Verkehrsrecht | Unfall | Kanzlei | Anwalt | Rechtsanwalt | Dieselskandal | Abgasskandal | Autokreditwiderruf | Frankfur

View Original

VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.01.2017 - 9 K 6775/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der am geborene Kläger war – nach Neuerteilung unter dem 10. Dezember 2010 – Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen BE, C1E. Im Fahreignungsregister waren bzw. sind für ihn seitdem folgende Entscheidungen gespeichert:

Datum der Tat

Datum der Rechtskraft

Datum der Speicherung

Punkte

(alt)

Tatvorwurf

16.02.2011

27.04.2011

09.05.2011

Telefonieren am Steuer

26.07.2011

07.09.2011

21.09.2011

Telefonieren am Steuer

28.07.2011

01.11.2011

16.11.2011

Telefonieren am Steuer

14.09.2011

25.11.2011

06.12.2011

Telefonieren am Steuer

10.10.2011

05.04.2012

13.04.2012

Geschwindigkeitsüberschreitung

22.10.2012

06.12.2012

27.12.2012

Rotlichtverstoß

05.12.2012

18.06.2013

01.07.2013

Geschwindigkeitsüberschreitung

07.06.2013

20.11.2013

04.12.2013

Telefonieren am Steuer

Daraufhin wurde der Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 18. Dezember 2013, ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Postzustellungsurkunde am 20. Dezember 2013 zugestellt, verwarnt. Die Beklagte wies den Kläger auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar und die damit verbundene Möglichkeit des Punkteabzugs hin.

Nachfolgend wurde folgende Entscheidung in das Verkehrszentralregister eingetragen:

Datum der Tat

Datum der Rechtskraft

Datum der Speicherung

Punkte

(alt)

Tatvorwurf

16.12.2013

28.03.2014

08.04.2014

Geschwindigkeitsüberschreitung

Am 1. Mai 2014 wurden die im Verkehrszentralregister gespeicherten Verkehrszuwiderhandlungen in das Fahreignungs-Bewertungssystem eingeordnet und mit 5 Punkten bewertet.

Sodann wurde für den Kläger im Fahreignungsregister die folgende Entscheidung gespeichert:

Datum der Tat

Datum der Rechtskraft

Datum der Speicherung

Punkte

(neu)

Tatvorwurf

11.04.2014

10.07.2014

24.07.2014

Rotlichtverstoß

Daraufhin verwarnte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 18. August 2014, dem Kläger ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Postzustellungsurkunde am 20. August 2014 zugestellt, wegen des Erreichens von 6 Punkten (neu). Sie wies den Kläger auf die Möglichkeit hin, freiwillig an einem Fahreignungsseminar teilzunehmen ohne dass hierfür ein Punkteabzug erfolge, sowie darauf, dass bei Erreichen von 8 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen werde.

Sodann wurden für den Kläger im Fahreignungsregister die folgenden Entscheidungen gespeichert:

Datum der Tat

Datum der Rechtskraft

Datum der Speicherung

Punkte

(neu)

Tatvorwurf

11.06.2015

17.10.2015

02.11.2015

Vorfahrtsmissachtung mit Unfall

18.03.2016

10.05.2016

02.06.2016

Telefonieren am Steuer

Unter dem 26. Juni 2016 hörte die Beklagte den Kläger daraufhin zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Der Kläger widersprach der Entziehung und verwies darauf, dass er durch die Anhörung erstmalig Kenntnis von einem Verfahren betreffend den Unfall am 11. Juni 2015 erhalten habe. Gegen den entsprechenden Bußgeldbescheid habe er Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Unter dem 5. September 2016 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen. Zugleich wurde der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig verworfen.

Die Beklagte entzog dem Kläger die Fahrerlaubnis mit Ordnungsverfügung vom 23. September 2016, zugestellt am 4. Oktober 2016, und forderte ihn auf, den Führerschein unverzüglich abzuliefern. Des Weiteren setzte sie Gebühren und Auslagen in Höhe von 203,45 € fest. Der Kläger sei mit 8 Punkten belastet und damit gelte er als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die vorhergehenden Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem seien zuvor durchgeführt worden. Der die Ordnungswidrigkeit vom 11. Juni 2015 ahndende Bußgeldbescheid sei rechtskräftig und die Fahrerlaubnisbehörde sei an die entsprechende Entscheidung gebunden. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung sei nach telefonischer Auskunft der Bußgeldstelle F1.     nicht entsprochen worden. Folglich sei die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Der Kläger hat am 10. Oktober 2016 Klage erhoben und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.

Zur Begründung führt er aus: Er gehe davon aus, dass der Maßnahmenkatalog nach dem Punktesystem nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Zudem sei der Verkehrsverstoß vom 11. Juni 2015 streitig. Es sei Wiedereinsetzungsantrag gestellt und Einspruch eingelegt worden. Gegen den Verwerfungsbescheid sei Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Zudem sei er beruflich dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen.

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2016 hat das Amtsgericht F.     den Antrag auf gerichtliche Entscheidung betreffend den die Ordnungswidrigkeit vom 11. Juni 2015 ahndenden Bußgeldbescheid zurückgewiesen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da der Kläger nicht ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Einspruchsfrist einzuhalten.

Daraufhin trägt der Kläger weiter vor, die Nichtgewährung der Wiedereinsetzung sei offensichtlich zu Unrecht erfolgt. Das Amtsgericht sei in keiner Weise auf seinen Vortrag eingegangen. Er verweist insofern auf die auch dem Amtsgericht vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen von sich, wonach er erst am 22. Juni 2016 von dem Bußgeldbescheid Kenntnis erlangt habe, sowie von seiner Ehefrau, nach der er im Zeitraum vom September 2015 bis Dezember 2015 nicht im gemeinsamen Haushalt gewohnt und sie ihm das Schreiben auch nicht ausgehändigt bzw. davon berichtet habe. Er ist der Ansicht, dass der Bußgeldbescheid – wäre es zu einer Wiedereinsetzung gekommen – auch hätte aufgehoben werden müssen, da die Sache bei seinem Erlass bereits verjährt gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft zur Begründung im Wesentlichen die Argumentation aus der Ordnungsverfügung. Die Fahrerlaubnisbehörde sei in vollem Umfang an die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit gebunden. Es erfolge keine eigene erneute Prüfung. Da ihr kein Ermessen zustehe, müssten auch die für den Kläger mit der Entscheidung verbundenen Nachteile für seine berufliche und private Lebensführung hingenommen werden.

Mit Beschluss vom 6. Januar 2017 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die Sache ist durch die Einzelrichterin zu entscheiden, da die Kammer ihr den Rechtsstreit durch Beschluss vom 6. Januar 2017 gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen hat.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Vorliegend ist dies der 23. September 2016. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist mithin § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG in der Fassung vom 28. November 2014 (im Folgenden: n.F.). Danach gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte ergeben.

Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG n.F. hat die Behörde für das Ergreifen der Maßnahme auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt, dem 18. März 2016, ergaben sich für den Kläger acht Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.

Sie setzten sich zusammen aus dreizehn alten Punkten und drei neuen Punkten. Die dreizehn alten Punkte resultierten aus den rechtskräftigen Ordnungswidrigkeiten vom 16. Februar 2011, dem 26. Juli 2011, dem 28. Juli 2011, dem 14.September 2011, dem 10. Oktober 2011, dem 22. Oktober 2012, dem 5. Dezember 2012, dem 7. Juni 2013 und dem 16. Dezember 2013. Nach der Umrechnungstabelle für die Einordnung von Personen in das Fahreignungs-Bewertungssystem gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG n.F. werden aus dreizehn (alten) Punkten fünf (neue) Punkte. Die weiteren drei (neuen) Punkte beruhen auf den Ordnungswidrigkeiten vom 11. April 2014, 11. Juni 2015 und 18. März 2016. Dabei war die Tat vom 11. April 2014 mit einem neuen Punkt zu bewerten, da sie erst am 24. Juli 2014 im Fahreignungsregister gespeichert wurde, vgl. § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG n.F. Diese Übergangsvorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Vgl. ausführlich OVG NRW, Beschluss vom 20. August 2015 – 16 B 678/15 –, juris Rn. 2 ff. und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 2015 – OVG 1 S 90.14 –, juris Rn. 5 ff.

Bis zum 18. März 2016 hat sich der erreichte Punktestand von 8 Punkten auch nicht durch Tilgungen reduziert. Auf entsprechende Reduzierungen noch vor Erlass der Ordnungsverfügung am 23. September 2016 kommt es hingegen nicht an. Denn der Punktestand zum Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahme ist nach der Konzeption des Gesetzes, das das Tattagprinzip zugrunde legt (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 5 StVG n.F.), nicht maßgeblich; insbesondere eine spätere Verringerung des Punktestandes aufgrund von Tilgungen bleibt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG n.F. unberücksichtigt.

Vgl. nur Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. Rn. 83; Stieber, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StraßenverkehrsR, § 4 StVG Rn. 61.

Der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis steht auch nicht entgegen, dass der Kläger von dem Bußgeldbescheid betreffend die Ordnungswidrigkeit vom 11. Juni 2015 erst im Rahmen der Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis Kenntnis erlangt haben will und meint, ihm sei insofern zu Unrecht eine Wiedereinsetzung verwehrt worden, deren Gewährung zu einer Aufhebung des Bußgeldbescheides wegen Verjährung hätte führen müssen.

Trotz der Einwände des Klägers ist auch die Eintragung zur Vorfahrtsmissachtung vom 2. November 2015 (Tattag: 11. Juni 2015, Rechtskraft: 17. Oktober 2015) in die Punkteberechnung einzubeziehen. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Beklagte gemäß § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG n.F. an die rechtskräftigen Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gebunden. Diese gesetzlich angeordnete Bindungswirkung verwehrt den Fahrerlaubnisbehörden ebenso wie den Verwaltungsgerichten i.d.R. eine eigenständige Überprüfung der Richtigkeit der rechtskräftigen Entscheidung wegen des eintragungspflichtigen Verkehrsverstoßes.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Januar 2006 -– 16 B 2137/05 –, juris Rn. 2; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Februar 2013 – 10 S 2292/12 –, juris Rn. 4; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27. Januar 2017 – 4 MB 3/17 –, juris Rn. 9; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6. September 2016 – 9 K 3693/16 –, n.v.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 7 L 2706/16 –, juris Rn 13; Stieber, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StraßenverkehrsR, § 4 StVG Rn. 58.

Vorliegend ist die Entscheidung betreffend die Ordnungswidrigkeit vom 11. Juni 2015 rechtskräftig und entsprechend ins Fahreignungsregister eingetragen worden. Die Rechtskraft ist auch nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 52 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. §§ 44 ff. der Strafprozessordnung (StPO) durchbrochen. Der Antrag des Kläger auf gerichtliche Entscheidung gegen den Verwerfungsbescheid der Stadt F.     ist vielmehr durch Beschluss des Amtsgerichts F.     vom 12. Oktober 2016 (unanfechtbar) als unbegründet zurückgewiesen worden.

Die gesetzlich in § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG n.F. vorgesehene Bindungswirkung ist nicht verfassungswidrig. Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetz (GG) vor, da hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht bestehen. Allenfalls in Fällen evidenter inhaltlicher Unrichtigkeit kann wegen des Gebots materieller Gerechtigkeit im Einzelfall eine Abweichung von dieser Bindungswirkung in Betracht gezogen werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2013 – 16 B 904/13 –, juris Rn. 4 ff., sowie ausführlich VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 9 L 2647/16 –, juris Rn. 18 ff., jeweils m.w.N.

Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der Kläger trägt bereits nichts zur inhaltlichen Unrichtigkeit des Bußgeldbescheides i.e.S., also betreffend die (Nicht-)Begehung der geahndeten Tat vor. Sein Vortrag bezieht sich vielmehr auf einen formellen Gesichtspunkt, nämlich die fehlende Zustellung des Bescheides. In der Folge rügt er die fehlerhafte Beurteilung der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung durch die Stadt und das Amtsgericht. Abgesehen davon, dass die zu fordernde Evidenz auch insofern nicht bestehen dürfte, da Grundlage die Würdigung der maßgeblichen eidesstattlichen Versicherungen ist, betrifft sie nicht den Inhalt der Bußgeldentscheidung. Soweit über die Frage einer eventuellen Verjährung des zugrundeliegenden Verstoßes ein Zusammenhang zur im vorliegenden Verfahren zugrundegelegten Tat hergestellt werden soll, ist schon äußerst zweifelhaft, ob allein die Ahndung einer verjährten Tat einen Fall evidenter inhaltlicher Unrichtigkeit darstellen könnte. Denn insofern Betroffene hat die Zuwiderhandlung in dieser Konstellation begangen; das Institut der Verjährung – das selbst den Gesichtspunkt der materiellen Gerechtigkeit teilweise zugunsten des Prinzips der Rechtssicherheit einschränkt – lässt nur den Ahndungsanspruch zurücktreten. Jedenfalls kann aber auch der behauptete Eintritt der Verjährung erst aufgrund eingehender (Doppel-)Prüfung beurteilt werden, die nach dem Gesetzeszweck des § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG n.F. gerade ausgeschlossen werden soll. Die zu fordernde Evidenz ist jedenfalls nicht ansatzweise dargelegt.

Die Beklagte hat schließlich das Stufensystem des § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG n.F. eingehalten. Sie darf gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG n.F. eine Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder 3 StVG n.F. erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StVG n.F. bereits ergriffen worden ist.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 verwarnte die Beklagte den Kläger bei einem ihr bekannten Punktestand von zwölf (alten) Punkten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG in der Fassung vom 2. Dezember 2010 (a.F.) unter Hinweis auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar mit der damit verbundenen Möglichkeit einer Punktereduktion. Dass die Tat vom 16. Dezember 2013 bereits vor Erhalt dieser Verwarnung begangen wurde und der Kläger damit tatsächlich bereits 13 Punkte erreicht hatte, ändert schon deshalb nichts an der Ordnungsgemäßheit der Maßnahme, weil auch eine Berücksichtigung der Tat nicht zu einer anderen Maßnahme als der Verwarnung hätte führen können. Denn die Verwarnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F. hatte zu erfolgen sofern sich "acht, aber nicht mehr als 13 Punkte" ergeben. Insbesondere eine Reduktion des Punktestandes nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG a.F. kam damit nicht zum Tragen.

Mit Schreiben vom 18. August 2014 verwarnte die Beklagte den Kläger nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG n.F. auf zweiter Stufe wegen Erreichens von insgesamt sechs Punkten. Sie wies ihn dabei auf die Möglichkeit hin, freiwillig an einem Fahreignungsseminar teilzunehmen ohne dass hierfür ein Punkteabzug erfolge und unterrichtete ihn darüber, dass bei Erreichen von 8 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen werde. Eine Ermahnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG n.F. war nicht mehr erforderlich, da die Maßnahme der ersten Stufe bereits nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F. ergriffen worden war und allein die Einordnung in das Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG n.F. keine Maßnahme auslöst (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG n.F.).

Sowohl die Verwarnung nach altem Recht als auch die Verwarnung nach neuem Recht sind dem Kläger ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Postzustellungsurkunden ordnungsgemäß zugestellt worden. Das pauschale Bestreiten der ordnungsgemäßen Durchführung des Maßnahmenkatalogs vermag die Beweiskraft der entsprechenden Urkunden nicht in Frage zu stellen.

Da § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend vorsieht, sind Ermessenserwägungen durch die Beklagte zu Recht unterblieben.

Die in der Ordnungsverfügung enthaltene Aufforderung zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG.

Die Festsetzung der Gebühren und Auslagen ist ebenfalls rechtmäßig. Die Gebührenfestsetzung findet ihre Grundlage in § 6a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StVG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Die Verwaltungsgebühr in Höhe von 200,- € hält sich in dem von § 1 Abs. 1 GebOSt i.V.m. Nr. 206 der Anlage zu § 1 GebOSt gesetzten Rahmen von 33,20 € bis 256,- €. Die Auslagen in Form von Zustellkosten in Höhe von 3,45 € sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt von dem Kläger zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).