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VG Minden, Beschluss vom 29.11.2019 - 2 L 1050/19

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 2.400,00 € festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihrer bei dem beschließenden Gericht erhobenen Klage vom 16.09.2019 - 2 K 2908/19 - hinsichtlich der in Ziffern 1. bis 3. der angefochtenen Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26.08.2019 verfügten Fahrtenbuchauflage wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung u.a. in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Im vorliegenden Fall entfaltet die Klage der Antragstellerin gegen die mit Ordnungsverfügung vom 26.08.2019 angeordnete Fahrtenbuchsauflage aufgrund der behördlicherseits erfolgten Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 4. der Ordnungsverfügung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung.

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den rechtlichen Anforderungen in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner war sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst und hat dies in der angefochtenen Verfügung hinreichend zum Ausdruck gebracht. Dem stehen auch möglicherweise formelhaft klingende Wendungen angesichts der Vielzahl vergleichbarer Verfahren, in denen es um Fahrtenbuchauflagen geht, und der jeweils sehr ähnlich gelagerten widerstreitenden Interessen in diesen Verfahren nicht entgegen.

Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung, die sich vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren orientiert, fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens erweist sich die streitgegenständliche Ordnungsverfügung vom 26.08.2019 als rechtmäßig.

Die Anordnung der Fahrtenbuchführung findet ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Diese Voraussetzungen lagen hier vor.

Mit dem auf die Antragstellerin zugelassenen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen Q. -T. wurde am 15.11.2018 um 19.20 Uhr im Kreis T1. -X. in C. -X1. auf der B , Höhe Abzweig L , die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 60 km/h nach Toleranzabzug um 33 km/h überschritten. Es handelt sich hierbei um eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 41 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG. Dass diese Zuwiderhandlung tatsächlich begangen wurde, steht aufgrund des in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners befindlichen Messfotos fest.

Die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Korrektheit der Messung und damit gegen das Vorliegen eines Verkehrsverstoßes greifen nicht durch. Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, muss er im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15.05.2018 - 8 A 740/18 -, juris Rn. 9, vom 16.06.2010 - 8 B 594/10 -, Beschlussabdruck S. 3, und vom 09.05.2006 - 8 A 3429/04 -, juris Rn. 4; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.06.1999 - 12 M 2491/99 -, juris Rn. 2.

Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, dürfen dabei nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden; mögliche Fehlerquellen brauchen in einem solchen Fall nur erörtert zu werden, soweit der Einzelfall dazu konkrete Veranlassung gibt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31.03.1995 - 25 A 2798/93 -, juris Rn. 3, im Anschluss an BGH, Beschluss vom 19.08.1993 - 4 StR 627/92 -, juris Rn. 21 und 25; OVG NRW, Beschlüsse vom 15.05.2018 - 8 A 740/18 -, juris Rn. 11, und vom 05.03.2015 - 8 B 1213/14 -, juris Rn. 5, m. w. N.

Von einer Geschwindigkeitsmessung im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens ist vorliegend auszugehen. Die verwendete Messanlage "Traffipax TraffiPhot S" (hier: Geräte-Nr. 593-031/60436) ist infolge der Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (Bauartzulassung: 18.11/90.29) im Sinne der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des beschließenden Gerichts ein standardisiertes Messverfahren.

Vgl. zur Zulassung des Messgeräts die Angaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) unter: https://www.ptb.de/cms/ptb/fachabteilungen/abt1/fb-13/ag-131/geschwindigkeitsueberwachungsgeraete.html.

Diese Einschätzung wird von der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Ordnungswidrigkeitenverfahren geteilt.

Vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 30.08.2016 - 1 SsBs 30/16 -, BeckRS 2016, 132151; OLG Köln, Beschlüsse vom 15.06.2016 - 1 RBs 167/16 -, juris Rn. 19, und vom 11.02.2003 - Ss 5/03 (Z) -, juris Rn. 22.

Das Antragsvorbringen setzt sich mit dieser Rechtsprechung nicht auseinander und zieht die amtliche Zulassung als solche nicht in Zweifel. Aufgrund der amtlichen Zulassung des Messgeräts steht die generelle Zuverlässigkeit und Geeignetheit fest.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.05.2018 - 8 A 740/18 -, juris Rn. 18.

Die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Eichbescheinigungen der Geschwindigkeitsmesseinrichtung sowie das bei der durchgeführten Messung erstellte Messstellenprotokoll sind öffentliche Urkunden, die den vollen Beweis der Funktionsfähigkeit der Messanlage und der Ordnungsmäßigkeit des Messvorgangs erbringen. Um diese gesetzliche Beweisregel zu erschüttern, hätte die Antragstellerin nach § 98 VwGO i. V. m. § 418 Abs. 2 ZPO substantiiert durch einen Beweisantritt, der den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufes hätte beinhalten müssen, dem Verwaltungsgericht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen darlegen müssen.

Vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 29.11.1999 - 12 L 4605/99 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 22.03.2012 - 14 L 321/12 -, juris Rn. 19; VG Braunschweig, Urteil vom 01.09.2005 - 6 A 98/05 -, juris, jew. m. w. N.

Hierfür genügt es nicht, das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung "ins Blaue hinein" zu hinterfragen. Eine Überprüfung im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes ist erst dann geboten, wenn der Fahrzeughalter auf Unstimmigkeiten der Messung oder deren Dokumentation hinweist oder auf andere Weise die Möglichkeit eines Messfehlers aufzeigt oder wenn sich der Behörde ohnedies die fehlende Plausibilität der Messung aufdrängen muss.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.12.2018 - 8 B 1018/18 -, juris Rn. 20.

Das Vorbringen der Antragstellerin genügt den vorstehend dargestellten Maßstäben nicht. Sie macht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

- OLG Hamm, Beschluss vom 07.02.2014 - 2 RBs 6/14 -, juris -

geltend, der dort in Bezug auf den hier streitgegenständlichen Messgerätetyp möglicherweise aufgetretene Messfehler, nämlich eine hohe Zahl an "Selbstannulierungen" durch das Gerät (im dortigen Fall: von 450 gemessenen Fahrzeugen wurden nur 335 verwertbare Aufnahmen generiert), sei möglicherweise auch im vorliegenden Fall aufgetreten. Dies ist jedoch ein auf reiner Spekulation basierendes bloßes Vorbringen "ins Blaue hinein", für das die Antragstellerin keinerlei tatsächlichen Anhaltspunkte aufzeigt. Für das Vorliegen gerade dieses Messfehlers spricht hier nicht das Geringste, zumal ausweislich des Messstellenprotokolls in der Zeit vom 09.11.2018 bis zum 16.11.2018 an der hier streitbefangenen Messstelle immerhin 26.807 Fahrzeuge gemessen und lediglich 151 Überschreitungen festgestellt wurden.

Die Feststellung des Fahrzeugführers war im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen Maßnahmen ergriffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung beurteilt sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß Erfolg haben.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14.05.1997 - 3 B 28.97 -, vom 09.12.1993 - 11 B 113.93 - und vom 21.10.1987 - 7 B 162.87 -, jeweils juris; OVG NRW, Urteil vom 29.04.1999 - 8 A 699/97 -, www.nrwe.de = juris; OVG NRW, Urteil vom 16.12.1983 - 19 A 816/83 -, juris.

Bei ihren Ermittlungen darf die Behörde Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit an den Erklärungen des Fahrzeughalters - bei anwaltlicher Vertretung auch an den Erklärungen des Rechtsanwalts - ausrichten. Der Fahrzeughalter kann insbesondere durch seine Angaben, etwa durch die Benennung eines überschaubaren Personenkreises, zu dem der verantwortliche Fahrer gehört, zusätzliche Ermittlungen erforderlich machen, bei deren Unterbleiben die Auferlegung eines Fahrtenbuches nicht mehr rechtmäßig erfolgen kann. Lehnt der Fahrzeughalter aber die sachdienliche Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Vgl. zum Umfang der Ermittlungsbemühungen: BVerwG, Beschlüsse vom 23.12.1996 - 11 B 84.96 -, vom 01.03.1994 - 11 B 130.93 -, vom 09.12.1993 - 11 B 113.93 -, jeweils juris, sowie Urteil vom 17.12.1982 - 7 C 3.80 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11.01.2008 - 8 B 2066/07 -, n.v., und Urteil vom 31.03.1995 - 25 A 2798/93 -, juris.

Aus welchen Gründen der Halter keine Angaben zur Sache macht, ist dabei unerheblich. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO setzt vor allem nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegt ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches behördliches Ermittlungsdefizit hier nicht vor. Es wurden vielmehr von der zuständigen Bußgeldstelle alle angemessenen Maßnahmen ergriffen, um den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln. So übersandte sie der Antragstellerin unter dem 26.11.2018 und erneut unter dem 10.12.2018 jeweils einen Zeugenfragebogen mit Geschwindigkeitsmessfoto, durch den ihr der Sachverhalt eröffnet wurde und mit dem sie aufgefordert wurde, die Personalien der verantwortlichen Person mitzuteilen. Hierauf antwortete die Antragstellerin nicht. Auch die daraufhin erfolgte Einschaltung des Ermittlungsdienstes der Stadt T2. zur Fahrerermittlung blieb ohne Erfolg, weil die Antragstellerin von einem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte. Weitere Ermittlungsansätze bestanden hierneben nicht.

Es kann hier offen bleiben, ob der Antragstellerin als juristische Person überhaupt ein Aussageverweigerungsrecht zugestanden hätte. Selbst wenn dem Geschäftsführer der Antragstellerin als tatsächlich zur Auskunft verpflichtete Person hier ein Aussageverweigerungsrecht zugestanden hätte, wäre die Ausübung dieses Rechtes für die spätere Verpflichtung der Antragstellerin, ein Fahrtenbuch führen zu müssen, ohne rechtliche Relevanz.

Ein dem Geschäftsführer der Antragstellerin möglicherweise zustehendes Aussageverweigerungsrecht steht nämlich der Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen, nicht entgegen. Höchstrichterlich ist geklärt, dass mit der Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen, das Recht des Betroffenen gewahrt bleibt, sich im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren auf ein etwa bestehendes Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht berufen zu dürfen. Das mit der Ausübung dieser Rechte verbundene Risiko, dass auch zukünftige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muss die Rechtsordnung hingegen nicht von Verfassungs wegen hinnehmen, weil sie sich damit für einen nicht unbeträchtlichen Teilbereich von vornherein der Möglichkeit begäbe, durch die Androhung von Sanktionen Verkehrsverstößen und den damit verbundenen Gefahren namentlich für andere Verkehrsteilnehmer im allgemeinen Interesse vorzubeugen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.12.1981 - 2 BvR 1172/81 -, juris; BVerwG, Beschlüsse vom 11.08.1999 - 3 B 96.99 -, vom 17.07.1986 - 7 B 234.85 - und vom 12.02.1980 - 7 B 82.79 -, jeweils juris; OVG NRW, Beschluss vom 27.02.2006 - 8 B 1224/06 -, juris.

Der Halter eines Kraftfahrzeugs hat kein doppeltes Recht, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern oder auch nur einfach zu unterlassen und andererseits trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22.06.1995 - 11 B 7.95 - und vom 01.03.1994 - 11 B 130.93 -, jeweils juris; OVG NRW, Beschluss vom 20.09.2005 - 8 A 2612/05 -, juris.

Dies gilt unabhängig davon, ob der Halter im Bußgeldverfahren zu seinem persönlichen Schutz von seinem Schweigerecht als Betroffener Gebrauch gemacht hat, oder ob er von einer Benennung des Täters oder zumindest des in Betracht kommenden Täterkreises absieht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.03.1994 - 11 B 130.93 - , juris; BayVGH, Beschlüsse vom 07.11.2008 - 11 CS 08.2650 -, vom 28.01.2009 - 11 CS 08.2202 - und vom 23.02.2009 - 11 CS 08.2948 -, jeweils juris.

Auch der zwischen Verkehrsverstoß am 15.11.2018 und erstmaliger Anhörung der Antragstellerin unter dem 26.11.2018 liegende Zeitraum ist hier unerheblich, selbst wenn man unter Berücksichtigung von Postlaufzeiten von einem Zeitraum von mehr als zwei Wochen ausginge. Zwar sind im Grundsatz die erforderlichen Ermittlungen durch die zuständige Behörde unverzüglich und mit angemessener Sorgfalt aufzunehmen, wobei der Halter binnen weniger Tage, regelmäßig innerhalb von zwei Wochen, über den Verstoß zu befragen ist, um die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten zu können. Denn nach der Rechtsprechung kann bereits nach 15 Tagen die Erinnerung an eine bestimmte Fahrt so verblasst sein, dass auch ein auskunftswilliger Halter nicht mehr in der Lage ist, den in Frage kommenden Fahrer zuverlässig anzugeben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.06.1987 - 7 B 139.87 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 29.04.1999 - 8 A 699/97 -, www.nrwe.de = juris; Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 31a StVZO Rn. 61.

Die Überschreitung der Zweiwochenfrist führt aber nicht zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit einer Fahrtenbuchanordnung. Die Zweiwochenfrist ist nämlich kein formales Tatbestandskriterium der gesetzlichen Regelung und keine starre Grenze. Ihre Nichteinhaltung ist unschädlich, wenn die Überschreitung des Zeitrahmens ausnahmsweise für die Unmöglichkeit der Fahrzeugführerfeststellung nicht ursächlich war.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.06.1987 - 7 B 139.87 -, juris; OVG Berlin, Urteil vom 14. Juni 2005 - 8 B 8.03 -, juris; Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 31a StVZO Rn. 62.

Eine verzögerte Anhörung ist für die unterbliebene Feststellung des Fahrers dann nicht ursächlich, wenn dem Halter ein zur Identifizierung des Fahrers ausreichendes Geschwindigkeitsmessfoto vorgelegt worden ist, da hier keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern an das Erkenntnisvermögen gestellt werden.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29.04.1999 - 8 A 699/97 -, www.nrwe.de, dort Rn. 37 (insoweit nicht bei juris), und vom 17.12.1998 - 25 A 1358/98 -, n. v.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.11.2004 - 12 LA 72/04 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.11.1998 - 10 S 2673/98 -, juris.

Kommt der Fahrer aus einem bestimmten Personenkreis und weigert sich der Halter, diesen Personenkreis zu nennen, so fehlt in aller Regel seine Mitwirkungsbereitschaft. Die Mitwirkungspflicht eines Fahrzeughalters ist dabei keineswegs deshalb ausgeschlossen, weil er sich nicht mehr genau an die Person erinnert, die tatsächlich gefahren ist, sondern nur den Kreis der möglichen Fahrer bezeichnen kann. Durch die Benennung eines derartigen Personenkreises können die behördlichen Ermittlungen nämlich wesentlich gefördert werden. Dies gilt auch dann, wenn ein Fahrerfoto vorliegt, welches aber schlechte Bildqualität besitzt und wenn klar ist, dass der Fahrer aus einem bestimmten Personenkreis kommt. Abgesehen davon, dass die Fähigkeit zur Identifizierung aufgrund des Bildes subjektiv ist, erhöht sich durch die Benennung des Personenkreises der mögliche behördliche Ermittlungserfolg, da die Täterfeststellung durch diese Täterkreiseingrenzung mit der Möglichkeit der Nachfrage gefördert wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.04.2008 - 8 B 491/08 -, juris; Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 31a StVZO Rn. 75, m. w. N.

Bei Firmenfahrzeugen ist es Sache der Leitung des Betriebs, die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass festgestellt werden kann, welche Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Fahrzeug benutzt haben. Es ist nämlich nicht Aufgabe der Behörde, innerbetrieblichen Vorgängen nachzuspüren.

Vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 12.12.2007 - 12 LA 267/07 -, juris; Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 31a StVZO Rn. 76.

Hieran gemessen liegt ein Verstoß der Antragstellerin gegen ihre Mitwirkungspflichten vor. Den Zeugenfragebögen vom 26.11.2018 und vom 10.12.2018 waren Lichtbilder des Fahrzeugführers von hinreichender Qualität beigefügt, die der Antragstellerin nach der Überzeugung der Kammer wenn nicht gar eine Identifizierung, so doch zumindest eine erhebliche, weitere Ermittlungsansätze gewährleistende Eingrenzung des möglichen Täterkreises erlaubt hätten. Insoweit hätte es der Antragstellerin oblegen, der Ermittlungsbehörde diejenige(n) Person(en) im Einzelnen zu benennen, die nach dem Foto als Fahrer in Betracht kamen. Dies hat sie unterlassen und damit ihre Bereitschaft zur Mitwirkung grundsätzlich in Frage gestellt.

Die Anordnung, für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen, ist vorliegend auch verhältnismäßig. Sie ist als Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs geeignet zu erreichen, dass künftig - zumindest innerhalb der nächsten zwölf Monate - die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist. Dazu ist sie auch erforderlich. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist insofern nicht ersichtlich. Die Fahrtenbuchauflage ist zudem auch angemessen. Die hier den Anlass gebende Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h stellt einen Verkehrsverstoß von ganz erheblichem Gewicht dar, der die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage rechtfertigt. Das Gewicht einer Verkehrszuwiderhandlung ist nach dem Punktsystem der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - zu bemessen. Dieses Punktsystem teilt die in das Fahreignungsregister einzutragenden Verkehrsstraftaten und -ordnungswidrigkeiten in drei Gruppen ein, denen eine nach der Schwere des Verstoßes gestaffelte Punktzahl zugeordnet ist. Die Gruppenbildung, die an die Einstufung im Bußgeldkatalog anknüpft, enthält eine typisierende Bewertung von Verkehrsverstößen nach dem Maße ihrer Gefährlichkeit. Sie bildet die Grundlage für die Beurteilung der tatbestandlichen Voraussetzungen jener Maßnahmen, die § 4 Abs. 3 StVG zum Schutz vor solchen Gefahren vorsieht, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern und -haltern ausgehen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG). Diese Zielsetzung des § 4 Abs. 3 StVG stellt zugleich einen wesentlichen Normzweck des § 31a StVZO dar, der die Ermittlung von Fahrzeugführern sicherstellen will, die Verkehrsvorschriften verletzen. Es entspricht daher in besonderer Weise dem Gleichbehandlungsgrundsatz, das Punktsystem als Ausgangspunkt für die Beurteilung von Verkehrszuwiderhandlungen im Rahmen der Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage als einer behördlichen Maßnahme im Vorfeld derjenigen Anordnungen zugrunde zu legen, die gemäß § 4 Abs. 3 StVG bei wiederholten Verkehrsverstößen zu ergreifen sind. Geht jeder einzelne den Vorgaben der Anlage 13 FeV entsprechend in das Fahreignungsregister eingetragene Punkt in ein "Punktekonto" ein, das bei Erreichen bestimmter Salden zwingend zu Anordnungen nach § 4 Abs. 3 StVG führt, erscheint die unter anderem das Ergehen solcher Maßnahmen sichernde Fahrtenbuchauflage auch bei erstmaliger Begehung einer mit wenigstens einem Punkt zu erfassenden Verkehrsordnungswidrigkeit erforderlich und angemessen, ohne dass es des Hinzutretens etwa einer unklaren Verkehrslage oder konkreter Gefährdungen bedarf.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.09.1999 - 3 B 94.99 - und Urteil vom 17.05.1995 - 11 C 12.94 -, jeweils juris; OVG NRW, Beschluss vom 13.06.2007 - 8 B 219/07 -, n. v., sowie Urteile vom 30.11.2005 - 8 A 280/05 - und vom 29.04.1999 - 8 A 699/97 -, jeweils juris.

Der hier in Rede stehende Verkehrsverstoß wäre nach lfd. Nr. 11.3.6 des Bußgeldkataloges (Anhang Tabelle 1 zu Nr. 11 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung) mit einem Bußgeld von 120,00 € und einem einmonatigen Fahrverbot sowie nach lfd. Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV mit einem Punkt im Fahreignungs-Bewertungssystem zu ahnden gewesen. Er rechtfertigt nicht nur die Auferlegung eines Fahrtenbuches, sondern unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Fahrtenbuchauflage von zwölf Monaten.

Die Bestimmung eines Ersatzfahrzeugs, für das die Fahrtenbuchauflage gelten soll, beruht auf § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO. Die weiteren in der Verfügung bestimmten Einzelheiten zur Führung eines Fahrtenbuches und die Pflicht zu seiner Aufbewahrung und Vorlage ergeben sich aus § 31a Abs. 2 und Abs. 3 StVZO.

Auch die allgemeine, von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Es liegt im besonderen öffentlichen Interesse, dass alles Erforderliche getan wird, um den bei Verkehrsverstößen oder Straftaten in Betracht kommenden Personenkreis so schnell wie möglich zu erfassen. Sinn und Zweck der Fahrtenbuchauflage ist es, Kraftfahrer mit mangelnder Einstellung zu den Verkehrsvorschriften zu ermitteln und geeignete Maßnahmen gegen sie ergreifen zu können. Die Effizienz behördlichen Handelns bei Sicherheitsgefahren wäre in Frage gestellt, wenn durch die Einlegung eines Rechtsmittels über einen längeren Zeitraum die Wirksamkeit der Maßnahme hinausgezögert werden könnte. Da das Führen eines Fahrtenbuches für die Antragstellerin auch keine allzu schwerwiegende Belastung mit sich bringt und über eine gewisse, mit geringem Zeitaufwand verbundene Belästigung nicht hinausgeht, überwiegt nach alledem das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragstellerin, zunächst von der Führung des Fahrtenbuches verschont zu bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt die Kammer hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage nach Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit einen Betrag von 400,- € je Monat (hier: 12 x 400 € = 4.800 €) zugrunde und reduziert diesen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Anwendung der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte (2.400 €).

Lukas Jozefaciuk