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VG Düsseldorf, Urteil vom 26.06.2018 - 14 K 6037/17

Bei der Anfechtung eines Verkehrsverbotes, das durch Verkehrszeichen bekannt gegeben wird, kommt es für den Beginn der Klagefrist nicht auf subjektive Umstände oder Gedanken des Verkehrsteilnehmers an.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem Jahr 2007 Einwohner der Stadt S. . Er wendet sich mit seiner Klage gegen ein von der Beklagten angebrachtes Verbot für den Radverkehr (Verkehrszeichen 254), das an der Bundesstraße 000 (B 000) Richtung S1. etwa in Höhe der Einmündung der S2. Straße aufgestellt ist und bis S1. -O. gilt.

Es handelt sich bei diesen Straßenabschnitt um eine schnellstraßenähnlich ausgebaute Strecke der B 000 mit einer Länge von 2.531 Km. Dem Ausbau der Bundesstraße lag ein Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 1977 zu Grunde, der rechtskräftig ist. Im Zuge des Planfeststellungsverfahrens wurde einvernehmlich von allen Behörden festgelegt, dass der Rad - und Fußgängerverkehr weiterhin auf der S2. Straße geführt werden soll. Bei dieser Straße handelt es sich um die alte Trasse der B 000. Dementsprechend ist an der B 000 in baulicher Hinsicht, weder im Bereich der Strecke noch auf dem X.-------Viadukt eine befestigte Fläche für einen Rad-/Gehweg vorgesehen worden. Der Straßenabschnitt kann mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 Km/h befahren werden. Der fotografisch dokumentierte Streckenverlauf befindet sich in der Gerichtsakte. Das streitgegenständliche Verkehrsschild ist aufgrund einer Anordnung vom 10. September 1981 aufgestellt worden. Der Aufstellort ist aus dem Foto auf Bl. 18 des Verwaltungsvorganges ersichtlich.

Der Kläger fährt nach seinem Vortrag seit 2009 in S. mit seinem Fahrrad und nutzt seitdem regelmäßig die alte Trasse der B 000 (S2. Straße) auf seinem Weg an die X. (der übliche Weg des Klägers ergibt sich aus der Karte, die der Kläger von der Örtlichkeit im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, und zwar aus der grünen Markierung).

Mit E-Mail vom 18. April 2016 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte mit, dass ein Teil der S2. Straße zwischen 19:00 Uhr und 5:00 Uhr mit dem Zeichen 250 für alle Fahrzeuge gesperrt sei. Dies sei seine übliche Strecke nach/von S1. . Durch das Verbot habe er eine andere Strecke nach S1. fahren wollen, und zwar die B 000. Allerdings sei diese ebenfalls für Radfahrer gesperrt. Er habe erfahren, dass die Anordnung des Zeichens 254 aus dem Jahre 1981 sei. Er bitte daher um kurze Information, ob nach der StVO-Änderung 1997 geprüft worden sei, ob dort eine erhebliche Gefahrenlage für Radfahrer bestehe und bitte um Aufhebung des Radverbotes. Die Beklagte leitete die Anfrage an den Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen weiter.

Am 7. April 2017 hat der Kläger Klage erhoben.

Mit E-Mail vom 22. Mai 2017 teilte der Landesbetrieb Straßenbau NRW der Beklagten mit, dass die B 000 in dem fraglichen Abschnitt einen DTV-Wert (Durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke) von 11.627 (SV= 692) Kfz/24h aufweise. Es entziehe sich der Kenntnis des Landesbetriebes, aus welchem Grund es seinerzeit zu dem Fahrverbot gekommen sei. Der mittlere DTV-Wert für Bundesstraßen liege bei 10.681 Kfz/24 Stunden mit einem DTV-SV i.H.v. 1.145 Kfz/24h. Es werde seitens des Straßenbetriebes nicht davon ausgegangen, dass der Bereich eine erhebliche Gefahrenlage für den Radfahrer darstellen würde. Es sollte daher eventuell in einem Ortstermin geprüft werden, wie bei Aufhebung des Fahrverbotes eine sinnvolle und lückenlose Rad-Verkehrsführung geschaffen werden könne.

Unter dem 4. Juli 2017 sandte die Beklagte an den Landesbetrieb Straßenbau NRW eine Anordnung mit dem Datum "20.12.2016", mit der die Aufhebung des bestehenden Radverbotes auf dem fraglichen Streckenabschnitt angeordnet wurde. Die Anordnung enthielt keine Begründung.

Die Beklagte teilte dem Gericht die Aufhebung des Radverkehrsverbots vom 4. Juli 2017 mit und schloss sich einer eventuellen Hauptsacheerledigung seitens des Klägers an.

Mit E-Mail vom 17. August 2017 teilte der Landesbetrieb der Beklagten mit, dass die Anordnung zunächst nicht umgesetzt werden könne. Zum einen enthalte die Anordnung keine Begründung. Zum anderen habe der Landesbetrieb in der Stellungnahme darauf hingewiesen, dass der Lückenschluss für die Radfahrerführung (unter Umständen in einem Ortstermin) am Beginn und Ende der bisher gesperrten Strecke hergestellt werden müsse. Darüber hinaus könne das Verkehrszeichen auf dem Gebiet der Stadt S. nicht entfernt werden, solange aus der Gegenrichtung weiterhin ein Radfahrverbot aufrechterhalten bleibt, so dass die Stadt S1. einzubeziehen sei. Der Straßenbetrieb bitte daher um die Anberaumung eines gemeinsamen Termins.

Am 8. November 2017 hat ein Ortstermin stattgefunden, an dem neben einem Vertreter der Beklagten eine Vertreterin des Landesbetriebs Straßen NRW, ein Vertreter der Polizei X1. , ein Vertreter der Polizei P. Kreis sowie ein Vertreter der Stadtverwaltung S1. teilgenommen haben. Im Nachgang zu diesem Termin haben die jeweiligen Teilnehmer schriftlich gegenüber der Beklagten Stellung genommen. Alle Beteiligten haben sich gegen eine Freigabe des Teilstücks für Radfahrer ausgesprochen.

Unter dem 20. November 2017 hat die Beklagte die Aufhebung des bestehenden Radverbotes gegenüber dem Landesbetrieb zurückgenommen.

Der Kläger führt zur Begründung seiner Klage aus, dass diese zulässig sei, da er die Klagefrist gewahrt habe. Zwar habe er das Verbotsschild schon bei seinen früheren Fahrten seit 2009 wahrgenommen. Er sei von dem Schild aber erst betroffen gewesen, als auch die S2. Straße gesperrt gewesen sei. Daher habe auch erst dann die Klagefrist zu laufen begonnen. Vorher habe das Schild ihn deshalb nicht betroffen, weil er nicht den Willen gehabt habe, die ausgebaute B 000 zu benutzen.

Zudem fehle es an einer Ermessensausübung seitens der Beklagten, so dass ein Ermessensfehler in Form des Nichtgebrauchs vorliege. Auch habe die Beklagte keinerlei besondere Gefahren im Sinne des § 45 StVO aufzeigen können, die sie mit einem Verbot wie dem streitgegenständlichen bekämpfen dürfe. In keiner der Stellungnahmen der Teilnehmer des Ortstermins würden besondere Gefahren im Sinne des Straßenverkehrsrechts aufgezeigt. Es würden der tatsächliche und normative Regelfall beschrieben. Es sei z.B. nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Seitenstreifen von Radfahrern nicht genutzt werden dürfe.

Die gesamte Argumentation der Beklagten sei abwegig. Sie laufe auf eine Wiederherstellung der vor Inkrafttreten der StVO - Novelle von 1997 maßgeblichen Rechtslage, insbesondere eine Nichtanwendung des §§ 45 Abs. 9 Satz 3 StVO hinaus und verkehre das Regel - Ausnahmeverhältnis der StVO ins Gegenteil. Auch sei das streitgegenständliche Verbot widmungswidrig. Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schließe das Recht ein, die Bundesfernstraßen im Rahmen des Gemeingebrauchs mit allen nach StVO zulässigen Fahrzeugen zu benutzen. Eine Verkehrsregelung dürfe im Ergebnis nicht auf eine Beschränkung der Widmung der Straße durch vollständige Untersagung einer ganzen Verkehrsart hinauslaufen.

Der Kläger beantragt wörtlich,

1.die Anordnung des Verkehrszeichens 254 an der S2. Straße (B 000) etwa in Höhe der Querung des M. Baches, in Fahrtrichtung S1. in der Fassung der straßenverkehrsrechtlichen Anordnung vom 20. November 2017 aufzuheben,

2.die Beklagte zu verurteilen, das Verkehrszeichen zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben worden sei. Es sei kaum möglich, dass der Kläger sich dem Verkehrszeichen erstmals am 13. April 2016 gegenüber gesehen habe. Wenn man mit dem Rad von S. nach S1. fahre, komme man automatisch an dem streitgegenständlichen Verkehrszeichen vorbei, unabhängig davon, ob man mit dem PKW oder dem Fahrrad unterwegs sei. Die Beklagte habe Ermessen ausgeübt, da Möglichkeiten der zu treffenden Maßnahmen erkannt und gegeneinander abgewogen worden seien. Oberstes Ziel der Straßenverkehrsbehörde sei, noch vor der Gewährleistung der Leichtigkeit, die Sicherheit des Verkehrs. Mit der Strecke über die S2. Straße und den X.-----damm bestehe eine Strecke, die besser geeignet sei als die B 000. sie sei für die Allgemeinheit sicherer. Die mehr zu fahrenden ca. 400 m seien zumutbar. Dabei werde bei der Entscheidung der durchschnittlich geübte Verkehrsteilnehmer zugrunde gelegt. Dagegen zähle der Kläger als Vorsitzender der B. - Kreisgruppe S. zu den überdurchschnittlich geübten Radfahrern und sei insofern kein Maßstab für die Entscheidung. Das Individualinteresse des Klägers an der Nutzung der Bundesstraße und der damit verbundenen Freigabe für die Allgemeinheit gefährde leichtfertig und unnötig Leben und die Gesundheit der wenig oder durchschnittlich geübten Radfahrer und könne daher nicht über das Interesse der Allgemeinheit an einem größtmöglichen Maß an Sicherheit im Straßenverkehr gestellt werden.

Die Beteiligten sind in der mündlichen Verhandlung angehört worden. Die Beklagte hat ausgeführt, dass es sich bei dem Durchfahrtverbot, dem sich der Kläger im April 2016 gegenüber gesehen habe, um ein befristetes Fahrverbot handele, das die untere Landschaftsbehörde jedes Jahr verhänge, um die massenhafte Krötenwanderung im Bereich der M. Bach-Vorsperre nicht zu stören. Es werde allerdings ab dem nächsten Jahr eine Ausnahmeregelung für Radfahrer geben.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

Der Hauptantrag ist zwar als Anfechtungsklage i.S.d. § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da das Verkehrszeichen, gegen das sich der Kläger wendet, ein Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung darstellt, § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW).

Die Anfechtungsklage wurde indes nicht rechtzeitig erhoben. Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben, wenn - wie hier nach § 110 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO - die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht erforderlich ist. Wegen des Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung gilt hier allerdings die einjährige Rechtsmittelfrist, § 58 Abs. 2 VwGO. Die Allgemeinverfügung (Zeichen 254) wird gemäß § 43 VwVfG gegenüber einem Verkehrsteilnehmer in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt durch Aufstellen des Verkehrsschildes, vgl. § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 4 StVO. Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon "mit einem raschen und beiläufigen Blick" erfassen werden können, äußern sie ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer. Die Anfechtungsfrist wird jedoch erst in Lauf gesetzt, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 37/09 -, Rn. 16, juris, m.w.N..

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass er seit 2009 auf seinem Weg an die X. regelmäßig die alte S2. Straße benutze und zu diesem Zweck die B 000, von S. kommend, entweder an der Verkehrsinsel oder auf der Höhe der Linksabbiegerspur überquere. In beiden Fällen ist das Verbotsschild für den Radverkehr nicht zu übersehen. Das hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Dies bedeutet, dass die maßgebliche Jahresfrist im Zeitpunkt der Klageerhebung am 7. April 2017 längst überschritten war.

Anders als der Kläger meint, kommt es für den Lauf der Frist nicht darauf an, dass ein Verkehrsteilnehmer in dem Sinne von einem Schild betroffen wird, dass es eine Änderung der ursprünglich geplanten Handlungsweise bewirkt. Es kommt demnach nicht darauf an, dass der Kläger - wie er vorträgt - erstmals im April 2016 aufgrund des Verbotsschildes auf der alten S2. Straße die Absicht hatte, an Stelle seiner üblichen Strecke die ausgebaute Strecke der B 000 nehmen zu wollen und sich an der Verwirklichung dieser Absicht durch das Radverbotsschild gehindert sah. Denn ein Verkehrsteilnehmer wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits dann von einem Verkehrsschild betroffen, wenn er sich der Regelung des Verkehrszeichens erstmals gegenüber sieht. In diesem Zeitpunkt beginnt für ihn die Anfechtungsfrist zu laufen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 46/78 - juris.

Auf subjektive Umstände oder Gedanken des Verkehrsteilnehmers kommt es bei der Wirksamkeit eines Verkehrszeichens nämlich nicht an. "Betroffenheit" des Verkehrsteilnehmers ist nach der Definition des Bundesverwaltungsgerichts nämlich im Sinne des Wahrnehmens des Verkehrsschildes gemeint und nicht in dem Sinne, dass durch das Verkehrsschild eine Änderung des vorher beabsichtigten Geschehensablaufes bewirkt wird.

Vgl. zu der Unerheblichkeit subjektiver Umstände: BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996- 11 C 15/95 - juris.

Wiedereinsetzungsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.

Lukas Jozefaciuk