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VG Aachen, Beschluss vom 11.12.2019 - 10 L 1280/19

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.826,83 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag,

die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 10 K 3179/19 erhobenen Klage der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 1. Oktober 2019 hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage wiederherzustellen und hinsichtlich der Gebührenfestsetzung anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist nicht begründet, weil bei der im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes und dem Individualinteresse der Antragstellerin an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung vorliegend das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiegt. Die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 1. Oktober 2019 erweist sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig.

I. Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Mit dem hier in Rede stehenden und von der Antragstellerin gehaltenen Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen xxxx xxx wurde am 13. April 2019 um 16:22 Uhr außerhalb der geschlossenen Ortschaft in B. , B xx bei G. , gegen die dort mit Verkehrszeichen 274 i. V. m § 41 Abs. 1 StVO angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h verstoßen durch deren Überschreitung um 22 km/h (gemessene Geschwindigkeit toleranzbereinigt: 92 km/h). Dies ergibt sich aus den in der Verwaltungsakte enthaltenen Aufzeichnungen und Angaben der Geschwindigkeitsmessanlage. Anhaltspunkte dafür, dass die angezeigte Geschwindigkeitsübertretung nicht erfolgt ist oder durch ein anderes Fahrzeug begangen worden sein könnte, bestehen nicht.

2. Die Feststellung des Fahrzeugführers war ferner im Anschluss an diese Zuwiderhandlung nicht binnen der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG i. V. m. §§ 31 ff. OWiG) möglich.

Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Fahrtenbuchauflage sind regelmäßig dann erfüllt, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Bußgeldbehörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Zu den danach angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört in erster Linie, dass der Fahrzeughalter möglichst umgehend - im Regelfall innerhalb von zwei Wochen - von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine solche Benachrichtigung begründet für den Halter eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Lichtbild erkannten Fahrer benennt oder - insbesondere etwa auch, wenn der Fahrer auf dem Foto nicht zu erkennen ist - zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Bußgeldbehörde können sich im Weiteren an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ab und liegen der Bußgeldbehörde auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vor, ist es dieser regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 10. September 2019 - 8 B 774/19 -, juris, Rn. 3, und vom 15. Mai 2018 - 8 A 740/18 -, juris, Rn. 30 ff., m. w. N.; Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Auflage 2019, § 31a StVZO, Rn. 31, 33 ff., m. w. N.

Ausgehend hiervon ist ein für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers ursächliches Ermittlungsdefizit der Behörde nicht ersichtlich.

Die hier zuständige Bußgeldbehörde des Kreises E. gab der Antragstellerin bereits mit Anhörungs-/Zeugenfragebogen vom 24. April 2019 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Verkehrsverstoß vom 13. April 2019. Die Antragstellerin reagierte weder auf dieses Anhörungsschreiben noch auf ein Erinnerungsschreiben der Bußgeldbehörde vom 21. Mai 2019. Erst nach Erlass des Bußgeldbescheids vom 24. Juni 2019 legte sie gegen diesen telefonisch "Einspruch" ein und wies darauf hin, auf dem ihr zur Kenntnis gebrachten Foto sei der Fahrer nicht zu erkennen und könne daher auch nicht mitgeteilt werden. Die Bußgeldbehörde stellte das eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren auf Grund der schlechten Bildqualität und der nicht möglichen Fahrerermittlung daraufhin ein.

Ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit der Bußgeldbehörde ist bei dieser Sachlage nicht anzunehmen. Aus den Erklärungen der Antragstellerin im Rahmen des Bußgeldverfahrens ergaben sich keine Anhaltspunkte, an denen die Bußgeldbehörde ihre weitere Ermittlungstätigkeit hätte ausrichten können. Vielmehr verdeutlichen die (fehlenden) Ausführungen der Antragstellerin zu dem möglichen Fahrer, dass sie nicht bereit war, an der Aufklärung des mit ihrem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes mitzuwirken. Ohne ein aussagekräftiges Messfoto und ohne weiterführende Angaben der Antragstellerin durfte die Bußgeldbehörde vorliegend auf weitere zeitraubende und kaum Erfolg versprechende Aufklärungsmaßnahmen, etwa in einem nicht näher bestimmten Familienumkreis oder im nachbarschaftlichen Umfeld, verzichten.

Vgl. etwa Dauer, a. a. O., § 31a StVZO, Rn. 33 f., m. w. N.

3. Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage ist im Übrigen auch nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere ist die Auferlegung eines Fahrtenbuchs für eine Dauer von 9 Monaten nicht unverhältnismäßig.

a. Nach gefestigter höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung ist für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage und für die Einstufung der Schwere eines Verkehrsverstoßes auf das Punktesystem in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zurückzugreifen. Dabei ist bereits ab einem Punkt und auch bei einer ersten derartigen Zuwiderhandlung von einem erheblichen Verstoß auszugehen.

Vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 9. September 1999 - 3 B 94.99 -, juris, Rn. 2, und Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12.94 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschlüsse vom 15. März 2007 - 8 B 2746/06 -, juris, Rn. 20, m. w. N., und vom 27. Juli 2006 - 8 B 1224/06 -, juris, Rn. 6.

An dieser rechtlichen Wertung hat sich auch durch die zum 1. Mai 2014 in Kraft getretene Neuordnung des bisherigen 18 - Punktesystems auf ein 8 - Punktesystem im Verkehrszentralregister bis zur Entziehung einer Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG und der damit einhergehenden Änderung der Anlage 13 zu § 40 FeV nichts geändert.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 3 C 13.14 -, Rn. 21 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. März 2016 - 8 B 64/16 -, juris, Rn. 31 ff., und vom 13. Januar 2016 - 8 A 1217/15 -, juris, Rn. 8 ff.

Ausgehend davon hat der Antragsgegner zu Recht angenommen, dass es sich bei der zugrundeliegenden Tat vom 13. April 2019 um einen erheblichen Verkehrsverstoß handelt, da nach dem Punktesystem eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 22 km/h mit einem Punkt gemäß Ziffer 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV (i. V. m. Ziffer 11.3.4 der Tabelle 1c) des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zur BKatVO) zu bewerten ist. Der begangene Verkehrsverstoß erweist sich damit als ausreichende Grundlage für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage.

b. Auch die Dauer der angeordneten Fahrtenbuchauflage von 9 Monaten begegnet keinen Bedenken. Der Antragsgegner hat die Dauer der Fahrtenbuchauflage hinreichend begründet und ohne Ermessensfehler auf die Schwere des Verkehrsverstoßes abgestellt, der in dem genannten Punktesystem zum Ausdruck kommt. Die Dauer ist im Hinblick auf die Punktebewertung angemessen und stellt keine übermäßige Belastung dar. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat etwa den Erlass einer 12-monatigen Fahrtenbuchauflage bereits bei einem mit einem Punkt bewerteten und erstmalig begangenen Verkehrsverstoß als verhältnismäßig angesehen.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2018 - 8 B 233/18 -, juris, Rn. 9.

Die weiteren Anordnungen im streitgegenständlichen Bescheid (Ersatz- und Nachfolgefahrzeug, Vorlage des Fahrtenbuchs) begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.

Angesichts der danach nicht zweifelhaften Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage spricht ein überwiegendes öffentliches Interesse für deren Vollziehung. Besondere Umstände, die dennoch für ein privates Aufschubinteresse der Antragstellerin sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

II. Soweit sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag gegen die Gebührenfestsetzung im Bescheid des Antragsgegners vom 1. Oktober 2019 wendet, ist der Antrag bereits unzulässig. Denn die besondere Gerichtszugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO für ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist nicht gewahrt. Dem Akteninhalt nach hat die Antragstellerin vor der gerichtlichen Antragstellung weder einen - sachlich noch nicht beschiedenen - Antrag auf eine behördliche Aussetzung der Vollziehung gestellt (vgl. § 80 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 VwGO) noch droht eine Vollstreckung (vgl. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO).

Ungeachtet dessen ist der Antrag unbegründet, weil die Antragstellerin die Rechtmäßigkeit der Gebührenfestsetzung nicht ernstlich in Zweifel gezogen hat (vgl. zu diesem Maßstab § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 3 VwGO in entsprechender Anwendung). Nach dem zuvor Gesagten ist von der Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage als der der Gebührenfestsetzung zugrundeliegenden Amtshandlung auszugehen. Gesonderte Rügen gegen die mit der Fahrtenbuchauflage verbundene Kostenentscheidung (Festsetzung von Gebühren und Auslagen) hat die Antragstellerin nicht erhoben. Dass es an den Voraussetzungen der § 6a Abs. 1 Nr. 1a und Abs. 2 StVG i. V. m. § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) und dem Gebührentarif Nr. 252 der Anlage 1 zu § 1 GebOSt (für die Gebührenfestsetzung) bzw. § 6a Abs. 1 Nr. 1a und Abs. 2 StVG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt (für die Auslagenfestsetzung) fehlen könnte, ist nicht ersichtlich, zumal sich die festgesetzte Gebühr i. H. v. 105 Euro ohnehin im mittleren Bereich des zulässigen Rahmens (21,50 Euro bis 200 Euro) bewegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer orientiert sich dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OVG NRW,

vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 10. September 2019 - 8 B 774/19 -, juris, Rn. 12, und vom 26. März 2018 - 8 B 233/18 -, juris, Rn. 13,

an Ziffer 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach ist für jeden Monat der Dauer der Fahrtenbuchauflage ein Betrag von 400 Euro anzusetzen. Der sich daraus ergebende Betrag (9 x 400 Euro = 3.600 Euro) wird wegen der Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens auf die Hälfte reduziert; hinzuzurechnen ist ein Viertel der angefochtenen Kosten i. H. v. 107,32 Euro (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).

Lukas Jozefaciuk