmen.

Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2000 - 9 U 67/00 -, NVwZ 2001, 594 (595 f.) = juris, Rn. 32.

Die Pflicht zur Duldung der Einwirkungen der auf öffentlichem Straßengrund erfolgten Pflanzungen endet mit der Folge eines auf Beseitigung gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs erst in besonderen Ausnahmesituationen. Diese liegen dann vor, wenn die Bepflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führt bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten sind oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maße beeinträchtigt wird.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. September 1999 - 23 A 875/97 -, NWVBl. 2000, 142 (144) = juris, Rn. 20, m. w. N.

Ausgehend hiervon lässt sich eine nicht mehr zumutbare Beeinträchtigung durch die vor den Grundstücken der Kläger stehenden Platanen nicht feststellen. Die Kläger haben weder den behaupteten Netzwanzenbefall der Platanen dargelegt noch haben sie Belege für die behaupteten Gesundheitsgefahren erbracht, die von den an der sog. Massaria-Krankheit erkrankten Bäumen ausgehen sollen. Insbesondere haben sie die angeblich bereits eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Hausbewohner nur behauptet und nicht etwa ärztliche Atteste oder sonstige Belege für ihre Behauptungen beigebracht. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, auch andere Baumarten lösten die behaupteten allergischen Reaktionen (wie Husten) aus.

Für die behaupteten Verunreinigungen der unter den Platanen abgestellten Fahrzeuge gilt nichts anderes. Auch insoweit haben die Kläger nur Behauptungen aufgestellt und weder substantiiert dargelegt noch Belege vorgelegt, aus denen sich bereits an Fahrzeugen eingetretene Lackschäden aufgrund der Absonderungen der Platanen ergäben. Im Übrigen dürften sich Verschmutzungen der Lackoberfläche von Fahrzeugen durch klebrige Absonderungen der Platanen mit gegebenenfalls warmem Wasser und etwaigem Zusatz von Reinigungsmitteln entfernen lassen, sodass ernsthafte Lackschäden (bevor sie überhaupt eintreten) "anderweitig behebbar" i. S. d. oben zitierten Rechtsprechung sind.

2. Der gerügte Verfahrensmangel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.

Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätten führen können. Außerdem muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen.

Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 § 133 VwGO (n. F.) Nr. 26 S. 14 f. = juris, Rn. 4, m. w. N., und vom 13. Juli 2007 - 9 B 1.07 -, juris, Rn. 2, m. w. N.

Diese Anforderungen erfüllt die Zulassungsbegründung nicht. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung, welche Feststellungen im Falle einer weiteren Aufklärung durch das Gericht voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der Auffassung des Gerichts zu einer für die Kläger günstigeren Entscheidung hätten führen können. Das Verwaltungsgericht hat von den Straßenbäumen ausgehende Gesundheitsgefahren und Beeinträchtigungen des Eigentums der Kläger schon mit Blick auf das klägerische Vorbringen und im Übrigen nach Durchführung eines Ortstermins für ausgeschlossen bzw. nicht erheblich gehalten. Zudem ergibt sich aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung erster Instanz nicht, dass die Kläger auf die Vornahme einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätten. Darüber hinaus mussten sich dem Verwaltungsgericht insbesondere auch angesichts des von den Klägern nicht substantiiert angegriffenen Vortrags der Beklagten keine weiteren Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht aufdrängen. Danach seien die Platanen von Mitarbeitern des einschlägigen Fachbereichs untersucht worden; ein Netzwanzenbefall habe dabei nicht festgestellt werden können. Ein Pilzbefall könne zwar körperliche Reaktionen wie Hustenanfälle oder Niesen, jedoch keine allergischen oder sonstige medizinisch relevanten Reaktionen oder Folgeerscheinungen auslösen. Dies werde von der Gartenbau-Berufsgenossenschaft, die sich mit diesem Phänomen im Zusammenhang mit Baumpflegearbeiten beschäftige, bestätigt.

3. Die weiter erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs infolge einer unzulässigen Überraschungsentscheidung wird schon nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt. Grundsätzlich ist das Gericht nicht verpflichtet, die ihm obliegende abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - 9 B 614.99 -, Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46, und vom 26. November 2001 - 1 B 347.01 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 1991 - 8 C 106.89 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235, und Beschlüsse vom 23. Dezember 1991 - 5 B 80.91 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241, sowie vom 11. Mai 1999 - 9 B 1076.98 -, juris, m. w. N.

Hieran gemessen hat das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung dem Verfahren keine Wende gegeben, mit welcher die Kläger nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchten. Es hat entgegen dem Vorbringen der Kläger mit seinen Ausführungen im Protokoll über den Ortstermin, dass "bislang konkreter Vortrag nicht zu der Akte gelangt war", nicht zu erkennen gegeben, der Sachvortrag der Kläger zur Gesundheitsproblematik reiche aus. Vielmehr hat es damit lediglich festgestellt, es habe bisher an entsprechendem konkreten Sachvortrag seitens der Kläger gefehlt. Es bedurfte auch - anders als die Kläger dies meinen - keines Hinweises des Verwaltungsgerichts darauf, der Vortrag zu den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei nicht ausreichend. Die Kläger haben im Verlaufe des Klageverfahrens selbst u. a. auf die oben bereits wiedergegebenen Ausführungen der Beklagten zur fehlenden medizinischen Relevanz der von ihnen (im Ortstermin) behaupteten Hustenreaktionen hingewiesen. Diese Gesichtspunkte, die das Verwaltungsgericht u. a. zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat, haben die Kläger mithin selbst zum Gegenstand der Erörterung im Klageverfahren gemacht, sodass sie nicht damit gehört werden können, sie hätten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht mit einer entsprechenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu rechnen brauchen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, 100 ZPO.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Lukas Jozefaciuk