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VG Münster, Beschluss vom 16.09.2019 - 1 L 908/19

Tenor

Die Stadt Münster, vertreten durch den Oberbürgermeister, wird beigeladen.

Dem Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, die mit Bescheid vom 13. September 2019 angeordneten mobilen Haltverbotszonen entsprechend des dem Bescheid beigefügten Beschilderungsplans durch das Aufstellen der entsprechenden Verkehrsschilder bis spätestens zum 20. September 2019 um 7:00 Uhr einzurichten. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Beiladung beruht auf § 65 Abs. 1 VwGO.

II. Der Antrag des Antragstellers,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, die mit Bescheid vom 13.9.2019 (Az. ZI 12.2. - 57.02.01) erlassenen Parkverbote am Hansaring ordnungsgemäß und mit vollstreckungsrechtlich ausreichendem zeitlichen Vorlauf (mind. 72 Stunden) vor dem für den 20.9.2019 geplanten Beginn der Versammlung bekanntzugeben,

ist zulässig. Er ist gemäß §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 VwGO insbesondere als Antrag nach § 123 VwGO statthaft, weil der Antragsteller den Antragsgegner damit auf ein rein tatsächliches Verhalten

- die Umsetzung der unter Ziffer III. des Bescheides vom 13. September 2019 der Sache nach durch den Antragsgegner angeordneten mobilen Haltverbotszonen durch ordnungsgemäßes Aufstellen der dazu notwendigen Beschilderung -

in Anspruch nimmt, dass er im Hauptsacheverfahren mit einer allgemeinen Leistungsklage erstreiten müsste.

Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache steht einer einstweiligen Anordnung dabei nicht entgegen, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, BVerwGE 146, 189 = juris Rn. 22; BVerfG, Beschluss vom 15. August 2002 - 1 BvR 1790/00 -, NJW 2002, 3691 = juris Rn. 18.

Der Antragsteller hat Anordnungsanspruch (1.) und -grund (2.) glaubhaft gemacht. Auch die in der begehrten einstweiligen Anordnung liegende Vorwegnahme der Hauptsache ist gerechtfertigt. Das Gericht konnte die von ihm in Abweichung vom Antrag ausgesprochene Regelung im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens treffen. Diese Abweichung findet ihre Ursache darin, dass eine Einrichtung der Haltverbotszonen mit einem Vorlauf von weniger als 72 Stunden sich nicht auf die Möglichkeit auswirkte, etwaig verbotswidrige Kraftfahrzeuge abzuschleppen, sondern allein für die Frage relevant wäre, wer die Kosten eines solchen Abschleppvorgangs zu tragen hätte.

Vgl. zu letzterem BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2018 - 3 C 25/16 -, juris = BVerwGE 162, 146-153.

1. Der Antragsteller hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf eine tatsächliche Umsetzung der im Bescheid vom 13. September 2019 angeordneten mobilen Haltverbotszonen entsprechend des dem Bescheid beigefügten Beschilderungsplans [dazu a)]. Die dazu erforderlichen tatsächlichen Verrichtungen kann der Antragsgegner nicht auf den Antragsteller abwälzen [dazu b)]; der Antragsgegner hat vielmehr für ihre Durchführung in eigener Zuständigkeit Sorge zu tragen [dazu c)].

a) Der Anspruch des Antragstellers auf eine tatsächliche Umsetzung der im Bescheid vom 13. September 2019 angeordneten mobilen Haltverbotszonen entsprechend des dem Bescheid beigefügten Beschilderungsplans ergibt sich jedenfalls aus der in dem Bescheid getroffenen straßenverkehrsrechtlichen Anordnung i.V.m. Art. 8 Abs. 1 GG.

aa) Wenn der Antragsgegner in seinem Bescheid vom 13. September 2019 unter Ziffer II. davon spricht, dass er dem Antragsteller "die [...] Genehmigung [...] zur Errichtung mobiler Haltverbotszonen" erteilt, weil dieser beabsichtige, die für den ruhenden Verkehr genutzten Parkflächen entlang des Hansarings für Versammlungszwecke zu nutzen, liegt darin nach der maßgeblichen Auslegung aus dem objektivierten Empfängerhorizont analog §§ 133, 157 BGB die straßenverkehrsrechtliche Anordnung einer mobilen Haltverbotszone nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 41 Abs. 1 StVO. Die vom Antragsgegner verwendete Formulierung "Genehmigung" sollte unter Berücksichtigung der Bescheidbegründung allein deutlich machen, dass der Antragsgegner den Antragsteller und nicht sich selbst als für die von der Anordnung zu unterscheidende

- vgl. dazu nur den Wortlaut von § 45 Abs. 5 und 6 StVO und VGH BaWü, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 S 3263/08 -, juris -

tatsächliche Umsetzung der in der Sache getroffenen straßenverkehrsrechtlichen Anordnung als zuständig ansah.

Zugleich bringt die Formulierung zum Ausdruck, dass der Antragsteller auch einen Anspruch auf die erlassene straßenverkehrsrechtliche Anordnung hatte. Zwar ist § 45 Abs. 1 StVO grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Interessen einzelner gerichtet. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber anerkannt, dass der einzelne einen - auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten - Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten in bestimmten Fällen, nämlich dann haben kann, wenn die Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 04. Juni 1986 - 7 C 76/84 -, juris = BVerwGE 74, 234-241, König, in: Hentschel u.a., Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO Rn 28a m.w.N.

Zu diesen Individualinteressen zählt mit Blick auf das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit in § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO auch die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG). Gerade deren spezifisches Betroffensein in Form der für Versammlungszwecke beabsichtigten Nutzung der Parkflächen entlang des Hansarings hat den Antragsgegner ausweislich der Bescheidbegründung auch zur Anordnung der mobilen Haltverbotszonen bewogen.

bb) Die nach dem Vorgesagten verfassungsrechtlich fundierten straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen des Antragsgegners im verfahrensgegenständlichen Bescheid bedürfen zu ihrer praktischen Wirksamkeit der (rechtzeitigen) tatsächlichen Umsetzung. Auch wenn ein diesbezüglicher Anspruch nicht ausdrücklich gesetzlich formuliert ist, besteht ein solcher Umsetzungsanspruch jedenfalls in den Fällen von Verfassungs wegen, in denen die Anordnung - wie hier - dem Schutz von verfassungsrechtlich geschützten Individualinteressen dient. Der Umsetzungsanspruch beinhaltet dabei auch die Einhaltung des zum Schutz dieser Interessen notwendigen zeitlichen Rahmens. Denn ansonsten liefen die u.a. in § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO mit Blick auf hochrangige Verfassungsgüter (u.a. Art. 2 Abs. 2, Art. 14 GG) eingeräumten subjekt-öffentlichen Rechte leer. Das gilt auch für die vom weiten Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erfasste Versammlungsfreiheit.

cc) Inhaltlich ist der Anspruch nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO auf "die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen" gerichtet. Dass die Aufstellung der aus dem Beschilderungsplan ersichtlichen Verkehrszeichen insoweit im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 GG nicht hinreichend wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

b) Der Antragsgegner kann die tatsächliche Umsetzung der im Bescheid vom 13. September 2019 wirksam getroffenen Anordnung mobiler Haltverbotszonen nicht auf den Antragsteller abwälzen. Die Umsetzung straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen obliegt in aller Regel dem öffentlichen Rechtsträger des jeweiligen Straßenbaulastträgers (§ 45 Abs. 5 StVO). Sie kann einem privaten Dritten als Verwaltungshelfer nur einvernehmlich oder auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung wie § 45 Abs. 6 StVO auferlegt werden, an der es vorliegend mangelt. Im Übrigen ist dem Antragsteller darin zuzustimmen, dass die Übertragung der Umsetzung straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ausscheidet, wenn die Durchführung der Versammlung als solcher dadurch wesentlich erschwert oder gar unmöglich würde.

c) Die Zuständigkeit für die verfahrensgegenständliche Anordnung der Einrichtung mobiler Haltverbotszonen trifft allein den Antragsgegner. Dieser hat zu Recht aufgrund der Sperrwirkung des versammlungsrechtlichen Anmeldeverfahrens anstelle der an sich zuständigen und beteiligten Straßenverkehrsbehörde gehandelt und einen Gesamtbescheid erlassen (Konzentrationsgrundsatz). Denn nur wenn der Versammlungsbehörde eine umfassende, auch Kompetenzen anderer (Fach-)Behörden erfassende versammlungsrechtliche Entscheidung ermöglicht wird, kann sie alle einzustellenden Belange sinnvoll gegeneinander abwägen und in Ausgleich bringen. Zugleich ist sichergestellt, dass der Anmelder nur mit einem Hoheitsträger konfrontiert ist, nur mit diesem verhandeln muss und von ihm auch einen Gesamtbescheid erhält.

Vgl. allgemein zum Konzentrationsgrundsatz Kniesel, in: Dietel u.a.; Versammlungsgesetze, 17. Auflage 2016, § 14 Rn 37 ff. sowie Thür OVG, Beschluss vom 4. Juli 2013 - 2 EO 414/13 -, juris Rn. 6 ff., das die Reichweite dieses Grundsatzes problematisiert und insbesondere die Frage behandelt und offenlässt (Rn. 8 f.), ob jegliche mit der Versammlung in Zusammenhang stehende Folgeentscheidung von der Versammlungsbehörde selbst oder aber von der an sich zuständigen Behörde entsprechend der versammlungsrechtlichen Grundentscheidung der Versammlungsbehörde zu treffen ist.

Nach diesen Maßgaben zur Begründung des Konzentrationsgrundsatzes trifft den Antragsteller jedoch auch die alleinige Verantwortung dafür, dass die an sich der Beigeladenen als Straßenbaulastträger obliegende Pflicht zur tatsächlichen Umsetzung seiner straßenverkehrsrechtlichen Anordnung zeitgerecht erfüllt wird. Es gibt keinen Anlass, für die Anordnung einer Maßnahme eine Gesamtverantwortung der Versammlungsbehörde anzunehmen, den Anmelder bei der Umsetzung der Maßnahme jedoch an die jeweils zuständige Fachbehörde zu verweisen. Vielmehr muss es zur Effektuierung der Versammlungsfreiheit auch insoweit bei der umfassenden Zuständigkeit des Antragsgegners als Versammlungsbehörde bleiben. Damit ist freilich im Verhältnis der Behörden zueinander nichts darüber gesagt, ob er die Umsetzung seiner Anordnung selbst und mit eigenen Mitteln vornehmen muss oder die an sich zuständige Fachbehörde im Wege der Amtshilfe hierzu heranziehen kann.

2. Der erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich aus dem Umstand, dass gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache im Hinblick auf die bereits am 20. September 2019 geplante Versammlung vor einer Erledigung des Rechtsstreits nicht zu erlangen ist. Die von Art. 19 Abs. 4 GG geforderte Effektivität des Rechtsschutzes sowie der Umstand, dass nach den Ausführungen unter II. eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass dem Antragsteller auch ein Erfolg in der Hauptsache beschieden sein wird, rechtfertigen deshalb, dass die von der Kammer ausgesprochene einstweilige Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu einer Vorwegnahme derselben führt.

III. Der Antrag des Antragstellers,

die übrigen zur sicheren Durchführung der Versammlung notwendigen und mit Verfügung vom 13.9.2019 (Az. ZI 12.2. - 57.02.01) angekündigten Sperrungen für den motorisierten Verkehr ordnungsgemäß und rechtzeitig bekanntzugeben und zu vollziehen,

hat keinen Erfolg.

Sie ist mangels Rechtschutzbedürfnisses bereits unzulässig, weil weder im Vorfeld noch - im Hinblick auf den Inhalt der Antragserwiderung - im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ein konkreter Anlass bestand, an einer Durchführung der vollzugspolizeilichen Maßnahmen der Verkehrssperrung und -lenkung durch den Antragsgegner zu zweifeln. Der zur Begründung von Zweifeln durch den Antragsteller herangezogene Hinweis auf den Beschilderungsplan unter Ziffer III. des verfahrensgegenständlichen Bescheides geht fehl, weil er sich ersichtlich allein auf die Einrichtung der mobilen Haltverbotszonen bezog.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen waren nach dem gemäß § 162 Abs. 3 VwGO maßgeblichen billigen Ermessen nicht erstattungsfähig, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Vorwegnahme der Hauptsache im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzverfahrens.

Lukas Jozefaciuk