AG Beckum, Beschluss vom 28.08.2017 - 100 Lw 69/17
1. Ein Verstoß gegen das Verbot einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden (§ 9 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 GrdstVG) ist zu bejahen, wenn eine Hofübertragung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht indem der Übertragsnehmer in seiner eigenständigen Betriebsführung massiv eingeschränkt wird und sich jeweils mit dem Übertragsgeber abstimmen müsste
2.Eine bedingte Pflicht zur Rückübertragung des Hofes schließt die Möglichkeit des Übertragsnehmers, Investitionskredite aufzunehmen, aus und beeinträchtigt ihn so in der eigenständigen Betriebsführung (vgl. AG Beckum, Beschluss vom 12.12.2016, 100 Lw 89/16, [www.nrwe.de]).
3. Die wesentliche Einschränkung in der eigenständigen Betriebsführung ergibt sich wegen der Möglichkeit, gemäß §§ 883, 885 Abs. 1 S. 2 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eintragen zu lassen, auch ohne die Vereinbarung einer Eintragungsvormerkung.
Eine "Rückübertragung" des Hofes nach dem Tod des Übertagungsgebers und auf dessen Ehefrau schließt die Hoferben erster Ordnung zu gunsten einer Hoferbin zweiter Ordnung von der Hoferbfolgte aus und führt deshalb zur Versagung der Genehmigung einer Hofübertragung.
Tenor
1.
Der am ... Übertragsvertrag - Urkunden-Rolle- Nr. ...#/17 - wird landwirtschaftsgerichtlich nicht genehmigt.
2.
Die Gerichtskosten trägt der Beteiligte zu 2.) (Übertragsnehmer). Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
3.
Der Geschäftswert wird auf ...# Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1), die Übertragsgeber, sind zu je ein Halb Eigentümer des im Grundbuch von ... eingetragenen Hofs mit Hofstelle in ... Der Grundbesitz umfasst ca. 29 ha. Flächen von ca. ...# ha sind verpachtet, ...# ha hinzugepachtet, sodass etwa ... ha, im wesentlichen Ackerland, bewirtschaftet werden. Der Hof verfügt über etwa ... Mastschweinplätze.
Der Beteiligte zu 2), Sohn der Beteiligten zu 1) und Übertragsnehmer, ist Dipl. Agrar-Ingenieur und ... Er bewirtschaftet den betroffenen Hof seit dem ... [fast 10 Jahren] als Pachthof eigenverantwortlich im Nebenerwerb. Die valutierten Belastungen sind sehr gering, der zu versteuernde Gewinn erheblich.
Mit notariellem Vertrag vom ...#.2017 haben die Übertragsgeber den Hof mit schuldrechtlicher Wirkung zum ...2017 auf den Übertragsnehmer übertragen. Die bedingte Rückübertagung des Hofes ist in Ziffer 7 des Vertrags wie folgt vereinbart:
Der Übertragsnehmer bzw. dessen Erbe ist nicht berechtigt, den übertragenen Betrieb als Ganzes zu Lebzeiten der Übertragsgeber zu veräußern. Im Falle eines Verstoßes gegen die Verpflichtung können die Übertragsgeber vom Übertragsnehmer bzw. dessen Erben die Rückübertragung des Grundbesitzes auf sich oder von ihnen zu benennende Dritte verlangen.
Der Übertragsnehmer bzw. dessen Erbe ist auf Verlangen zur Rückübertragung verpflichtet wenn
a) er vor den Übertragsgebern verstirbt,
b) in den übertragenen Grundbesitz die Zwangsvollstreckung betrieben oder über das Vermögen des Übertragsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wird und es dem Übertragsnehmer nicht gelingt diese Maßnahmen innerhalb von drei Monaten abzuwenden.
Im Falle der Rückübertragung sind die Übertragsgeber verpflichtet, vom Übertragsnehmer nach der Übertragung des Besitzes vorgenommene Wertverbesserungen zu ersetzen.
Auf eine dingliche Sicherung des bedingten Rückübertragungsanspruchs wurde von den Übertragsgebern nach Belehrung verzichtet.
Die Antragsteller beantragen, den im Tenor genannten Hofübergabevertrag landwirtschaftsgerichtlich zu genehmigen.
Die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, die gleichzeitig auch für die land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung abgegeben worden ist, befürwortet die Genehmigung.
II.
Die landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung ist gemäß §§ 16, 17 Höfeordnung wegen der in Nr. 7 des Vertrages vorgesehenen bedingten Rückübertragung des Hofes zu versagen.
a)
Allerdings liegen die Voraussetzungen für eine Genehmigung des Übertragsvertrags im Übrigen vor.
Bei der übertragenen landwirtschaftlichen Besitzung handelt es sich um einen Hof gemäß der Höfeordnung. Angesichts der Ausbildung, des Hauptberufs und der von ihm seit Jahren erfolgreich durchgeführten eigenverantwortlichen Bewirtschaftung des Hofes steht die Wirtschaftsfähigkeit des Übertragsnehmers gemäß § 6 Abs. 7 HöfeO außer Zweifel. Die mit dem Übergabevertrag neu übernommenen Verpflichtungen sind für den Hof tragbar und angemessen. Es ist davon auszugehen, dass der Hof weiterhin wirtschaftlich erfolgreich geführt werden kann.
b)
Durch die Verpflichtung des Übertragsgebers, den Hof zurück zu übertragen, wenn in den übertragenen Grundbesitz die Zwangsvollstreckung betrieben oder über das Vermögen des Übertragsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wird und es dem Übertragsnehmer nicht gelingt diese Maßnahmen innerhalb von drei Monaten abzuwenden, in Verbindung mit der Möglichkeit, gemäß §§ 883, 885 Abs. 1 S. 2 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eintragen zu lassen, wird der Übertragsnehmer in seiner eigenständigen ordnungsgemäßen Betriebsführung in nicht vertretbarer Weise eingeschränkt, denn er ist bei Maßnahmen mit Finanzierungsbedarf jeweils auf das wohlwollende "Stillhalten" der Übertragsgeber angewiesen.
Eine Hofübertragung, die mit einer solchen Einschränkung der eigenständigen Betriebsführung einhergeht, läuft dem Ziel der Verbesserung der Agrarstruktur entgegen und verstößt gegen das Verbot einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden im Sinne vom § 9 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 GrdstVG. Deshalb führen Klauseln in Hofübergabeverträgen, die die Belastung und/oder auch nur teilweise Veräußerung des Hofes von der Zustimmung des Übergebers abhängig machen und/oder den Übernehmer für den Fall der Zuwiderhandlung zur Rückübertragung verpflichten, grundsätzlich zur Versagung der landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung aus grundstücksverkehrsrechtlichen und aus höferechtlichen Gesichtspunkten (OLG Celle Beschluss vom 21.02.2005 - 7 W 85/04 - und Beschluss vom 17.03.1997 - 7 W (L) 12/97 [je nach BeckOnline]; Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 9. Aufl. 2008; HöfeO § 17, Rn. 77; vgl. auch Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2016, HöfeO § 17, Rn. 43f).
Das Oberlandesgericht Hamm (ZWV 2009, 147f. [nach BeckOnline]; vgl. auch Düsing/Martinez, a.a.O., Rn. 21) hat den Vorbehalt eines Nießbrauchrechts ("Rheinische Übertragung")] für nur dann unbedenklich erklärt, wenn die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Hofes nicht gefährdet ist und der Übernehmer nicht auf unabsehbare Zeit an der selbstständigen und eigenverantwortlichen Hofbewirtschaftung gehindert wird. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 06.07.2012, V ZR 122/11, MDR 2012, 1148f. [nach BeckOnline]) hat ein vergleichbares Verfügungs- und Belastungsverbot in einem Vertrag zur Übertragung eines Landgutes mit ähnlicher Gedankenführung wegen einer Knebelung des Übertragsnehmers für sittenwidrig erklärt: Ein solcher Vertrag sei gemäß § 138 BGB nichtig, wenn nicht der Übernehmer von dem Übergeber die Zustimmung zu einer Verfügung (Veräußerung oder Belastung), die mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaft zu vereinbaren ist und den Zweck des Verfügungsverbots nicht wesentlich gefährdet, verlangen könne. Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof aus, die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten des Übernehmers werde sonst in einem Maße beschränkt, dass dieser seine Selbständigkeit und wirtschaftliche Handlungsfreiheit in einem wesentlichen Teil einbüße; das Verfügungs- und Belastungsverbot stelle sich damit als sittenwidrige Knebelung dar.
Durch den hier zu prüfenden Vertrag wird die Möglichkeit des Übernehmers, den Hof selbständig und eigenverantwortlich zu bewirtschaften auf nicht absehbare Zeit massiv eingeschränkt. Es ist allgemeinkundig und wird durch die landwirtschaftlichen Beisitzer überzeugend bestätigt, dass in der modernen Landwirtschaft Veränderungsprozesse immer wieder Investitionen sinnvoll oder gar zwingend werden lassen, die oft langfristig nicht absehbar sind. Solche Investitionen können in der Regel nur durch Grundstücksverkäufe oder Darlehen finanziert werden.
Die Erlangung solcher Darlehen setzt in der Regel die Möglichkeit der Absicherung durch Grundpfandrechte voraus. Eine Sicherung durch Grundpfandrechte ist nur möglich, wenn keine vorrangige Eintragungsvormerkung eingetragen ist. Würde ein Kreditinstitut sich zur der Absicherung eines Darlehens mit einer nachrangigen Grundschuld begnügen, müsste es in Kauf nehmen, dass im Falle des Eintritts der Bedingung der Hof lastenfrei zurückfällt und das Kreditinstitut seine Sicherung verliert.
c)
Zwar haben die Beteiligten auf die Vereinbarung einer dinglichen Sicherung des Rückübertragungsanspruchs verzichtet, jedoch verbleibt den Übertragsgebern jederzeit die Möglichkeit, eine Vormerkung aufgrund einer einstweiligen Verfügung eintragen zu lassen (§§ 883, 885 Abs. 1 S. 2 BGB).
Die Eintragungsvoraussetzungen werden von bedingten Ansprüchen regelmäßig erfüllt (vgl. § 883 S. 2 BGB). Zwar genießen bedingte und künftige Ansprüche nur dann Vormerkungsschutz, wenn für die künftige Gestaltung des Anspruchs nicht lediglich eine bloß mehr oder weniger aussichtsreiche tatsächliche Möglichkeit besteht, sondern bereits eine feste, die Gestaltung des Anspruchs bestimmende Grundlage (Rechtsboden) vorhanden ist. Denn ansonsten würde das Grundbuch mit einer unübersehbaren Zahl gesicherter Ansprüche überlastet, die möglicherweise nie zur Entstehung gelangten. Dies hätte eine faktische Sperre des Grundbuchs auf ungewisse Zeit zur Folge und beeinträchtigte zudem die Verkehrsfähigkeit des betroffenen Grundstücks. Jedoch entstehen bedingte Ansprüche im Gegensatz zu künftigen Rechten bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung und nicht erst mit dem Eintritt der vorgesehenen Bedingung. So kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass ein bei der Übertragung des Eigentums an einem Grundstück vorbehaltene Anspruch auf Rückübereignung in dem Falle, dass der Erwerber oder dessen Gesamtrechtsnachfolger sich als grob undankbar erweist, vormerkungsfähig ist (so BGH NJW 2002, 2461, 2462).
Ist also der Übertragsgeber mit einer Investitionsplanung des Übertragsnehmers nicht einverstanden, kann er leicht die Eintragung der Vormerkung durch eine einstweilige Verfügung erlangen. Ein Verfügungsgrund ist gemäß gem. § 885 Abs. 1 S. 2 BGB zu vermuten (!) (OLG Hamm, Urteil vom 04. November 2003 - 21 U 44/03 -, OLG Hamburg, Urteil vom 4. Mai 2012 · Az. 8 U 5/12 [beide nach Juris]). Die Vermutung ist zwar durch den Übertragsgeber (theoretisch?) widerlegbar, jedoch müsste der Übertragsnehmer "gerichtsfest" den Nachweis erbringen, dass die Investition kein wirtschaftliches Risiko darstellt und so den Rückübertragungsanspruch des Übertragsgebers nicht gefährdet. Im Gerichtsverfahren wird regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein. Ein solches Verfahren würde die Investition mindestens auf unabsehbare Zeit verhindern und so regelmäßig auch grundsätzlich gefährden.
Die Gefahr erachtet das Gericht als konkret, da die Erfahrung zeigt, dass die Einschätzung der Notwendigkeit von Veränderungen und Investitionen zwischen Übertragsnehmer und Übertragsgeber häufig deutlich abweicht. Verschärft wird diese Gefahr, wenn bei einem Übertragsgeber mentale Alterseinschränkungen auftreten oder gar eine gesetzliche Betreuung erforderlich wird und der Betreuer zu prüfen hat, ob er das Sicherungsmittel zur Wahrung der Interessen seines Betreuten ergreifen muss.
Zwar ist nach dem Vertrag die Veräußerung einzelner Grundflächen zum Zwecke der Beschaffung des Investitionskapitals zulässig. Jedoch erscheint dies auch angesichts der Größe des Hofes keine ausreicheichende Möglichkeit, die wirtschaftliche Freiheit des Übertragsnehmers hinreichend herzustellen.
d)
Ein weiterer - höferechtlicher - Versagungsgrund ergibt sich daraus, dass der Rückübertragungsgrund a), Vorversterben des Übertragsnehmers, dessen Abkömmlinge von der gesetzlichen Hoferbfolge nach dem Übertragsnehmer ausgeschlossen würden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 17.03.1997 - 7 W (L) 12/97 [BeckOnline]).
e)
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG. Es erscheint angemessen, den Hofübernehmer als - soweit ersichtlich - durch den Vertrag vorrangig begünstigter Person, die Kosten des gerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen. Auch die Erstattung außergerichtlicher Kosten der weiteren Beteiligten aufzuerlegen, bestand nach dem Verfahrensverlauf keine Veranlassung.
Der Gegenstandswert ist gemäß § 48 LwVG auf das Vierfache des Einheitswertes festzusetzen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Beckum, Elisabethstraße 15/17, 59269 Beckum, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
Die Beschwerde muss binnen einer Frist von zwei Wochen nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Beckum eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.