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Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 11.01.2017 - 1 MB 9/16

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer - vom 14.11.2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 23.08.2016, mit der er unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und unter Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall deren Nicht- oder nicht vollständigen Befolgung nach § 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LBO aufgefordert wird, das auf dem Grundstück ... in der Gemeinde Sylt, OT Rantum, errichtete "mobile Gebäude" bis zum 15.09.2016 zu entfernen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines gegen die Ordnungsverfügung eingelegten Widerspruchs mit Beschluss vom 14.11.2016, zugestellt am 18.11.2016, abgelehnt. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Maßnahme überwiege das Interesse des Antragstellers daran, von der verfügten Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben; der Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung erweise sich als unbegründet. Die Voraussetzungen der angeführten Ermächtigungsnorm seien erfüllt. Bei dem vom Antragsteller auf seinem Grundstück abgestellten Wagen handele es sich um eine bauliche Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 LBO, für deren Aufstellung die erforderliche Baugenehmigung fehle. Es liege keine verfahrensfreie "Baustelleneinrichtung" i.S.v. § 63 Abs. 1 Nr. 13a LBO vor. Der Wagen sei dem äußeren Eindruck nach und angesichts seiner Maße (Länge: 6 m, Breite: 3,70 m) sowie der Einrichtung ein sog. Mobilhome. Auch wenn zwischenzeitlich anfänglich vorhandene "Mobilhome"- typische Einrichtung (Bad und Küche) teilweise entfernt worden sei, stehe aufgrund der Ausmaße und der Ausführung objektiv kein i.S.v. § 63 Abs. 1 Nr. 13a LBO verfahrensfreier Bauwagen in Rede. Es fehle am notwendigen räumlich-funktionalen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Bauvorhaben, da der Wagen bereits im Mai 2016 für erst im Herbst oder Winter 2016/17 vorgesehene Bauarbeiten aufgestellt worden sei; zudem sei die Größe des Wagens dem Bauvorhaben nicht angepasst. Auch wenn nach Erlass der Beseitigungsverfügung als dem für die Beurteilung deren Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit maßgeblichen Zeitpunkt mit Bauarbeiten begonnen worden sein sollte, scheitere die Einstufung des Wagens als verfahrensfreie Baustelleneinrichtung an seiner Größe. Ebenso wenig führe die Entfernung der Kücheneinrichtung zur Ermessenswidrigkeit der Verfügung, weil es sich unverändert um ein nicht genehmigungsfähiges Mobilhome handele. Die Absicht, den Wagen im Frühjahr nach Beendigung der Bauarbeiten entfernen zu wollen, ändere an den objektiven Kriterien nichts. Die formelle Baurechtswidrigkeit rechtfertige das ohne Substanzverlust mögliche Beseitigungsverlangen. Dieses sei auch wegen der negativen Vorbildwirkung gerechtfertigt. Daraus ergebe sich auch das besondere Vollzugsinteresse. Auf den Aspekt, dass das Aufstellen des Wagens auch materiell nicht genehmigungsfähig sein dürfte, komme es für die Rechtmäßigkeit des ohne Beschädigung des Objektes möglichen Beseitigungsverlangens nicht entscheidend an.

Dagegen wendet sich, nachdem der Antragsteller bereits eine unter dem 28.11.2016 persönlich verfasste Beschwerdeschrift eingereicht hatte, die mit Anwaltsschriftsatz vom 02.12.2016 erhobene und am 16.12.2016 begründete Beschwerde. Die Wertung des Verwaltungsgerichts sei nicht nachvollziehbar. Bei dem fraglichen Wagen handele es sich nicht um ein mobiles Gebäude, sondern um einen zwecks Renovierungsarbeiten abgestellten Bauwagen. Die Annahme, jener Wagen erfülle nicht die Anforderungen einer verfahrensfreien "Baustelleneinrichtung" gehe fehl. Um einen Bauwagen als solchen zu qualifizieren, müsse dieser keine bestimmte Größe aufweisen und keineswegs mehr als spartanisch ausgestattet sein, zumal er als Umkleidekabine, Aufenthalts- und Sozialraum sowie als Werkzeuglager fungiere. Auch der für die rechtliche Beurteilung der Verfügung gewählte Zeitpunkt sei mit Blick auf das Beurteilungsobjekt eines mobilen, leicht in einen rechtmäßigen Zustand zu versetzendes Fahrzeug nicht korrekt gewählt. Dieser Ansatz verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Im Übrigen sei der Wagen zwischenzeitlich als Fahrzeug, nämlich als "Baubuden"-Anhänger zugelassen worden und werde seit November 2016 auch als solcher genutzt. Folgte man der Argumentation des Verwaltungsgerichts, bestünde im Übrigen keinerlei rechtmäßige Abstellmöglichkeit an anderer Stelle. Schließlich müsse die Interessenabwägung auch deshalb zugunsten des Antragstellers ausfallen, da sein Interesse, die Renovierungsarbeiten mit den beauftragten Handwerkern ohne Unterbrechung durchzuführen, Vorrang vor dem Interesse am sofortigen Vollzug habe.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren prüft der Senat nur die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), die innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) durch den gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 VwGO postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vorgebracht sind und die die nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotene Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung enthalten. Die im Schriftsatz vom 16.12.2016 dargelegten Gründe geben keine Veranlassung, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung zugunsten des Antragstellers abzuändern, denn das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 23.08.2016 bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken begegnet und das öffentliche Interesse an deren sofortigen Vollziehung höher als das gegenläufige Interesse des Antragstellers zu bewerten ist.

Grundlage des Beseitigungsverlangens bildet § 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LBO, wonach die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen kann, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift unterliegt im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht als allein entscheidungserheblich herausgestellte formelle Illegalität des auf dem Grundstück des Antragstellers von diesem aufgestellten Wagens keinen Zweifeln. Jener Wagen (Länge: 6 m, Breite: 3,70 m, Wandhöhe: 2,45 m, Firsthöhe des Tonnendaches: 3 m) ist als bauliche Anlage gemäß § 2 Abs. 1 LBO zu beurteilen. Bauliche Anlagen sind danach mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Eine Verbindung mit dem Boden besteht nach der gesetzlichen Regelung auch dann, wenn die Anlage durch ihre eigene Schwere auf dem Boden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Auch aufgestellte Fahrzeuge wie Bau- (vgl. dazu BayVGH, Beschluss vom 08.07.2014 - 2 ZB 13.617 -, juris [Rn. 3]) oder Wohnwagen (vgl. Schl.-H. OVG, Urteil vom 16.12.1993 - 1 L 82/92 -, juris [Rn. 7-9]; BayVGH, Beschluss vom 06.03.2012 - 9 CS 12.148 -, juris [Rn. 7]) zählen daher zu baulichen Anlagen. Die Dauer der Verbindung ist dabei nicht entscheidend. Auch Anlagen, die nur vorübergehend aufgestellt werden, fallen unter den Begriff der baulichen Anlage, soweit sie überwiegend ortsfest genutzt werden. Entscheidend für den Eintritt der Verfestigung des Aufstellungsverhältnisses sind objektive Kriterien, namentlich, ob ein Wagen der genannten Art nach seiner Beschaffenheit, nach der Art und dem Standort seiner Aufstellung und nach den zu seiner Benutzung geschaffenen Einrichtungen einem unbefangenen Beobachter den Eindruck des Ersatzes für ein Gebäude vermittelt. Diese Voraussetzungen sind hier nach den vom Verwaltungsgericht ausgewerteten tatsächlichen Umständen des bereits im Mai 2016 aufgestellten Wagens mit einem Rauminhalt von über 60 m³ auf einer hinter dem Hauptgebäude befindlichen, mit Beton-Rasengittersteinen befestigten Fläche, zweifelsfrei erfüllt (S. 3 und 4 des Beschl.-Abdr.).

Das Aufstellen des streitgegenständlichen, bauaufsichtlich unstreitig nicht genehmigten Wagens ist entgegen der Ansicht des Antragstellers nach § 62 Abs. 1 LBO baugenehmigungspflichtig. Insbesondere liegt keine verfahrensfreie "Baustelleneinrichtung" i.S.d. § 63 Abs. 1 Nr. 13a LBO vor. Eine Verfahrensfreiheit kann nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 63 Abs. 1 Nr. 13a LBO nur für diejenigen Einrichtungen greifen, die aus Anlass der Errichtung, Änderung oder des Abbruchs einer baulichen Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 LBO errichtet und verwendet werden, die ihrerseits der Geltung der Landesbauordnung unterliegen. Sie müssen in räumlichem, funktionellem und insbesondere engem zeitlichen Zusammenhang mit einer konkreten Baumaßnahme stehen; die zulässige Größe der Fläche, die die Baustelleneinrichtung einnehmen darf, richtet sich dabei nach den Erfordernissen des Bauvorhabens (Domning/Möller/Bebensee, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, § 63 LBO, Rn. 165 m.w.N.). Gemessen an diesen Anforderungen hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass der nach seinem optischen - äußeren - Eindruck sowie nach seiner Einrichtung einem Mobilheim entsprechende Wagen des Antragstellers jenen Anforderungen nicht entspricht. Im Zeitpunkt des Aufstellens des Wagens bereits im Mai 2016 und auch bei Erlass der Ordnungsverfügung am 23.08.2016 war weder ein räumlich-funktionaler noch ein enger zeitlicher Zusammenhang zu irgendeiner Baumaßnahme auf dem Grundstück ... gegeben. Auch wenn zwischenzeitlich im November 2016 Baumaßnahmen am dortigen Gewerbeobjekt des Antragstellers begonnen worden sind und aus dem Wagen Teile des Mobiliars, namentlich eine ursprünglich vorhandene Küchenzeile entfernt wurde, macht dies den Wagen/das Mobilheim nicht zu einem verfahrensfreien "Bauwagen" i.S.d. § 63 Abs. 1 Nr. 13a LBO. Gleiches gilt in Bezug auf die am 21.11.2016 erfolgte verkehrsrechtliche Zulassung des Wagens als "Anhänger" mit der Fahrzeugklassenbezeichnung "ANH BAUBUDE". Dabei ist unerheblich, ob, worauf der Antragsteller mit der Beschwerde abhebt, das Verwaltungsgericht den für die Beurteilung der Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Beseitigungsverfügung als maßgeblich angenommenen Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend bezeichnet hat. Im Ausgangspunkt ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bauordnungsrechtlichen Beseitigungsverfügung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.08.1992 - 4 B 161/92 -, NJW 1993, 2328). Ob dies auch im vorliegenden Kontext des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu gelten hat, bei dem eine abschließende Entscheidung des Antragsgegners über den Widerspruch des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung noch aussteht, kann dahinstehen. Denn ungeachtet der nachträglich teilweise veränderten Innenausstattung des Wagens, seiner zwischenzeitlichen Zulassung als Fahrzeug und ungeachtet mittlerweile aufgenommener Bautätigkeiten teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass das nach Angabe des Antragstellers "ausschließlich mit Ein-Mann-Unternehmen" zu bewerkstelligende Renovierungsvorhaben am Reetdach und an der Fassade seines Hotelgebäudes einer "Baustelleneinrichtung" der vom Antragsteller mit dem in Rede stehenden Wagen vorgehaltenen Größe erfahrungsgemäß nicht bedarf.

Es unterliegt auch keinem rechtlichen Zweifel, dass bereits allein der vorliegende Verstoß gegen das formelle Baurecht, auf den das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, das Beseitigungsverlangen des Antragsgegners und dessen auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gestützte sofortige Vollziehung zu rechtfertigen vermag. Bei der sofortigen Vollziehung einer bauaufsichtlichen Beseitigungsverfügung ist grundsätzlich zu beachten, dass der - nur durch ein Eilverfahren - bestätigte sofortige Abbruch von baulichen Anlagen die Hauptsache in unangemessener Weise vorwegnehmen und damit unzulässig sein kann, so dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug zu verneinen ist. Von diesem Grundsatz kann aber nach der Rechtsprechung auch des Senats (vgl. Urteil vom 16.12.1993 - 1 L 82/92 -, a.a.O. [Rn. 2 i.V.m. 5 und 9]) dann abgewichen werden, wenn die bauliche Anlage ohne wesentlichen Substanzverlust beseitigt werden kann bzw. wenn von der illegalen Baulichkeit eine erhebliche Nachahmungswirkung (negative Vorbildwirkung) ausgeht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.09.1996 - 11 B 1083/96 -, juris [Rn. 10] m.w.N.). Diese Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall einschlägig, denn der Wagen des Antragstellers, von dessen illegaler Aufstellung insbesondere in einem Bereich intensiver touristischer Grundstücksnutzung eine (negative) Nachahmungswirkung ausgeht, kann mittels eines Zugfahrzeuges problemlos und ohne Eingriff die Bausubstanz vom Grundstück entfernt werden. Die Notwendigkeit, für den Wagen einen Standort bzw. eine Unterstellmöglichkeit zu finden, an dem dieser zulässigerweise und genehmigt aufgestellt zu werden vermag, stellt weder die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsaufforderung noch dessen angeordneten Sofortvollzug in Frage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 152 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).