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VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18.09.2019 - 9 L 1266/19

Liegen bei erstmaligem Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Trennungsgebot die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anordnung eines ärztlichen Gutachtens (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV) sowie der Anordnung einer medizinischpsychologischen Untersuchung (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV) vor, hat die Behörde - in Abhängigkeit der zu klärenden Eignungszweifel - die im Einzelfall verhältnismäßige Maßnahme auszuwählen.

Unterbleibt in einer Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, im Rahmen derer die Fahrerlaubnisbehörde keine Unterlagen übersendet, der Hinweis nach § 11 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz FeV, auf das Recht des Betroffenen, die "zu übersendenden Unterlagen" einzusehen, führt dies im Einzelfall nicht zur formellen Rechtswidrigkeit der Anordnung, vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - 1 S 47.17 -.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

3. Der Tenor soll den Beteiligten vorab telefonisch mitgeteilt werden.

Gründe

Die Einzelrichterin ist zuständig, nachdem ihr der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom 12. September 2019 zur Entscheidung übertragen worden ist, § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der wörtlich gestellte Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis, gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie gegen die Androhung eines Zwangsgeldes wird wiederhergestellt, hat keinen Erfolg.

Das Gericht legt den Antrag gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahin aus, dass der Antragsteller die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 9 K 3715/19 gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung begehrt.

Die Anträge sind zulässig, insbesondere statthaft.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO statthaft, weil die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet hat. Bezüglich der Zwangsgeldandrohung ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO statthaft, da diese gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 Justizgesetz NRW (JustG) kraft Gesetzes entfällt. § 112 Satz 1 JustG NRW bestimmt, dass Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen der Vollzugsbehörden gem. § 56 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land NRW (VwVG NRW) in der Verwaltungsvollstreckung richten, keine aufschiebende Wirkung haben.

Die Anträge sind nicht begründet.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 9 K 3715/19 gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis oder zumindest auf eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Formelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Der Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst macht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes notwendig erscheinen lassen. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch typisierte Begründungen ausreichen. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung ist die zu beurteilende Interessenlage in der großen Mehrzahl der Fälle gleich gelagert. In diesen Fällen ist stets zwischen den Gefahren für herausragend wichtige Schutzgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern und dem Interesse des Betroffenen abzuwägen, bis zur Hauptsacheentscheidung im Besitz seiner Fahrerlaubnis zu bleiben. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt.

Vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 13. Oktober 2006 - 11 CS 06.1724 -, juris Rn. 13; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. April 2012 - 3 M 47/12 -, juris Rn. 10.

Diesen Anforderungen wird die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung gerecht. Die Antragsgegnerin hat bezogen auf den Antragsteller und damit einzelfallbezogen insbesondere angeführt, die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung liege im öffentlichen Interesse, da der Antragsteller durch den Konsum berauschender Mittel keine Gewähr dafür biete, den hohen Anforderungen an einen Kraftfahrer im Straßenverkehr gerecht zu werden.

Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bzgl. der Fahrerlaubnisentziehung oder eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzgl. der Zwangsgeldandrohung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO scheiden aus.

Sie hängen von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht - für den Fall des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung - ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit.

Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses des Antragstellers einerseits - vorläufig weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen und von der Androhung eines Zwangsgeldes verschont zu bleiben - mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits - die Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr zum Schutze der anderen Verkehrsteilnehmer sofort zu unterbinden und zu diesem Zweck die Abgabe des Führerscheins mittels Zwangsgeldandrohung zu erzwingen -, dass den öffentlichen Interessen Vorrang einzuräumen ist. Denn bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung erweisen sich die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins und die Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig. Ferner liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die ein überwiegendes Aussetzungsinteresse begründen könnten.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis im Bescheid vom 30. Juli 2019 findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung - FeV -. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignet ist u.a. derjenige, der die notwendigen körperlichen oder geistigen Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG). Dies ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 FeV vorliegen, welche die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen.

Der Antragsteller ist gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde u.a. dann auf die Nichteignung eines Betroffenen schließen, wenn dieser ein von ihr zur Aufklärung von Eignungszweifeln gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Das setzt allerdings voraus, dass die Anordnung der Gutachtenbeibringung rechtmäßig ist,

BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 25/04 - juris Rn. 19,

und für die nicht fristgerechte Beibringung kein ausreichender Grund besteht.

OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2001 - 19 B 817/01 - juris Rn. 4.

Diese Voraussetzungen sind hier nach summarischer Prüfung erfüllt.

Die Anordnung ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist sie nicht deshalb rechtswidrig, weil sie keinen Hinweis gem. § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV auf das Recht des Antragstellers, in "die zu übersendenden Unterlagen" einzusehen, enthält.

Nach summarischer Prüfung wurden durch die Beklagte keine Unterlagen versandt und werden solche auch im Rahmen einer Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens grundsätzlich nicht übersandt. Dies spricht dafür, dass die Hinweispflicht bereits nicht bestand. Selbst wenn man davon ausginge, es bestehe nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV eine generelle Hinweispflicht auf die Möglichkeit der Akteneinsicht in "zu übersende Unterlagen", auch wenn im Einzelfall keinerlei Akten übersandt werden,

s. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - 1 S 47.17 - juris, Rn. 5.

führte der unterbliebene Hinweis vorliegend nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung. Das Fehlen des Hinweises wäre dann in analoger Anwendung des § 46 VwVfG NRW unerheblich. Ist offensichtlich, dass der versäumte Hinweis auf die Möglichkeit, die dem Gutachter zu übersendenden Unterlagen einzusehen, die Weigerung des Betroffenen, sich einer Begutachtung zu unterziehen, nicht beeinflusst hat, so ist er auch ohne Einfluss auf die Berechtigung, aus der unterlassenen Begutachtung auf die Nichteignung zu schließen, und damit auf die darauf gestützte Behördenentscheidung.

BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20/15 - juris Rn. 28.

Nach § 46 VwVfG NRW kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 VwVfG NRW nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Hier ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass der Kläger auch dann der Untersuchungsanordnung nicht nachgekommen wäre, wenn er den Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die "zu übersendenden Akten" erhalten hätte. Dieser Hinweis hätte ihm lediglich die Möglichkeit eröffnet, bei der Antragsgegnerin nachzuforschen, ob Akten übersandt werden. Eine Einsichtnahme hätte nicht erfolgen können, da davon auszugehen ist, dass keine Akten übersandt wurden. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Antragsteller dadurch in seiner Entscheidung, der Begutachtungsaufforderung nicht nachzukommen beeinflusst worden wäre. Seine Entscheidung, sich keiner Begutachtung zu unterziehen, war offensichtlich nicht davon abhängig, dass er von der Antragsgegnerin nicht auf die lediglich theoretische Möglichkeit der Akteneinsicht hingewiesen wurde.

Die Anordnung ist auch materiell rechtmäßig.

Die Antragsgegnerin, durfte zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung,

st. Rspr. s. nur BVerwG, Urteile vom 11. April 2019 - 3 C 14.17 - juris, Rn. 11 und vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3.13 - juris, Rn. 13,

ein ärztliches Blutgutachten zur Überprüfung der aktuellen Konsumgewohnheiten des Antragstellers anordnen. Die Gutachtenanordnung vom 27. Juni 2019 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ist ein Gutachten anzuordnen, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetztes vorliegt. Nach dem Wortlaut würde schon allein die gelegentliche oder einmalige Einnahme von Cannabis zur Gutachtenanordnung berechtigen. Da aber der einmalige oder gelegentliche Cannabiskonsum die Fahreignung unberührt lässt, wenn nicht zusätzlich erschwerende Umstände (z.B. Hinweise auf mangelnde Trennung von Konsum und Verkehrsteilnahme) vorliegen, verstieße die Überprüfung der Kraftfahreignung allein aufgrund eines einmaligen oder gelegentlichen Cannabiskonsums gegen das Übermaßverbot. Eine verfassungskonforme Auslegung von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV setzt somit bei Cannabiskonsum tatsächliche Anhaltspunkte für ein Konsum- oder Bevorratungsverhalten voraus, das - anders als ein bloß gelegentlicher Cannabiskonsum oder nur auf gelegentlichen Cannabiskonsum hindeutende Besitz- oder Beschaffungsmengen - Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges rechtfertigt. Es bedarf damit tatsächlicher Anhaltspunkten für gelegentlichen Konsum und für die Annahme eines der in Nr. 9.2.2 Anlage 4 zur FeV genannten zusätzlichen Elemente oder Anhaltspunkte für regelmäßigen Konsum.

BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, juris, OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Mai 2009 - 16 B 114/09 - juris Rn. 9 und vom 15. März 2007 - 16 A 3899/05 - www.nrwe.de Rn. 28ff.; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 14 FeV, Rn. 14.

Verdachtsmomente für einen möglicherweise regelmäßigen Konsum in Verbindung mit der in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV genannten Tatbestände liegen hier vor. Der Antragsteller hat bei der Fahrt am 25. April 2019 den Konsum von Cannabis nicht in der erforderlichen Weise vom Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt; darin liegt ein Verstoß gegen das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4, der Zweifel an seiner Fahreignung begründet (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV).

Der Antragsteller wurde am 25. April 2019 um 1:30 Uhr im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle als Fahrer eines Kraftfahrzeugs angehalten und ihm wurde um 3:00 Uhr eine Blutprobe entnommen, nachdem die eingesetzten Beamten Cannabisgeruch aus dem Fahrzeuginneren wahrnahmen (Einsatzbericht Bl. 19 der Beiakte). Die Beamten stellten bei dem Antragsteller zudem stark verkleinerte Pupillen, distanzloses Auftreten, schwankende Körperbewegung bei Durchführung des Romberger Tests sowie flackernde Augenlider fest. Zudem sei es dem Antragsteller bei geschlossenen Augenlidern nicht gelungen, die Fingerspitzen zusammenzuführen (Einsatzbericht Bl. 19 ff., 68 der Beiakte).

Die Blutprobe enthielt nach dem toxikologischen Gutachten, des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen vom 16. Mai 2019, (Bl. 44 ff. der Beiakte) eine über dem Grenzwert von 1,0 ng/l liegenden Konzentration des psychoaktiven Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC),

zur Beachtlichkeit dieses Grenzwertes vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 14.17 - juris, Rn. 34,

nämlich 2,3 ng/ml THC-Metabolit (THC-11-OH) und 34 THC Metabolit (THC-COOH = THC- Carbonsäure).

Bei summarischer Prüfung ist zudem von zwei selbstständigen Konsumvorgängen und damit dem gelegentlichen Konsum im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 3 FeV,

st. Rspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 11. April 2019 - 3 C 14.17 - juris, Rn. 14 und vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3.13 - juris, Rn. 16 ff.,

auszugehen.

Am 29. April 2019 wurde der Antragsteller um 0:45 Uhr erneut im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten und die Beamten nahmen ausweislich des Einsatzberichts (Bl. 43 der Beiakte) einen "starken Cannabisgeruch" im Fahrzeug wahr. Sie protokollierten, der Antragsteller habe angegeben, gelegentlich Marihuana zu konsumieren (Bl. 43 der Beiakte, sowie Ordnungswidrigkeitenanzeige Rückseite von Bl. 102 der Beiakte). Die um 1:16 Uhr entnommene Blutprobe enthielt nach dem toxikologischen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen vom 22. Mai 2019 (Blatt 49 ff. der Beiakte) eine Konzentration von 0,75 ng/ml THC-Metabolit (THC-11-OH) und 5,7 THC Metabolit (THC-COOH = THC- Carbonsäure).

Diese Werte sind nicht, wie vom Antragsteller behauptet, durch einen einmaligen (Probier-)Konsum, der bereits der Kontrolle am 25. April 2019 zugrunde lag bzw. durch einen eine Woche zurückliegenden Konsum zu erklären.

Nach einem Einzelkonsum ist der Wirkstoff THC im Blutserum nur vier bis sechs Stunden nachweisbar; lediglich in Fällen eines wiederholten oder gar regelmäßigen Konsums kann sich diese Zeitspanne auf gelegentlich über 24 Stunden verlängern.

OVG NRW, Beschluss vom 09. Juli 2015 - 16 B 660/15 -, juris Rn. 4 ff.

Zwar lagen damit auch die Voraussetzungen für die Entscheidung über die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens nach § 46 Abs. 3 iVm § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV vor, da der Antragsteller als gelegentlicher Cannabiskonsument einmalig gegen das Trennungsgebot gem. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV iVm Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen hat.

BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 14.17 - juris, Rn. 34.

Die Antragsgegnerin musste aber nicht vorrangig eine Entscheidung über die Beibringung einer medizinischpsychologischen Untersuchung treffen.

Die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV bzw. eines medizinischpsychologischen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV dienen - in Abhängigkeit der zu klärenden Eignungsbedenken - unterschiedlichen Zielsetzungen. Während die ärztliche Untersuchung der Abklärung des Konsumverhaltens und damit etwa der Feststellung einmaligen, gelegentlichen oder - wie im Falle des Antragstellers - des regelmäßigen Konsums von Cannabis sowie des zusätzlichen Gebrauchs von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV dient, ist Ziel der medizinischpsychologischen Begutachtung u.a. zu prognostizieren, ob der gelegentlich Konsumierende, der einmalig gegen das Trennungsverbot verstoßen hat, in der Zukunft (wieder) zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennen wird.

BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 14/17 -, juris Rn. 10; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. § 11 Rn. 24.

Insofern, kann die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV die Vorstufe der Anordnung der Beibringung einer medizinischpsychologischen Untersuchung sein, wenn sich aus ihr ergibt, dass der Fahrerlaubnisinhaber gelegentlicher Cannabiskonsument ist,

Bayerischer VGH, Beschluss vom 18. Dezember 2006 - 11 ZB 05.1069 -, juris Rn. 19 m.w.N.

Sie dient daneben jedoch auch - wie hier - der eigenständigen Abklärung des Konsumverhaltens des Betroffenen.

Die Anordnung einer medizinischpsychologischen Begutachtung, die über die von der Antragsgegnerin geforderten rein medizinischen Feststellungen hinausgehen würde, wäre unter Umständen zur Klärung des Konsumverhaltens ebenso geeignet, ginge jedoch (aufgrund der umfassenden psychologischen Begutachtung) darüber hinaus und wäre demgemäß (jedenfalls) nicht weniger belastend.

BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 - 1 BvR 689/92 -, juris, Rn. 55; BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 1996- 11 B 93/96 -, juris Rn. 3 und vom 23. August 1996- 11 B 48/96 -, juris Rn. 4.

Der Antragsteller ist der Anordnung vom 27. Juni 2019 zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nicht nachgekommen.

Es liegt nach summarischer Prüfung kein ausreichender Grund für die nicht fristgerechte Beibringung des geforderten ärztlichen Gutachtens vor. Der Antragsteller hat bereits nicht substantiiert dargelegt, aus welchem Grund er die Anordnung verspätet zur Kenntnis genommen haben sollte. Zwar hat er telefonisch am 15. Juli 2019 im Verwaltungsverfahren gegenüber der Antragsgegnerin vorgetragen, er habe sich "für ein paar Tage" nicht zu Hause aufgehalten. Seine Mutter habe ihn über den Eingang eines "gelben Briefes" informiert, er lehne es jedoch ab, dass seine Mutter seine Post öffne. Aus diesem Vortrag ergibt sich bereits nicht, in welchem Zeitraum der Kläger ortsabwesend gewesen sein will und wann er von dem Eingang des Bescheides, der mit Postzustellungsurkunde vom 9. Juli 2019 zugestellt wurde, Kenntnis erlangt hat.

Insgesamt ist damit ernstlich zu befürchten, dass der Antragsteller vor einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden wird. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung deutlich.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Androhung des Zwangsgeldes kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Androhung erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall, dass der Antragsteller, den Führerschein nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung der Ordnungsverfügung vom 30. Juli 2019, abliefern sollte, findet ihre Grundlage in §§ 55 Abs. 1, 57, 60 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NW). Die Höhe des Zwangsgeldes von 500,00 Euro steht in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck, den Antragsteller zur Abgabe seines Führerscheins zu bewegen (vgl. § 58 VwVG NW).

Es ist schließlich kein Grund ersichtlich, der es geboten erscheinen lässt, trotz der im summarischen Verfahren festgestellten offensichtlichen Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsakte der Klage des Antragstellers aufschiebende Wirkung beizumessen. Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit erscheint - auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Antragstellers, der seinen Angaben zu Folge zur Arbeitssuche auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist - zu erheblich, als dass diese bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen werden könnte. Vielmehr besteht ein das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegendes öffentliches Interesse daran, ihn durch eine sofort wirksame Maßnahme vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Etwaige berufliche und private Nachteile hat der Antragsteller daher hinzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei orientiert sich das Gericht in Anlehnung an die Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bei der Streitwertbemessung in Hauptsacheverfahren, die die Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis betreffen, nach § 52 Abs. 1 und 2 GKG grundsätzlich am gesetzlichen Auffangwert. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich für die Hauptsache ergebende Wert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren.

Lukas Jozefaciuk