VG Köln, Beschluss vom 15.02.2019 - 14 L 75/19
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
Der sinngemäß gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums - 14 K 2977/18 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. Juli 2018 wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO statthaft. Der Klage kommt wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Bescheid vom 28. November 2018 nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt dem formalen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO. Der Antragsgegner hat ersichtlich auf den konkreten Einzelfall abgestellt und war sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst.
Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.
Die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Juli 2018 erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die in der Hauptsache erhobene Klage wird mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben.
Grundlage für die durch Ordnungsverfügung vom 11. Juli 2018 getroffene Festsetzung des Abholplatzes zur Leerung von Abfallbehältern und Abholung von Sperrmüll ist, soweit die Leerung von Abfallbehältern betroffen ist, § 14 Abs. 3 der Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt L. vom 22. Juni 2012 in der Fassung vom 1. Januar 2018 (Abfallentsorgungssatzung) und soweit die Abholung von Sperrmüll betroffen ist § 17 Abs. 6 Satz 2 Abfallentsorgungssatzung. Die vorgenannten Rechtsgrundlagen verpflichten den Antragssteller dazu, die Abfallbehälter bzw. den Sperrmüll an die nächstgelegene, durch das Sammelfahrzeug anfahrbare und zugängliche Stelle zu verbringen, wenn das Sammelfahrzeug nicht an das Grundstück des Antragsstellers heranfahren kann oder die Anfahrt aus verkehrstechnischen Gründen nicht zumutbar ist.
Die Voraussetzungen für die getroffene Anordnung liegen vor.
Das Sammelfahrzeug kann nicht an das Grundstück des Antragsstellers heranfahren. Die Abfuhr der Abfallbehälter vom Grundstück des Antragstellers ist vorliegend wegen der Lage des Grundstücks in einer schmalen Sackgasse/Stichstraße ohne ausreichend dimensionierte Wendemöglichkeit für Müllfahrzeuge und hierdurch bedingter unzureichender Zufahrtsmöglichkeiten rechtlich nicht zulässig.
Es ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte geklärt, dass rechtliche Hindernisse, die der Anfahrt eines Sammelfahrzeugs entgegenstehen, insbesondere aus straßenverkehrsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen folgen können.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2011 - 7 B 4.11 -, juris, Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 15 A 3232/17 -, juris, Rn. 10; BayVGH, Urteil vom 11. Oktober 2010 - 20 B 10.1379 -, juris Rn. 20 ff.; VG Münster, Urteil vom 19. Februar 2010 - 7 K 963/06 -, juris, Rn. 20.
Ein rechtliches Hindernis für die unmittelbare Anfahrt des Grundstücks des Antragstellers durch Müllfahrzeuge ergibt sich vorliegend aus arbeitsschutzrechtlichen Unfallverhütungsvorschriften, konkret aus den Vorschriften 43 und 44 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) - Müllbeseitigung,
vgl. zu diesen arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bzw. den Vorgängerregelungen BGV C27 und GUV-V C27 bereits explizit: BVerwG, Beschluss vom 17. März 2011 - 7 B 4.11 -, juris, Rn. 9; OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Dezember 2018 - 15 A 3232/17 -, juris, Rn. 10 und vom 6. August 2015 - 15 B 803/15 -, juris, Rn. 10; BayVGH, Urteil vom 11. Oktober 2010 - 20 B 10.1379 -, juris, Rn. 20 ff.; VG Münster, Urteil vom 19. Februar 2010 - 7 K 963/06 -, juris, Rn. 27.
Die DGUV Vorschrift 43/44 ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII erlassen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und schreibt zu diesem Zweck den Beschäftigten bestimmte Verhaltensweisen vor. § 16 Nr. 1 DGUV Vorschrift 43 und 44 bestimmt, dass Müll nur abgeholt werden darf, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist. Ergänzend und konkretisierend hierzu normiert § 16 Nr. 1 der DGUV Vorschrift 43 Durchführungsanordnung für Entsorgungsfahrzeuge bei der Abholung von Abfällen, dass in einer Sackgasse die Möglichkeit bestehen muss, am Ende der Straße zu wenden. Den Vorschriften liegt die typisierende Annahme zugrunde, dass Rückwärtsfahrten von Abfallsammelfahrzeugen in erhöhtem Maß gefährlich und unfallträchtig sind.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 15 A 3232/17 -, juris, Rn. 12.
Ein Wenden ohne Rückwärtsfahrvorgänge ist für die eingesetzten Entsorgungsfahrzeuge im vorliegenden Fall jedoch nicht möglich. Die Straße "O.-------weg " ist eine Sackgasse mit einer Zufahrt, die nach den Angaben des Antragsgegners eine maximale Breite von 2,50 m bis 2,75 m aufweist, die stellenweise noch durch Bewuchs eingeschränkt wird (vgl. Bl. 4, 5, 34 und 41 Verwaltungsvorgang). Dadurch ist der O.-------weg nicht ausreichend dimensioniert, um den eingesetzten Entsorgungsfahrzeugen, die nach den nicht in Frage gestellten Angaben des Antragsgegners eine Fahrzeugbreite von 2,55 m aufweisen, ein Wenden ohne jegliche Rückwärtsfahrvorgänge zu ermöglichen. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass die Straßenbreite 3,00 bis 3,05 m betrage, ist auch dann ein Wenden ohne Rückwärtsfahrvorgang nicht möglich.
Dieses rechtliche Hindernis entfällt auch nicht dadurch, dass der Antragssteller es der S. GmbH wohl grundsätzlich gestatten will, auf seinem privaten Hofgrundstück bzw. der Zufahrt zu wenden. Dabei verkennt der Kläger, dass bei der Betrachtung, ob ein rechtliches Hindernis nach den vorstehend genannten Vorschriften besteht, allein auf öffentliche Flächen abgestellt werden kann. Denn grundsätzlich dürfte ein Entsorgungsunternehmen gehalten sein, private Flächen nicht zu befahren, da die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens vor allem an der Oberflächenbefestigung bei (regelmäßigem) Befahren dieser Flächen mit den großen und schweren Fahrzeugen außerordentlich hoch.
Vgl. so auch VG Freiburg, Urteil vom 20. April 2011 - 4 K 1030/09 -, juris, Rn. 18.
Die Weigerung, die private Grundstücksfläche nicht zu nutzen, ist rechtlich deshalb nicht zu beanstanden. Dies gilt um so mehr, nachdem es im Juli 2017 zu Beschädigungen an einem Walnussbaum sowie der Hofbefestigung auf dem Grundstück des Antragsstellers durch ein Sammelfahrzeug der S. GmbH gekommen sein soll und der Antragssteller die Mitarbeiter der GmbH daraufhin ansprach und sie anhielt, künftige Beschädigungen zu vermeiden. Eine Verpflichtung, die private Grundstücksfläche zum Wenden zu nutzen, dürfte erst dann in Betracht kommen, wenn der Antragssteller einen vertraglichen Haftungsausschluss für Schäden an seinem Eigentum erteilt, was dieser jedoch bislang ablehnt. Im konkreten Einzelfall rechtfertigt sich die Forderung einer Haftungsfreistellung schon wegen des Verhaltens des Antragstellers, auf Grund dessen der Antragsgegner zu Recht davon ausgehend durfte, bei zukünftigen Beschädigungen des Grundstücks in Anspruch genommen zu werden. Dem Antragsteller steht es frei, die Haftungsfreistellung noch nachträglich zu erteilen.
Ist damit bereits wegen der vorbenannten arbeitsschutzrechtlichen Hindernisse die unmittelbare Anfahrt des Grundstücks des Antragstellers durch Entsorgungsfahrzeuge im Sinne von § 14 Abs. 3 bzw. § 17 Abs. 6 Satz 2 Abfallentsorgungssatzung nicht möglich, kann dahinstehen, ob sich weitere rechtliche Hindernisse für die Abholung von Abfallbehältnissen und Abfällen zusätzlich auch aus § 9 Abs. 5 StVO ergeben.
Da § 14 Abs. 3 bzw. § 17 Abs. 6 Satz 2 Abfallentsorgungssatzung dem Beklagten kein Ermessen einräumen, waren keine Ermessenserwägungen anzustellen.
Die getroffene Anordnung ist auch verhältnismäßig.
Dem Antragsteller ist es zuzumuten, seine Abfallbehälter und im Einzelfall gegebenenfalls anfallenden Sperrmüll von seinem Grundstück aus zu dem von dem Antragsgegner festgesetzten Abholplatz neben der L.----straße 00 zu verbringen. Dabei hat das Gericht allerdings Zweifel, ob die von dem Antragsgegner geschätzte Länge der Wegstrecke von 100-150 m zutreffend ist. Ebenso fragwürdig ist indes die Angabe des Antragstellers von ca. 300 m in der Klageschrift im Hauptsacheverfahren, wobei er später (Schriftsatz vom 13. August 2018) dann eine Distanz von 180 bis 240 m geltend machte. Auf Grundlage der Geodatenportals NRW dürfte die Strecke von dem Sammelplatz bis zu dem Haus des Antragstellers (Hausnr. 00) ca. 200 bis 215 m betragen. Die genaue Entfernung kann aber zumindest für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dahinstehen. Denn bei den genannten Entfernungen erschließt es sich dem Gericht nicht, aus welchem Grund die Verbringung der Behältnisse die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten soll. Gleiches gilt für das Verbringen von Sperrmüll zu dem festgesetzten Abholplatz, da dieser naturgemäß nicht wöchentlich, sondern - wenn überhaupt - nur an vereinzelten Terminen im Jahr anfällt. Daher kann auch insoweit vom Antragsteller verlangt werden, sperrige Abfälle zu den festgesetzten Abholplätzen zu verbringen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen des Antragstellers sind vorliegend nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Unabhängig hiervon dürfte der Antragsteller ggf. sogar verpflichtet sein, Dritte damit zu beauftragen, die Tonne an den Aufstellplatz zu verbringen, wenn er hierzu gesundheitlich nicht in der Lage wäre.
Schließlich spricht alles dafür, dass es für die Frage, ob die getroffene Anordnung zumutbar/verhältnismäßig ist, auf die Entfernung der Wegstrecke gar nicht ankommt. Denn wegen der besonderen Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens dürfte im konkreten Einzelfall keine Alternative zu dem Sammelplatz an der L.----straße in Betracht kommen. Soweit man die Entfernung für unzumutbar hält, dürfte dies nur betreffen, ob die betroffenen Grundstücke ausreichend erschlossen sind, nicht aber die Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnung in Zweifel ziehen.
Angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung und des mit ihr verfolgten Zwecks, zeitnah und zu jeder Zeit eine geordnete Beseitigung und Verwertung überlassungspflichtiger Abfälle aus privaten Haushaltungen sicherzustellen und Gefährdungen durch das Rückwärtsverfahren zu vermeiden, überwiegt das besondere öffentliche Interesse an der Vollziehung der angefochtenen Verfügung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.
Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.