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OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.06.2019 - 8 B 821/18

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 29. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen das aufgrund der Verfügung des Antragsgegner vom 26. März 2018 für eine Teilstrecke der Landesstraße L707 zwischen Herscheid-Reblin und Meinerzhagen-Valbert getroffene Verkehrsverbot für Krafträder (Verkehrszeichen 255; teilweise mit Zusatzzeichen) gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO angeordnet.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene gerichtliche Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragsgegners aus. Bei summarischer Prüfung der in der Hauptsache erhobenen Klage wird diese keinen Erfolg haben, weil sich das streitgegenständliche Verbot für Krafträder derzeit als rechtswidrig erweist. Der Antragsgegner hat das ihm bei der Anordnung von Verkehrsverboten zustehende Ermessen nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO fehlerhaft ausgeübt. Zudem kann nicht festgestellt werden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO oder § 45 Abs. 1a Nr. 4 StVO vorliegen.

I. Im vorliegenden Fall nimmt der Antragsgegner drei Ermächtigungsgrundlagen für sein angeordnetes Verkehrsverbot in Anspruch: § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO (Sicherheit und Ordnung des Verkehrs, dazu unter 1.), § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO (Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm, dazu unter 2.) und § 45 Abs. 1a Nr. 4 StVO (Schutz der Erholungsfunktion in Landschaftsgebieten und Ortsteilen, dazu unter 3.). Alle Ermächtigungsgrundlagen eröffnen der Behörde ein Ermessen (dazu unter 4.).

1. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen - vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Ausnahmen nach Satz 4 bis 6 - nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (Abs. 9 Satz 3). Hierdurch wird § 45 Abs. 1 (bzw. Abs. 1a) StVO nicht ersetzt, sondern lediglich modifiziert.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. November 2010 - 3 C 42.09 -, juris Rn. 17, m. w. N., und vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 19.

Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO können insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z. B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 3 C 42.09 -, juris Rn. 26, m. w. N., sowie Beschluss vom 3. Januar 2018 - 3 B 58.16 -, juris Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.

Das Vorliegen einer Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO bestimmt sich nicht allein nach einem Aspekt, sondern wird von einer Gemengelage verschiedener Faktoren beeinflusst.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 2013 - 3 B 59.12 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.

Ihre Annahme setzt nicht voraus, dass sich ein Schadenfall bereits realisiert hat. In den regelmäßig vorliegenden Fällen, dass es bei der Verkehrsbeschränkung bzw. dem Verkehrsverbot um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben und bedeutende Sachwerte geht, wird auch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nicht gefordert. Entscheidend ist vielmehr, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke der Straße eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefahrenlage im Hinblick auf die durch § 45 StVO geschützten Rechtsgüter (z. B. Sicherheit des Straßenverkehrs, Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm) darstellt und die Befürchtung nahe liegt, dass ohne eine gefahrmindernde Tätigkeit der Straßenverkehrsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dort Schadensfälle eintreten werden.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 22, - 3 C 37.09 -, juris Rn. 27; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.

Die Beantwortung der Frage, ob eine solche qualifizierte Gefahrenlage besteht, bedarf einer Prognose, für deren Tatsachenbasis der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz maßgeblich ist.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 23, - 3 C 37.09 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.

2. Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken auch zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.

Ein solches Einschreiten setzt nicht voraus, dass gesetzlich bestimmte Schall- oder Schadstoffgrenzwerte überschritten werden; maßgeblich ist vielmehr, ob die Verkehrsimmissionen Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 = juris Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 8 A 3743/06 -, DVBl. 2009, 458 = juris Rn. 36, sowie Beschluss vom 28. März 2018 - 8 A 1247/16 -, n. v., S. 8 des Beschlussabdrucks.

Bei der Beurteilung der zumutbaren Lärmbelastung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO können die Vorschriften der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) jedoch grundsätzlich als Orientierungshilfe herangezogen werden.

Etwas anderes kann im Einzelfall gelten, wenn es um Motorradverkehr geht, der im Vergleich zum Gesamtverkehr in atypischer Weise hervortritt. Dieser weist eine spezifische Lästigkeit auf, der mit einer (uneingeschränkten) Heranziehung der Mittelungspegel nach § 3 der 16. BImSchV nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Daher kann je nachdem, ob der Motorradanteil - wie im Regelfall - im Gesamtverkehr untergeht oder - in atypischer Weise - in den Vordergrund tritt, neben der uneingeschränkten oder modifizierten Heranziehung der 16. BImSchV auch in Betracht kommen, von deren Anwendung abzusehen, um zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen.

Vgl. näher OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 8 A 3743/06 -, DVBl. 2009, 458 = juris Rn. 41-49.

3. Nach § 45 Abs. 1a Nr. 4 StVO i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken in Landschaftsgebieten und Ortsteilen, die überwiegend der Erholung dienen, beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten, wenn dadurch anders nicht vermeidbare Belästigungen durch den Fahrzeugverkehr verhütet werden können.

Die Bedingung im letzten Halbsatz von § 45 Abs. 1a StVO betont den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bereits auf Tatbestandsebene dieser Vorschrift.

Vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 45 StVO Rn. 33.

4. Sind die Voraussetzungen nach § 45 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 9 StVO gegeben, was in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt, verbleibt der Behörde für ihre Entscheidung, ob und wie sie eingreifen will, ein Ermessensspielraum, der nur beschränkt überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO).

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 1996 - 11 C 3.96, 11 B 11.96 -, juris Rn. 3.

Die Behörde muss eine Gesamtbilanz der Folgen unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls vornehmen. Zu prüfen ist, ob die Verhältnisse nur um den Preis gebessert werden können, dass an anderer Stelle neue Unzuträglichkeiten auftreten. Bei der Entscheidung über die Anordnung von Maßnahmen zum Schutz von Anliegern oder Erholungssuchenden hat die zuständige Behörde daher neben den Interessen der Betroffenen auch die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer sowie die Interessen der Anlieger anderer Straßen zu würdigen. Maßgeblich ist auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit sowie auf das Vorhandensein bzw. Fehlen einer Lärm- oder Abgasvorbelastung abzustellen. Von einer Maßnahme kann umso eher abgesehen werden, je geringer der zu beseitigende Missstand ist. Umgekehrt müssen bei erheblichen Missständen die entgegenstehenden Interessen von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese eine Maßnahme unterbleiben soll.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 = juris Rn. 15; OVG NRW, Urteil vom 9. Oktober 2012 - 8 A 652/09 -, juris Rn. 58, und Beschluss vom 22. Juli 2015 - 8 A 2499/11 -, n. v., S. 3 f. des Beschlussabdrucks.

Der Verkehrsbedeutung der in Rede stehenden Straße oder Straßenstrecke ist insbesondere bei verkehrsrechtlichen Sperrungen Rechnung zu tragen. Dies gilt namentlich in Bezug auf den Schutz von Anliegern und Erholungssuchenden in angrenzenden Landschaftsgebieten vor Lärm. Von den Anliegern von Bundesfernstraßen (einschließlich Ortsdurchfahrt) oder Landesstraßen muss wegen ihrer der Widmung entsprechenden Verkehrsbedeutung Verkehrslärm grundsätzlich ertragen werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 = juris Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 A 4997/96 -, NWVBl. 1998, 266 = juris Rn. 43, sowie Beschluss vom 9. Januar 2018 - 8 A 1562/17 -, n. v., S. 5 des Beschlussabdrucks.

Die Auswahl der Mittel, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Bei der Frage, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen den bestmöglichen Erfolg verspricht, steht der Straßenverkehrsbehörde aufgrund ihres Sachverstandes und ihres Erfahrungswissens eine Einschätzungsprärogative zu.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 35 f. m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 29.

Vor dem Ausschluss einer gesamten Gruppe von Verkehrsteilnehmern, aus der nur ein kleiner Teil für die Gefahrenlage verantwortlich ist, sind als milderes Mittel Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die geeignet sind, das unerwünschte Verkehrsverhalten in ausreichendem Maße zu erschweren. Mildere Mittel können nicht allein mit Blick darauf als nicht hinreichend geeignet verworfen werden, dass sie das unerwünschte Verkehrsverhalten nicht vollständig unterbinden können.

Die Straßenverkehrsbehörde kann für eine verkehrsrechtliche Anordnung, die einen Dauerverwaltungsakt darstellt, bis zu einer Entscheidung in der Tatsacheninstanz neue Umstände oder (neue) Ermessenserwägungen vorbringen. Erfolgt dies erst in einem laufenden Verwaltungsprozess, so muss sie jedoch unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst.

Vgl. zur nachträglichen Ergänzung von Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nur OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 12 ff. m. w. N.

II. Dies zugrunde gelegt, erweist sich das streitgegenständliche Verbot für Krafträder im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als rechtswidrig.

Zu Recht sind der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für ein Einschreiten jedenfalls nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 3 StVO gegeben sind (dazu 1.). Ob daneben auch die Tatbestände von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Abs. 1a Nr. 4 StVO erfüllt sind und für die von ihnen erfassten Schutzgüter eine qualifizierte Gefahrenlage nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO besteht, kann auf der Grundlage der unzureichenden Sachverhaltsermittlung des Antragsgegners nicht festgestellt werden (dazu 2.). Der Antragsgegner hat das ihm durch § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 3 StVO eingeräumte Ermessen fehlerhaft im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO ausgeübt (dazu 3.).

1. Jedenfalls in Bezug auf die Sicherheit des Straßenverkehrs (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StVO) sind der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht hinsichtlich des betroffenen Streckenabschnitts der L707 an der Nordhelle zu Recht von einer Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO ausgegangen, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht und das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigt.

Die besonderen örtlichen Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO stellen sich wie folgt dar: In dem vom streitgegenständlichen Fahrverbot betroffenen 1,8 km langen und ein Gefälle aufweisenden Streckenabschnitt befindet sich eine Kombination von drei langgezogenen (zwei davon etwa 180°), kurz aufeinander folgenden Kurven mit engem Radius, die bis zu 3,80 m bzw. 4,20 m breite Fahrstreifen und daneben befestigte Seitenstreifen aufweisen. Aufgrund dieses Profils und des damit verbundenen Beschleunigungspotenzials wird die Strecke seit mehreren Jahren gehäuft von solchen Kraftradfahrern aufgesucht, die in der Kurvenkombination auf leistungsstarken Maschinen mit bewusst risikoreicher Fahrweise ihr fahrerisches Geschick ausprobieren, trainieren bzw. - vor Ort sowie auf Videoplattformen - zur Schau stellen wollen. Zu diesem Zweck reisen Motorradfahrer häufig aus erheblicher Entfernung an. Viele von ihnen benutzen den Streckenabschnitt mehrfach in beide Richtungen mit zumeist deutlich überhöhten Geschwindigkeiten und rücksichtsloser Fahrweise, um die Kurven in extremer Schräglage - mitunter knieschleifend - zu durchfahren. Die Attraktivität der Kurven wird auch durch den infolge einer Fahrbahnsanierung seit 2009 guten Ausbauzustand der Straße begünstigt.

Nach durch entsprechende Statistiken belegter fachlicher Einschätzung stellt dieser Kurvenbereich seit Jahren einen Unfallschwerpunkt dar, wobei die Unfälle weit überwiegend von Kraftradfahrern verursacht worden sind. Das - für das Jahr 2017 auch vom Verwaltungsgericht dargestellte und anderen Straßen gegenübergestellte - Unfallgeschehen der vergangenen Jahre belegt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts im hier betroffenen Kurvenbereich an der Nordhelle das allgemeine Risiko eines Verkehrsunfalls deutlich übersteigt. Inwieweit dies auf eine missbräuchliche Straßennutzung zurückzuführen ist oder andere Ursachen hat, ist unerheblich. Denn auch das verkehrswidrige Nutzungsverhalten in diesem Bereich ist straßenverkehrsbezogen,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 1996 - 11 C 3.96, 11 B 11.96 -, juris Rn. 3; Bay. VGH, Urteil vom 28. Juni 2018 - 11 CS 18.964 -, juris Rn. 11,

und hat gemäß § 49 Abs. 9 Satz 3 StVO in den besonderen örtlichen Verhältnissen seine Ursache. Inwiefern die Annahme einer nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO zu verlangenden qualifizierten Gefahrenlage daneben auch auf Eingriffe Dritter in den Straßenverkehr gestützt werden kann, bedarf keiner Entscheidung.

2. Dass daneben auch die Tatbestandsvoraussetzungen von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Abs. 1a Nr. 4 StVO erfüllt sind und für die von ihnen erfassten Schutzgüter eine qualifizierte Gefahrenlage nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO besteht, lässt sich auf Grundlage der unzureichenden Sachverhaltsermittlung des Antragsgegners nicht feststellen.

Sowohl hinsichtlich der Wohnbevölkerung als auch der Erholungssuchenden im Naturpark stehen Störungen durch Lärm im Vordergrund. Dass und ggf. in welchem Maße die einschlägigen Lärmrichtwerte gemäß § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV bezogen auf die der L707 nächstgelegenen Außenbereichsgrundstücke überschritten sind, lässt sich anhand der Verwaltungsvorgänge und des weiteren Vorbringens des Antragsgegners nicht erkennen. Für die Ortschaft Reblin oder gar das Ortszentrum von Herscheid sind höhere Werte erst recht nicht zu erwarten. Die Bezugnahme auf Eingaben verärgerter Bürger genügt für solche Feststellungen nicht.

Auch wenn es hier in erster Linie um Lärm von Motorrädern mit seiner spezifischen besonderen Lästigkeit geht, die mit den Vorgaben der 16. BImSchV nicht in jedem Fall angemessen erfasst werden kann, entbindet dies den Antragsgegner grundsätzlich nicht von der Verpflichtung, im Rahmen der Sachverhaltsermittlung zunächst festzustellen, welcher Lärm durch den Verkehr allgemein und welcher Lärm konkret durch Motorradfahrer - insbesondere bei den hier betreffenden Fahrweisen - verursacht wird.

Konkreterer Sachverhaltsfeststellungen bedürfte es bei Annahme eines atypisch vorherrschenden Motorradverkehrs oder einer überwiegend funktionswidrigen Nutzung der L707 durch Motorradfahrer auch hinsichtlich der im Rahmen der Ermessensausübung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vorzunehmenden Interessenabwägung. Ausgehend von Lärmmessungen vor Ort wäre eine einzelfallbezogene Bewertung der konkreten Belastungssituation der zu schützenden Wohnbereiche vorzunehmen. In die Bewertung einfließen müssten neben Art und Intensität der Lärmimmissionen auch die Häufigkeit, der Zeitpunkt und die Dauer der Belästigungen sowie die Lärmvorbelastung.

Vgl. betreffend einen zu einer Motorradgaststätte führenden Privatweg mit ungewöhnlich hohem Motorradanteil am Gesamtverkehr: OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 8 A 3743/06 -, juris Rn. 77.

Nachvollziehbare Ermittlungen dazu lassen sich weder den Vorgängen des Antragsgegners noch dem weiteren Vorbringen entnehmen. Er hat keine Feststellungen dazu getroffen, wie der Lärm im Verhältnis zum sonstigen Verkehrslärm auf dieser Strecke zu bewerten ist. Soweit er im Laufe des Jahres 2018 Lärmmessungen vorgenommen hat, die im Abstand von drei Metern zur Straße Höchstwerte von über 100 dB(A) ergeben haben sollen, sagen diese unmittelbar nichts über konkrete Immissionswerte etwa bei einer Wohnbebauung aus.

3. Die Streckensperrung für Motorräder ist derzeit ermessensfehlerhaft. Der Antragsgegner hat - auch unter Berücksichtigung der ihm als Straßenverkehrsbehörde zustehenden Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Erfolgsaussichten möglicher Maßnahmen - bei der Mittelauswahl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend beachtet.

Soweit der Antragsgegner seine Anordnung auf § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO stützt, hat er sie mit den Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs begründet, die durch diejenigen Motorradfahrer verursacht werden, die den streitgegenständlichen Streckenabschnitt aufgrund seines Profils und Ausbauzustands zu bewusst risikoreichem Fahren (Knieschleifen) mit überhöhten Geschwindigkeiten, hoher Drehzahl und entsprechender Lautstärke aufsuchen und diesen mitunter mehrfach in beide Richtungen befahren sowie verkehrsgefährdende und übermäßig laute Fahrmanöver durchführen.

Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist den Interessen der Motorradfahrer an der Durchfahrt auf einer Landesstraße (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW) mit mindestens regionaler Verkehrsbedeutung in einem mit anderen Landes- und Bundesstraßen zusammenhängenden Netz Rechnung zu tragen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die L707 auch bei einem für den hier betroffenen Streckenabschnitt bestehenden Verkehrsverbot für Motorradfahrer von Meinerzhagener Seite bis zur Nordhelle hinauf befahrbar bliebe und dass dem Durchgangsverkehr über die L696, die L694 und die L539 eine Alternativstrecke - wenn auch mit Umwegen - zur Verfügung stünde.

Neue und ergänzende Ermessenserwägungen des Antragsgegners während des gerichtlichen Prozesses sind bei der Überprüfung der getroffenen Ermessensentscheidung hier schon deswegen nicht zu berücksichtigen, weil der Antragsgegner nicht unmissverständlich deutlich gemacht hat, ob diese Erwägungen Teil der Begründung der verkehrsrechtlichen Anordnung sein sollen. Aber auch, wenn man diese berücksichtigte, hat er sich nicht in hinreichendem Maße damit auseinandergesetzt, ob ein milderes, gleich geeignetes Mittel als die angeordnete Straßensperrung vorhanden ist.

Als solche Mittel kommen etwa Leitschwellen, die im gesamten Kurvenbereich entlang der Mittellinie verlegt werden (dazu a), oder eine Streckensperrung mit weitergehenden zeitlichen Beschränkungen (dazu b) in Betracht.

a) Nach Angaben der Polizei in der 4. Sitzung "Runder Tisch Motorradlärm" haben sich, worauf auch das Verwaltungsgericht abgestellt hat, in der Zeit, in der die Leitschwellen dort angebracht waren, in der "Applauskurve" keine statistisch erfassten Unfälle ereignet. Warum der Antragsgegner diese Maßnahme gleichwohl für ungeeignet hält, ist nicht hinreichend klar. Soweit er in der 4. Sitzung "Runder Tisch Motorradlärm" auf eine erhebliche Unfalldunkelziffer und eine aufgrund der Wetterbedingungen in 2017 geringere Nutzung der L707 durch die sogenannte "Raserszene" abgestellt hat, erfolgte dies ersichtlich nicht im Zusammenhang mit der Eignung von Leitschwellen, sondern im Hinblick auf die Einschätzung der Bezirksregierung, die Unfallsituation sei nicht ausreichend für eine Streckensperrung. Prognosen dazu, ob die Strecke auch im Falle einer Installation von Leitschwellen im gesamten Kurvenverlauf für den die Gefahrenlage verursachenden Personenkreis noch attraktiv zum Knieschleifen bleibt und demnach mit weiteren gefahrträchtigen Fahrweisen und lärmintensiven Auftreten dieser Szene zu rechnen wäre, lassen sich den Vorgängen des Antragsgegners nicht entnehmen.

Soweit der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 28. Mai 2018 darauf verwiesen hat, dass nach Einbau der Leitschwellen in der "Applauskurve" eine Zunahme der Motorradunfälle in der "Wasserbehälterkurve" zu verzeichnen gewesen sei, stellt er die Eignung der Leitschwellen, die dort eben nicht installiert waren, nicht in Zweifel. Falls die Leitschwellen in der "Applauskurve" entsprechend der Annahme des Antragsgegners tatsächlich eine Verlagerung des Unfallgeschehens in den weiteren, auch schon zuvor regelmäßig von Motorradunfällen betroffenen Streckenverlauf bewirkt haben sollten, spräche dies für ihre unfallverhindernde und womöglich auch die riskanten (und lauten) Fahrweisen minimierende Wirkung. Soweit der Antragsgegner das Fehlen polizeilich erfasster Motorradunfälle in der "Applauskurve" während des dortigen Vorhandenseins der Leitschwellen mit der pauschalen Behauptung erklärt, dass das Wetter in dieser Zeit selten für Mitglieder der Raser-Szene geeignet gewesen sei, steht dies im Widerspruch dazu, dass es im weiteren Kurvenverlauf im selben Zeitraum gleichwohl zu vier erfassten Motorradunfällen bei jeweils trockener Fahrbahn gekommen ist.

Mit seiner Behauptung einer beachtlichen Unfalldunkelziffer trägt der Antragsgegner keine belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass es im Bereich der "Applauskurve" während des Vorhandenseins von Leitschwellen gleichwohl zu Motorradunfällen gekommen ist. Der pauschale Verweis auf "Aussagen Dritter" in einzelnen E-Mails und die übermittelte Übersicht des Landesbetriebs Straßenbau NRW über fünf festgestellte Beschädigungen und den Zeitpunkt der Feststellung lassen weder den genauen Zeitpunkt noch den konkreten Ort eventueller Unfälle erkennen. Die Schadensmeldung bezieht sich auf den gesamten Abschnitt 5 der L707 und enthält lediglich zwei nach Art und Ort der Beschädigung nicht weiter konkretisierte Feststellungen, die womöglich kurz nach der in der Woche vom 17. bis 21. Juli 2017 durchgeführten Installation der Leitschwellen getroffen wurden; aus dem Feststellungsdatum lässt sich aber nicht schließen, dass auch der Eintritt der Schäden (Leitplanke und Leitpfosten) erst nach der Anbringung der Leitschwellen erfolgt ist.

Mit seiner Erwägung, dass Mittelschwellen ein Hineinschleudern eines Motorradfahrers in den Gegenverkehr nicht verhindern könnten, zeigt der Antragsgegner ebenfalls nicht auf, dass deren Installation im weiteren Kurvenverlauf kein geeignetes Mittel wäre, die Strecke für die kritischen Fahrweisen weitgehend uninteressant zu machen und dadurch die Gefahr bereits des Entstehens solcher Unfälle hinreichend zu minimieren. Es ist den Vorgängen und dem weiteren Vorbringen kein überprüfbarer Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der betreffende Streckenabschnitt auch nach Installation von Leitschwellen im gesamten Kurvenverlauf noch ein attraktives Ziel für die sogenannte "Knieschleifer"-Szene bleiben würde, die vom Antragsgegner für die Gefahrenlage an der Nordhelle - sowohl bezüglich der Verkehrssicherheit als auch hinsichtlich der sonstigen Schutzgüter - verantwortlich gemacht wird. Die Verwaltungsvorgänge enthalten zwar Berichte, wonach nach Anbringung der Leitschwellen gleichwohl zahlreiche Motorradfahrer zu offenbar missbräuchlichen, mehrfachen Nutzungen des Streckenabschnitts angereist sind und wonach sich die Lärmproblematik durch die Schwellen nicht verbessert habe. Diese beziehen sich jedoch auf einen Zustand, in dem die Attraktivität der weiteren zwei Kurven für Extremfahrer nicht durch Leitschwellen gemindert war. Selbst wenn in der "Applauskurve" extreme Schräglagen auch bei ausschließlicher Benutzung der jeweils rechten Fahrbahn möglich sein sollten, können die Schwellen mit ihren aufgesetzten Leitbaken (Zeichen 628 der Anlage 4 zur StVO) solche unerwünschten Fahrweisen beeinträchtigen, da sie den für Kurvenfahrten in Schräglage zur Verfügung stehenden Raum verkleinern. Die Annahme liegt nahe, dass sich die Beeinträchtigung im Falle einer Fortführung der Mittelschwellen im weiteren Kurvenverlauf verstärkt. Demnach hätte es einer Auseinandersetzung damit bedurft, inwieweit die Strecke trotz Leitschwellen in der "Applauskurve" gerade aus dem Grund attraktiv für die betreffende Szene geblieben ist, dass zwei der drei Kurven weiterhin keine Mittelschwellen aufwiesen.

Soweit der Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren erstmals anführt, dass Leitschwellen in der "Wasserbehälterkurve" Lastkraftwagen mit Langholztransporten wegen deren Schleppradien Probleme bereiten und gegenüber dem aus Richtung Meinerzhagen-Valbert fahrenden Verkehr zu einer Abbindung forstwirtschaftlicher Wege führen würde, liefert er hierfür keinerlei nachvollziehbare Anhaltspunkte und belässt es bei der pauschalen Behauptung. Dass das Befahren der L707 durch Langholztransporte oder sonstige Zugmaschinen mit Blick auf deren Schleppradien behindert würde, erscheint bereits vor dem Hintergrund fragwürdig, dass solche Probleme aus der Zeit der Installation von Leitschwellen in der "Applauskurve" trotz deren engen Radius und der vergleichbaren Fahrbahnbreite nicht aktenkundig geworden sind. Auch der Landesbetrieb Straßenbau NRW und die Polizei haben insoweit offenbar keine Probleme gesehen, da sie bei der 4. Sitzung "Runder Tisch Motorradlärm" die Anbringung weiterer Leitschwellen gegenüber einer Streckensperrung als vorzugswürdig erachtet haben. Gleichermaßen ist nicht ersichtlich, dass durch Leitschwellen in der "Wasserbehälterkurve" zwingend und in unvertretbarer Weise forstwirtschaftliche Wege zumindest von einer Fahrtrichtung der L707 abgeschnitten würden bzw. Langholztransporte nicht ohne Überfahren der Mittelschwelle auf die bzw. von der L707 abbiegen könnten. Zunächst ist nicht nachvollziehbar, ob und wann der im Scheitelpunkt der "Wasserbehälterkurve" abzweigende Weg forstwirtschaftlich durch Langholztransporte genutzt wird. Zudem ist nach Aktenlage nicht erkennbar, dass einer solchen Problematik nicht durch eine entsprechende Unterbrechung der Leitschwellen oder einen abschnittsweisen Verzicht auf die aufgesteckten Baken Rechnung getragen werden kann, ohne dass der Hauptzweck der Leitschwellen, die Eignung der Strecke für Hochgeschwindigkeits-Kurvenfahrten zu mindern, in Frage gestellt würde.

Dementsprechend ist Aktenvermerken in den Vorgängen auch zu entnehmen, dass über die in der "Applauskurve" installierten, aus Lagerbeständen des Landesbetriebs Straßenbau NRW stammenden Mittelschwellen hinaus im Jahr 2018 weitere Schwellen - also womöglich auch für die weiteren Kurven - bestellt werden sollten. Für welchen konkreten Bereich diese ursprünglich vorgesehen waren und warum es letztlich doch nicht zu einer Bestellung gekommen ist, lässt sich den zum Teil unchronologischen und wohl wesentliche Korrespondenz und Erwägungen nicht enthaltenden Vorgängen des Antragsgegners nicht entnehmen.

Hinsichtlich der vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren erstmals angeführten Kosten ist allein aufgrund der bloßen Behauptung nicht sicher, dass zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Winterdienstes tatsächlich alljährlich vor Wintereinbruch ein vollständiger Ausbau der Leitschwellen nötig wäre. Zudem werden auch die Kosten lediglich pauschal - ohne Nennung des jeweiligen Kostenträgers und ohne Gegenüberstellung mit den Kosten der Unterhaltung der Beschilderung für die saisonale Streckensperrung - behauptet.

b) Als weiteres geeignetes Mittel, um die durch die missbräuchliche Nutzung der L707 für extreme Kurvenfahrten im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO bewirkte Verschärfung der Gefahrenlage weitestgehend zu vermeiden, ist ein auf bestimmte Tage und Uhrzeiten beschränktes Verkehrsverbot für den Kraftradverkehr zu prüfen. Denn nach Aktenlage deutet alles darauf hin, dass die Motorradfahrer, die den Verkehr durch ihr Fahrverhalten gefährden, in erster Linie an Wochenenden und Feiertagen die L707 befahren, insbesondere wenn sie von weiter entfernt anreisen. An sonstigen Wochentagen scheint sich die missbräuchliche Nutzung der L707 weitestgehend auf die späten Nachmittags- und frühen Abendstunden zu beschränken. Anhaltspunkte dafür, dass das verkehrsgefährdende Verhalten an diesen Tagen zwischen den Morgen- und Nachmittagsstunden wenige Einzelfälle übersteigt, lassen sich weder den in den Vorgängen des Antragsgegners enthaltenen Eingaben, Polizei- oder Zeitungsberichten noch den Unfallstatistiken entnehmen.

Die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen konkreteren Darstellungen der Verkehrs- und Lärmsituation durch Bürger oder in Zeitungsartikeln beziehen sich weit überwiegend auf Wochenenden oder Feiertage. Soweit daneben vereinzelt Berichte über täglichen Motorradlärm zu finden sind, fehlt entweder eine genauere zeitliche Einordnung oder es wird ausdrücklich lediglich von den Nachmittags- oder Abendstunden gesprochen. Auch die Berichte über Geschwindigkeitsmessungen auf der L707, bei denen Krafträder mit Geschwindigkeiten von über 100 km/h, teils über 150 km/h festgestellt wurden, beziehen sich jeweils auf Wochenendtage. Im Übrigen fordern auch die meisten Bürger, die sich bei verschiedenen Behörden beschwert und sich für ein Verkehrsverbot für Krafträder ausgesprochen haben, lediglich eine Sperrung am Wochenende und an Feiertagen.

Gleichermaßen deuten auch die Unfallstatistiken darauf hin, dass sich die riskanten Fahrten der hier den Anlass für das straßenverkehrsbehördliche Einschreiten gebenden Personengruppe - und somit auch die Folgewirkungen (Lärm, Konflikte etc.) - auf Wochenenden und Feiertage oder auf spätere Tageszeiten konzentrieren. So hat sich im Jahr 2016 keiner der für den streitgegenständlichen Streckenabschnitt registrierten Motorradunfälle, die nicht an einem Wochenende oder einem Feiertag geschehen sind, vor 17:00 Uhr oder nach 19:20 Uhr ereignet. In den Jahren 2015 und 2017 wurde außerhalb von Wochenenden und Feiertagen nur je ein Unfall eines Kraftrades zu einem Zeitpunkt vor 17:50 Uhr registriert. Im Jahr 2014 fielen zwei Unfälle, die jeweils mit einem im Kreisgebiet des Antragsgegners zugelassenen, also nicht auswärtigen Motorrad aufgrund unangepasster Geschwindigkeit verursacht wurden, auf einen Mittwochnachmittag; die weiteren drei Unfälle mit Kraftradbeteiligung geschahen am Wochenende. Ähnlich verhielt es sich im Jahr 2013, in welchem sich sieben von neun Unfällen mit Kraftradbeteiligung am Wochenende oder nach 19:15 Uhr ereigneten; nur zwei jeweils unter einem Montag registrierte Motorradunfälle ereigneten sich zu früherer Stunde. Die im Beschwerdeverfahren angezeigten Motorradunfälle aus dem Jahr 2018 ereigneten sich allesamt samstags oder sonntags oder nach 17:00 Uhr. Zudem ereigneten sich der Unfall vom 30. Juni 2018 und der tödliche Unfall vom 19. August 2018 in einem von der angefochtenen Streckensperrung nicht betroffenen Abschnitt der L707 und der Unfall vom 13. Oktober 2018 außerhalb des Zeitraumes, für den die streitgegenständliche Streckensperrung angeordnet worden ist.

Dies hat der Antragsgegner nicht ausreichend berücksichtigt. Ausweislich eines handschriftlichen Vermerks (Bd. 4 der Verwaltungsvorgänge, Bl. 155) hat er zunächst Sperrungen nur an Wochenenden in den Blick genommen und insoweit vermerkt, dass 8 von 15 Unfällen (im Jahr 2017) unter der Woche geschehen seien. Dabei hat er bereits nicht beachtet, dass drei der nicht an einem Wochenende geschehenen Unfälle auf gesetzliche Feiertage fielen, auf die die Beschränkung eines Fahrverbots ohne weiteres hätte erweitert werden können (25. Mai 2017: Christi Himmelfahrt; 5. Juni 2017: Pfingstmontag; 15. Juni 2017: Fronleichnam). Soweit der Antragsgegner sodann Überlegungen angestellt hat, zu welchen Tageszeiten eine Sperrung mit Blick auf die Unfallzeitpunkte angezeigt sein könnte, hat er die Zeitspanne lediglich allgemein und ohne Differenzierung zwischen Wochenend- und Feiertagen sowie sonstigen Tagen betrachtet. Er hat dabei nicht in Erwägung gezogen, dass Beschränkungen durch Zusatzzeichen auch dergestalt in Betracht gekommen wären, dass ein Fahrverbot an Samstagen, Sonn- und Feiertagen ganztägig oder über eine längere Zeitspanne (z. B. 9:00-22:00 Uhr) und an (sonstigen) Montagen bis Freitagen nur für Zeiten ab dem späteren Nachmittag (z. B. 17:00-22:00 Uhr) angeordnet werden kann.

Soweit der Antragsgegner nun mit der Beschwerde pauschal behauptet, die L707 sei zwischenzeitlich teilweise vormittags von der Raser-Szene missbraucht worden, führt er dies im Zusammenhang mit einer Beschränkung auf Wochenenden und Feiertage an. Dafür, dass dies - über rechtlich zu vernachlässigende Einzelfälle hinaus - außerhalb von Wochenenden und Feiertagen der Fall gewesen sein könnte, bestehen nach Aktenlage und dem pauschalen Vorbringen keine überprüfbaren Anhaltspunkte. Gleiches gilt hinsichtlich der weiteren, mit der Beschwerdeschrift erstmals aktenkundig dokumentierten Erwägung, die bei vergleichbaren Streckensperrungen (z. B: B236 - Iserlohn/Schälk) gesammelten Erfahrungen seien Anlass gewesen, die Option einer Beschränkung des Fahrverbots auf Samstage, Sonn- und Feiertage als untauglich zu verwerfen.

Ob als weitere mildere Mittel verstärkte Kontrollen und - vom Straßenbaulastträger offenbar abgelehnte - bauliche Maßnahmen (Rüttelstreifen, Fahrbahnverschwenkungen, Mittelinsel) geeignet wären, um die Gefahrenlage in ausreichendem Maße zu bekämpfen, erscheint nach Aktenlage zweifelhaft.

Die Kostenentscheidung folgt aus den § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Lukas Jozefaciuk