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OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.01.2017 - 8 B 512/16

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 7. April 2016 wird geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage 18 K 7490/15 des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 2015 wird hinsichtlich der Nummern 1 und 2 b) wiederhergestellt und bezüglich der Nummer 4 angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Rechtszüge auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat (nur) in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende gerichtliche Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem Aufschubinteresse des Antragstellers fällt insoweit zu Gunsten des Antragstellers aus. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig, und auch hier, nur gebotenen summarischen Prüfung der Rechtslage ist von der Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 2015 auszugehen, soweit der Betrieb des Fahrzeugs sofort einzustellen ist (Nr. 1) und dem Antragsteller aufgegeben worden ist, binnen drei Tagen die Zulassungsbescheinigung I sowie die Kennzeichenschilder zwecks Entsiegelung vorzulegen (Nr. 2b).

1. Die Stilllegungsverfügung begegnet rechtlichen Bedenken.

Zwar wird mit dem Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, die ausführlich begründete Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller sei Halter des Fahrzeugs, dessen Stilllegung in Nr. 1 verfügt ist, nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Senat teilt die Einschätzung, dass unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller Eigentümer des Fahrzeugs geworden ist, er als dessen Halter anzusehen ist, weil er es (seit mehreren Jahren) für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt.

Halter ist derjenige, der die Nutzung aus der Verwendung zieht und die Kosten hierfür aufbringt. Die Verfügungsgewalt übt derjenige aus, der Anlass, Ziel und Zeit der Fahrten selbst bestimmen kann. Dabei ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angebracht, bei der es vor allem auf die Intensität der tatsächlichen Beziehungen zum Betrieb des Fahrzeugs ankommt. Auch ein Vermieter oder Verleiher verliert die Haltereigenschaft, wenn der Mieter bzw. Entleiher alle anfallenden Kosten trägt und das Kraftfahrzeug seinem Einflussbereich völlig entzogen ist, etwa weil sich das Kraftfahrzeug an einem entfernten Ort befindet und bzw. oder hinsichtlich der Nutzung des Fahrzeuges keine Weisungsbefugnisse mehr bestehen; dabei können langfristige Überlassungen an Dritte den Verlust der Halterstellung zur Folge haben.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 8 B 110/14 -, juris, Rn. 9, 11, 21.

Nach dem Akteninhalt und in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag trägt der Antragsteller alle anfallenden Kosten und verfügt über bestimmenden Einfluss über die Nutzung des Fahrzeugs.

Die Stilllegungsverfügung leidet aber an einem Ermessensfehler, worauf der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung hingewiesen hat. Insoweit kann dahinstehen, ob eine Stilllegung nach § 5 Abs. 1 FZV wegen des von der Antragsgegnerin angenommenen Verstoßes gegen die Pflichten des Antragsstellers aus § 13 Abs. 4 Satz 3 FZV möglicherweise deshalb nicht zulässig ist, weil insoweit allein die Aufbietung der Zulassungsbescheinigung gemäß § 13 Abs. 4 Satz 4 FZV als Spezialmaßnahme in Betracht kommen könnte,

vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 12. November 2008 - 7 B 2836/08 -, NJW 2009, 1764 = juris Rn. 13 ff.; S. auch Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, FZV § 13 Rn. 15,

oder es im Ermessen der Behörde liegt, welche dieser beiden Maßnahmen sie ergreift.

Gemäß § 5 Abs. 1 FZV kann die Zulassungsbehörde dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung erweist. Diese Vorschrift eröffnet der Behörde ein Ermessen.

Zur Ermessensausübung bei § 5 Abs. 1 FZV vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 9 B 289/14 -, juris Rn. 10; OVG Nds., Urteil vom 10. Februar 2011 - 12 LC 232/08 -, juris Rn. 22.

Der angegriffenen Stilllegungsverfügung ist eine ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 40 VwVfG NRW, § 114 Satz 1 VwGO) nicht zu entnehmen. Darin heißt es, nach einer Mitteilung habe der Antragsteller das Fahrzeug erworben, es liege aber keine Mitteilung über die Außerbetriebsetzung oder die Umschreibung des Fahrzeugs vor. Daher sei die Antragsgegnerin "verpflichtet" anzuordnen, dass der Betrieb des Fahrzeugs sofort einzustellen sei und das Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum nicht mehr betrieben werden dürfe. Auch wenn in der Begründung der Maßnahme der Wortlaut des § 5 Abs. 1 FZV zitiert wird, ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und ausgeübt hätte. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduktion auf Null legt die Antragsgegnerin nicht dar und sind auch nicht ersichtlich.

2. Wegen der gebotenen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Stilllegungsverfügung ist auch bezüglich der daran anknüpfenden, in Nr. 2 b) verfügten Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

3. Gegen die Rechtmäßigkeit der in Nr. 2 a) dem Antragsteller aufgegebenen Umschreibung des Fahrzeugs gemäß § 13 Abs. 4 Satz 3 FZV sind im Beschwerdeverfahren keine durchgreifenden Bedenken geltend gemacht. Insbesondere ist - wie ausgeführt - die Haltereigenschaft des Antragstellers zu bejahen. Dass dieser nicht über die Zulassungsbescheinigung II (Fahrzeugbrief) verfügen mag, steht der Umschreibung nicht entgegen, weil die Ausfertigung einer neuen Zulassungsbescheinigung II bei der Antragsgegnerin beantragt werden kann. Entgegen dem Beschwerdevorbringen liegt in dem Verstoß gegen die Handlungspflicht des § 13 Abs. 4 Satz 3 FZV auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Auch etwaige Ersatzansprüche des Antragstellers gegen die Verkäuferin des Fahrzeugs wegen der wohl verloren gegangenen Zulassungsbescheinigung sind für die Pflichten des Antragstellers nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung ohne Bedeutung; denn sie betreffen lediglich das privatrechtliche Innenverhältnis zur Verkäuferin des Fahrzeugs.

4. Die aufschiebende Wirkung der Klage ist hinsichtlich der in Nr. 4 enthaltenen Androhung des unmittelbaren Zwangs in Form der Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs anzuordnen. Die Zwangsmittelandrohung bezieht sich auf eine Nichtbefolgung sowohl der Nr. 1 als auch der Nr. 2. Da sowohl hinsichtlich der Nr. 1 als auch hinsichtlich der Nr. 2 b) der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg hat und insoweit rückwirkend der Suspensiveffekt der Klage eintritt, ist die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Nr. 4 insgesamt anzuordnen. Dass die Antragsgegnerin die zwangsweise Außerbetriebsetzung auch für den Fall angeordnet hat, dass der Antragsteller allein der - vollziehbaren, nur alternativ zu der nichtvollziehbaren Nr. 2 b) zu erfüllenden - Pflicht zur Umschreibung nicht nachkommt, lässt sich weder dem verfügenden Teil des Bescheids noch der Begründung zu Nr. 4 entnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Die Befugnis zur Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Nach dieser Vorschrift kann die Festsetzung von dem Gericht, das sie getroffen hat, und, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt, von dem Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden.

Von dieser Möglichkeit macht der Senat Gebrauch. Er bewertet sowohl die Stilllegung des Kraftfahrzeugs als auch das Gebot der Ummeldung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit jeweils einem Viertel des Auffangstreitwerts. Die nur alternativ zur Umschreibung verfügte Außerbetriebsetzung und die unselbständige Zwangsmittelandrohung erhöhen den Streitwert nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Lukas Jozefaciuk